Vergabe freiberuflicher Leistungen im Oberschwellenbereich

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Mit Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (Vergaberichtlinie) findet auf die Vergabe freiberuflicher Leistungen im Oberschwellenbereich die Vergabeverordnung (VgV) Anwendung<ref>Angela Dageförde, Holger Thärichen, et al., Handbuch für den Fachanwalt für Vergaberecht (Schriftenreihe des forum vergabe), Bundesanzeiger Verlag, 3. Januar 2019, ISBN 9783846206836, Seite 190</ref>.

Freiberufliche Tätigkeit

"Das Verständnis der Freiberuflichkeit im Vergaberecht ist im Sinn einer Einheitlichkeit der Rechtsordnung am gleichlautenden steuerrechtlichen Begriff in EStG § 18 zu orientieren."<ref>OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.08.2011 - Verg 36/11, Abs. 22</ref>

Die Freien Berufe haben nach PartGG § 1 Abs. 2 Satz 1 im allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören nach EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 die selbständig ausgeübte

die selbständige Berufstätigkeit der<ref>Katalogberufe</ref>

und

Vergabe von Rechtsdienstleistungen

Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist nach GWB § 116 Abs. 1 Nr. 1<ref>vgl. Richtlinie 2014/24/EU Artikel 10 lit.d</ref> nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, wenn diese Aufträge Folgendes zum Gegenstand haben:

1. Rechtsdienstleistungen, die eine der folgenden Tätigkeiten betreffen:
a) Vertretung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt in
aa) Gerichts- oder Verwaltungsverfahren vor nationalen oder internationalen Gerichten, Behörden oder Einrichtungen,
bb) nationalen oder internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren,
b) Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, sofern diese zur Vorbereitung eines Verfahrens im Sinne von Buchstabe a dient oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Rechtsberatung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens werden wird,
c) Beglaubigungen und Beurkundungen, sofern sie von Notaren vorzunehmen sind,
d) Tätigkeiten von gerichtlich bestellten Betreuern, Vormündern, Pflegern, Verfahrensbeiständen, Sachverständigen oder Verwaltern oder sonstige Rechtsdienstleistungen, deren Erbringer durch ein Gericht dafür bestellt oder durch Gesetz dazu bestimmt werden, um bestimmte Aufgaben unter der Aufsicht dieser Gerichte wahrzunehmen, oder
e) Tätigkeiten, die zumindest teilweise mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind.

Für diese Ausnahmen gilt allgemeines Haushaltsrecht, z.B. BHO § 55<ref>Angela Dageförde, Holger Thärichen, et al., Handbuch für den Fachanwalt für Vergaberecht (Schriftenreihe des forum vergabe), Bundesanzeiger Verlag, 3. Januar 2019, ISBN 9783846206836, Seite 204</ref>. Dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muss etwa nach BHO § 55 Abs. 1 Satz 1 eine Öffentliche Ausschreibung oder eine Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände werden hier aber regelmäßig angenommen, so dass diese Rechtsdienstleistungen im Ergebnis unabhängig vom Auftragswert "freihändig"<ref>Angela Dageförde, Holger Thärichen, et al., Handbuch für den Fachanwalt für Vergaberecht (Schriftenreihe des forum vergabe), Bundesanzeiger Verlag, 3. Januar 2019, ISBN 9783846206836, Seite 204</ref> vergeben werden können<ref>Angela Dageförde, Holger Thärichen, et al., Handbuch für den Fachanwalt für Vergaberecht (Schriftenreihe des forum vergabe), Bundesanzeiger Verlag, 3. Januar 2019, ISBN 9783846206836, Seite 204</ref>.

Handelt es sich um besondere Dienstleistungen im Sinne von Richtlinie 2014/24/EU Anhang XIV bzw. Richtlinie 2014/24/EU Artikel 74<ref>vgl. auch GWB § 130 Abs. 1 Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen, VgV § 64 Vergabe von Aufträgen für soziale und andere besondere Dienstleistungen</ref>, ist gemäß GWB § 106 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Richtlinie 2014/24/EU Artikel 4 lit. d der Schwellenwert von 750.000 Euro maßgeblich<ref>vgl. die in Anhang XIV genannten CPV-Codes 79110000-8 bzw. 79111000-5 und 79112000-2, vgl. Verordnung (EG) Nr. 213/2008)</ref>. Dies betrifft z.B. vergabe-und vertragsrechtliche Beratungsleistungen für ein bestimmtes Bauvorhaben<ref>VK Bund, Beschluss vom 01.06.2017 - VK 1-47/17)</ref>.

Im Unterschwellenbereich richtet sich die Vergabe dieser Dienstleistungen grundsätzlich nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)<ref>Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer-und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte</ref><ref>vgl. Angela Dageförde, Holger Thärichen, et al., Handbuch für den Fachanwalt für Vergaberecht (Schriftenreihe des forum vergabe), Bundesanzeiger Verlag, 3. Januar 2019, ISBN 9783846206836, Seite 205</ref>. Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)<ref>Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer-und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte</ref> ist jedoch nach UVgO § 1 Abs. 2 ungeachtet des Erreichens des jeweiligen Schwellenwerts gemäß GWB § 106 nicht auf Sachverhalte anzuwenden, für die das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in den §§ 107, 108, 109, 116, 117 oder 145 Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorsieht. Zu beachten ist an dieser Stelle wiederum GWB § 116 Abs. 1, so dass die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)<ref>Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer-und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte</ref> auf die dort genannten Ausnahmen ebenfalls nicht anwendbar ist. Im Unterschwellenbereich gilt für die nicht von GWB § 116 Abs. 1 erfassten Fälle die Sonderregelung zur Vergabe von freiberuflichen Leistungen des UVgO § 50. Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, sind danach gemäß UVgO § 50 Satz 1 grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist (UVgO § 50 Satz 2). Gerade im Bereich der Rechtsdienstleistungen werden jedoch "besondere Umstände" anerkannt, die eine Vergabe im Wettbewerb einschränken<ref>Angela Dageförde, Holger Thärichen, et al., Handbuch für den Fachanwalt für Vergaberecht (Schriftenreihe des forum vergabe), Bundesanzeiger Verlag, 3. Januar 2019, ISBN 9783846206836, Seite 205</ref>. Wenn die Leistung nach Art und Umfang, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vor der Vergabe nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, dass hinreichend vergleichbare Angebote erwartet werden können, kann der Auftraggeber Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben (UVgO § 8 Abs. 4 Nr. 3) Letztlich führt dies dazu, dass Rechtsdienstleistungen auch im Unterschwellenbereich grundsätzlich "freihändig"<ref>Angela Dageförde, Holger Thärichen, et al., Handbuch für den Fachanwalt für Vergaberecht (Schriftenreihe des forum vergabe), Bundesanzeiger Verlag, 3. Januar 2019, ISBN 9783846206836, Seite 206</ref> vergeben werden können<ref>Angela Dageförde, Holger Thärichen, et al., Handbuch für den Fachanwalt für Vergaberecht (Schriftenreihe des forum vergabe), Bundesanzeiger Verlag, 3. Januar 2019, ISBN 9783846206836, Seite 206</ref>.

Ein Bieterrechtsschutz außerhalb des GWB Teil 4 - Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen (§§ 97 - 184) existiert faktisch nicht.

Normen

Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (Vergaberichtlinie)

  • Erwägungsgründe
    • (25) Einige Rechtsdienstleistungen werden von durch ein Gericht eines Mitgliedstaats bestellten Dienstleistern erbracht, betreffen die Vertretung von Mandanten in Gerichtsverfahren durch Rechtsanwälte, müssen durch Notare erbracht werden oder sind mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden. Solche Rechtsdienstleistungen werden in der Regel durch Organisationen oder Personen erbracht, deren Bestellung oder Auswahl in einer Art und Weise erfolgt, die sich nicht nach Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge richten kann, wie z. B. bei der Ernennung von Staatsanwälten in einigen Mitgliedstaaten. Diese Rechtsdienstleistungen sollten daher vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden.

...

    • (114)
      • Bestimmte Dienstleistungskategorien haben aufgrund ihrer Natur nach wie vor lediglich eine begrenzte grenzüberschreitende Dimension, insbesondere die sogenannten personenbezogenen Dienstleistungen, wie etwa bestimmte Dienstleistungen im Sozial-, im Gesundheits- und im Bildungsbereich. Diese Dienstleistungen werden in einem besonderen Kontext erbracht, der sich aufgrund unterschiedlicher kultureller Traditionen in den einzelnen Mitgliedstaaten stark unterschiedlich darstellt. Für öffentliche Aufträge zur Erbringung dieser Dienstleistungen sollte daher eine spezifische Regelung festgelegt werden und ein höherer Schwellenwert gelten als der, der für andere Dienstleistungen gilt.
      • Personenbezogene Dienstleistungen mit einem unter diesem Schwellenwert liegenden Auftragswert werden in der Regel für Dienstleister aus anderen Mitgliedstaaten nicht von Interesse sein, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die das Gegenteil vermuten lassen, wie etwa eine Finanzierung grenzüberschreitender Projekte durch die Union.
      • Aufträge zur Erbringung personenbezogener Dienstleistungen oberhalb dieses Schwellenwerts sollten unionsweiten Transparenzvorschriften unterliegen. Angesichts der Bedeutung des kulturellen Kontexts und des sensiblen Charakters dieser Dienstleistungen sollte den Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt werden, damit sie die Auswahl der Dienstleister in einer Weise organisieren können, die sie für am besten geeignet erachten. Die Vorschriften dieser Richtlinie tragen diesem Erfordernis Rechnung, indem sie lediglich die Einhaltung von Grundprinzipien der Transparenz und der Gleichbehandlung verlangen und sicherstellen, dass die öffentlichen Auftraggeber spezifische Qualitätskriterien für die Auswahl von Dienstleistern anwenden können, wie etwa die Kriterien, die in dem vom Ausschuss für Sozialschutz der Europäischen Union veröffentlichten freiwilligen Europäischen Qualitätsrahmen für Sozialdienstleistungen festgelegt wurden. Bei der Festlegung der Verfahren, die für die Auftragsvergabe bei personenbezogenen Dienstleistungen anzuwenden sind, sollten die Mitgliedstaaten Artikel 14 AEUV und das Protokoll Nr. 26 berücksichtigen. Dabei sollten sie sich auch die Vereinfachung und die Reduzierung des Verwaltungsaufwands für die öffentlichen Auftraggeber und die Wirtschaftsteilnehmer zum Ziel setzen; es sollte klargestellt werden, dass hierfür auch Bestimmungen für Dienstleistungsaufträge herangezogen werden können, die nicht unter die Sonderregelung fallen.
      • Den Mitgliedstaaten und Behörden steht es auch künftig frei, diese Dienstleistungen selbst zu erbringen oder soziale Dienstleistungen in einer Weise zu organisieren, die nicht mit der Vergabe öffentlicher Aufträge verbunden ist, beispielsweise durch die bloße Finanzierung solcher Dienstleistungen oder durch Erteilung von Lizenzen oder Genehmigungen — ohne Beschränkungen oder Festsetzung von Quoten — für alle Wirtschaftsteilnehmer, die die vom öffentlichen Auftraggeber vorab festgelegten Bedingungen erfüllen; Voraussetzung ist, dass ein solches System eine ausreichende Bekanntmachung gewährleistet und den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung genügt.
  • Richtlinie 2014/24/EU Artikel 74 Vergabe von Aufträgen für soziale und andere besondere Dienstleistungen: Öffentliche Aufträge, die soziale und andere in Anhang XIV aufgeführte besondere Dienstleistungen betreffen, werden im Einklang mit den Bestimmungen dieses Kapitels vergeben, sofern ihr Wert dem in Artikel 4 Buchstabe d angegebenen Schwellenwert entspricht oder diesen übersteigt.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Vergabeverordnung (VgV)

Rechtsprechung

  • VK Bund, Beschluss vom 01.06.2017 - VK 1-47/17: "Vorliegend ist gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 lit. d) der Richtlinie 2014/24/EU der Schwellenwert von 750.000 Euro maßgeblich. Denn der streitgegenständliche Interimsvertrag hat die Erbringung von Rechtsberatungsleistungen zum Gegenstand, bei denen es sich um besondere Dienstleistungen im Sinne von Anhang XIV bzw. Art. 74 der Richtlinie (vgl. auch § 130 Abs. 1 GWB) handelt. Dies folgt aus dem Umstand, dass die für die fraglichen Leistungen in Betracht kommenden CPV-Codes (79110000-8 bzw. 79111000-5 und 79112000-2, vgl. Verordnung (EG) Nr. 213/2008) im fraglichen Anhang XIV der Richtlinie aufgeführt sind."<ref>Ziffer II.1</ref>

Siehe auch

Fußnoten

<references/>