Abgabenerlass

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Der Beitragserlass im Einzelfall kann nach KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a i. V. m . AO § 227 zulässig sein. Er führt dann zum Erlöschen der Abgabenschuld<ref>Simoneit/Roßmann, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V), Kommentar, S. 148</ref>. Nach AO § 227 (i.V.m. KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a) können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, "wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden." Unbillig kann die Einziehung bei Vorliegen persönlicher oder sachlicher Gründe sein<ref>Simoneit/Roßmann, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V), Kommentar, S. 148</ref>.

Die Rückforderung rechtswidrig erlassener Abgaben ist nur nach AO § 130 Abs. 2 möglich<ref>vgl. Dobler, EU-Beihilfe und kommunale Wirtschaftsförderung - erläutert an Fällen aus der kommunalen Praxis Fallbeispiel 3</ref>.

Vorliegen persönlicher Unbilligkeitsgründe

"Persönliche Billigkeitsgründe setzen Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit voraus. Erlassbedürftigkeit liegt vor, wenn die Erhebung der Steuer den Steuerpflichtigen wirtschaftlich existenzgefährdend oder existenzvernichtend treffen würde<ref>BVerwG, Urteil vom 23.08.1990 - 8 C 42.88</ref>. Für solche individuellen Umstände ist der Steuerpflichtige darlegungs- und beweispflichtig<ref>Pahlke/Koenig, AO, 2. Auflage 2009, RdNr. 49 zu § 227 m.w.N.</ref>.

Vorliegen sachlicher Unbilligkeitsgründe

Sachliche Unbilligkeitsgründe "liegen vor, wenn die Beitragserhebung für einen beitragspflichtigen Tatbestand im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist, also den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Ein Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen kommt - anders ausgedrückt - nur in Betracht, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege begehrte Entscheidung - hätte er die Frage geregelt - im Sinne des Erlasses getroffen haben würde. Hingegen darf ein Billigkeitserlass nicht gewährt werden, um ein vom Gesetzgeber zulässigerweise gewolltes oder in Kauf genommenes Ergebnis abzuwenden"<ref>vgl. BFH, Urteil vom 19.10.2010 - X R 9/09 - juris; BVerwG, Urteil vom 04.06.1982 - 8 C 106.81 - KStZ 1982, 192; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.09.2005 - 9 ME 308/04 - juris, mwN; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 02.05.2013 - 5 K 5900/12 - juris, zitiert nach VG Hannover, Urteil vom 21.05.2014 - 1 A 6026/13 </ref>. "Die Beitragseinziehung muss eine Unbilligkeit für den Beitragspflichtigen darstellen, so dass es nach Lage der Verhältnisse unangebracht ist, den nach dem Wortlaut des Gesetzes geschuldeten Betrag (vollständig) zu erheben"<ref>vgl. Driehaus, Kommunalabgebenrecht, 47. EL, September 2012, § 8, Rn. 37, zitiert nach VG Hannover, Urteil vom 21.05.2014 - 1 A 6026/13 </ref>. Systemimmanente Folgen der gesetzlichen Regelung dürfen hingegen nicht im Wege der Billigkeit aufgehoben werden, auch wenn im Einzelfall eine Härte gegeben ist<ref>vgl. Rosenzweig/Freese, NKAG, § 11, Rn. 88, zitiert nach VG Hannover, Urteil vom 21.05.2014 - 1 A 6026/13 </ref>.

Abgrenzung zum Abgabenverzicht

Der Beitragserlass (im Einzelfall) ist zu unterscheiden vom Beitragsverzicht, also der generellen Unterlassung der Schaffung der satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Beitragserhebung. Letzterer ist grundsätzlich unzulässig<ref>Simoneit/Roßmann, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V), Kommentar, S. 148</ref>.

Einzelfälle

Zitate aus der Rechtsprechung

  • "Ein Ratsbeschluss, dass von der Heranziehung der Anlieger zu den Ausbaukosten abgesehen werde, kann - bei entsprechender Mitteilung an die Betroffenen - einen wirksamen Vorausverzicht beinhalten, der einer späteren Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entgegensteht, sofern er nicht wirksam zurückgenommen worden oder nichtig ist"<ref>vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 02.11.2000 - 9 L 2432/99</ref>.
  • Ein ohne Rechtsgrundlage erfolgter Beitragserlass verstößt gegen die in GO Art. 62 niedergelegten Grundsätze der Einnahmebeschaffung, gegen den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit sowie gegen das aus GG Art. 20 Abs. 3 fließende Gebot, Abgaben nur nach Maßgabe der Gesetze zu erheben; diese Beitragserhebungspflicht schließt es aus, Abgabenbefreiungen über den Rahmen der Gesetze hinaus durch Verwaltungsmaßnahmen zu gewähren. Nach dem über KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b NKAG anwendbaren AO § 125 Abs. 1 hätten diese Verstöße die Nichtigkeit des Ratsbeschlusses zur Folge, wenn bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig wäre, dass der Ratsbeschluss an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet. Hiervon kann dann nicht ausgegangen werden, wenn aus den bei der Prüfung des § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO genannten Gründen nicht ohne weiteres erkennbar war, dass der Ratsbeschluss nicht durch die geltende Rechtslage gedeckt war<ref>vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 02.11.2000 - 9 L 2432/99</ref>.
  • VG Regensburg, Urteil vom 15.03.2013 - RN 10A DK 12.675 Abs. 7-11: :"Mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 09.03.2010, Az. Ls 5 Js 4176/08, wurde der Beamte wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 113,-- Euro verurteilt. Den tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils ist zu entnehmen, dass der Beamte mit Schreiben vom 28.07.2004 Herrn A... W. zwei Drittel des von diesem geschuldeten Erschließungsbeitrags in Höhe von 20.021,46 Euro, im Ergebnis also einen Betrag in Höhe von 14.775,-- Euro, erlassen hat. Der Beamte habe leichtfertig nicht erkannt, dass kein rechtlicher Grund für einen Erlass der Schuld vorlag. Bei Unterzeichnung des Schreibens vom 28.07.2004 habe er zumindest billigend in Kauf genommen, dass er außerhalb seiner eigenen Kompetenz (Wertgrenze für Erlass von Abgaben 1.500,-- Euro nach der Geschäftsordnung für den Stadtrat ...) gehandelt hatte. Es fehlte der erforderliche Beschluss des Stadtrats.
Der Beamte wendete seinerzeit ein, er habe kein „gedankliches Mitbewusstsein“ dafür gehabt, dass der Stadtrat zuständig gewesen wäre. Er habe auch nicht gewusst, dass sich für das Grundstück der Eheleute W. überhaupt eine Erschließungsbeitragspflicht ergeben könne."

Normen

Rechtsprechung

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

  • BVerwG, Urteil vom 23.08.1990 - 8 C 42.88
  • BVerwG, Urteil vom 21.10.1983 - 8 C 174.81 = NJW 1984, 2113 - "Zum Unterschied zwischen der Zusage eines (künftigen) Abgabenverzichts und einem bereits erfolgenden Abgaben(voraus)verzicht. Ein gesetzwidriger Beitragsverzicht verstößt zugleich gegen das in GG Art. 20 Abs. 3 enthaltene Verbot, Abgaben anders als nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen zu erheben. Ein gesetzwidriger Beitragsverzicht ist unbeachtlich, wenn der ihn gewährende Verwaltungsakt nichtig oder rechtswirksam zurückgenommen ist." (Amtl.Leitsatz)

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)

Weitere Oberverwaltungsgerichte

Verwaltungsgerichte

Publikationen

Presseberichte

  • br.de vom 29.04.2016 - Streit um Kurbeiträge - Bad Wörishofer Bürgermeister contra Stadtrat:
    • "Bad Wörishofen streitet über die Fremdenverkehrsabgabe von der Therme an die Stadt. Bürgermeister Gruschka weigert sich, die vom Stadtrat beschlossenen Bescheide zu unterschreiben."
    • Der neue Bürgermeister von Bad Wörishofen macht es richtig: "Wer Fremdenverkehrsbeiträge nicht satzungsgemäß geltend mache, setze sich dem strafrechtlichen Risiko aus, wegen Untreue verurteilt zu werden, findet Gruschka. Im Abgabenrecht dürften weder Vergleiche noch sonstige Vereinbarungen getroffen werden, die letztlich auf einen Erlass hinauslaufen."
  • allgaeuhit.de vom 29.04.2016: "Die Berechnung und die Festsetzung der Fremdenverkehrsbeiträge muss die Stadtverwaltung nach ihrer Satzung und der Rechtsprechung vornehmen. Die Stadtverwaltung und der Stadtrat haben hinsichtlich der Höhe der Beiträge keinen Entscheidungsspielraum und sind an den Gleichheitssatz gebunden. Es besteht eine Vermögensbetreuungspflicht die Beiträge geltend zu machen, insbesondere im Hinblick auf die derzeitige Haushaltssituation. Werden Fremdenverkehrsbeiträge nicht satzungsgemäß erhoben, entsteht der Stadt ein Schaden. Ob eine mündliche Zusage des Bürgermeisters S. erfolgte, Fremdenverkehrsbeiträge nicht zu verlangen, ist unbeachtlich, denn die Zusage wäre mangels Schriftform unwirksam. Zudem rechtfertigen wirtschaftliche Erwägungen wie z.B. Betriebe anzusiedeln, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten oder in Aussicht gestellte Investitionen keinen Beitragserlass!"
  • SZ Online vom 24. April 2015, 18:59 Uhr - Bad Wörishofen: Verdacht der Untreue gegen Ex-Bürgermeister - "Während der Amtszeit von ... (CSU) hat er als Bürgermeister gleich vier Unternehmen eine Reduzierung des Fremdenverkehrsbeitrages eingeräumt."

Siehe auch

Fußnoten

<references />