Selbstverwaltungsrecht

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"Kommunale Selbstverwaltung - wie sie heute verstanden wird bedeutet ihrem Wesen und ihrer Intention nach Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die die in der örtlichen Gemeinschaft lebendigen Kräfte des Volkes zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammenschließt mit dem Ziel, das Wohl der Einwohner zu fördern und die geschichtliche und heimatliche Eigenart zu wahren<ref>Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 292</ref>. Die örtliche Gemeinschaft soll nach dem Leitbild des Art. 28 GG ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und in eigener Verantwortung solidarisch gestalten<ref>Köttgen, Sicherung der gemeindlichen Selbstverwaltung, 1960, S. 9</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 12.07.1960 - 2 BvR 373/60 = BVerfGE 11, 266, 275 f. Absatz 34</ref>

Artikel 28 Grundgesetz

    • (1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
    • (2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
    • (3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Eigener Aufgabenbereich

Nach Art. 28 Abs. 2 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein,

Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV haben die Gemeinden das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten, insbesonders ihre Bürgermeister und Vertretungskörper zu wählen.

Die wesentlichen Hoheitsrechte wie

dürfen nicht wesentlich eingeschränkt werden<ref>vgl. BVerfG, Urteil vom 24.07.1979 - 2 BvK 1/78 = BVerfGE 52, 95; NJW 1979, 1815; DVBl 1980, 52;, S. 117; BVerwG, a.a.O., S. 216 und S. 239; OVG Lüneburg, OVGE 26, 487 [498 f]</ref>.

Institutionelle Garantie

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet die Gemeinden nur institutionell, aber nicht individuell<ref>BVerfG, Beschluss vom 27.11.1978 - 2 BvR 165/75 = BVerfGE 50, 50 - Laatzen</ref>. Die in Bayern in den Jahren 1971 bis 1980 durchgeführte Gebietsreform<ref>vgl. Wikipedia Gebietsteform in Bayern</ref> war daher grundsätzlich möglich.

Rechtsbehelfe

Will eine Gemeinde gegen eine gesetzliche Regelung vorgehen, durch die sie sich in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt sieht, kommen folgende Rechtsbehelfe in Frage:

Auf einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG können (Individual-)Verfassungsbeschwerden nicht selbständig gestützt werden, weil diese Verfassungsbestimmung in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG bzw. § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht aufgezählt ist und deshalb nicht zu den Rechten gehört, deren behauptete Verletzung die Beschwerdebefugnis begründet.<ref>BVerfG, Beschluss vom 04.04.1978 - 2 BvR 1108/77 = BVerfGE 64, 79</ref> Die Gemeinde kann jedoch nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz mit der sog. Kommunalverfassungsbeschwerde klagen (bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann, siehe Art. 98 Satz 4 BV).

Grenzen des Selbstverwaltungsrechts

Beschränkungen des Selbstverwaltungsrechts

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Beschränkungen der Selbstverwaltung mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar, soweit sie deren Kernbereich unangetastet lassen (BVerfGE 23, 353 (365)<ref>BVerfG, Beschluss vom 21.05.1968 - 2 BvL 2/61</ref>; 22, 180 (205 mit weiteren Nachweisen)). Was zu dem Bereich gehört, der verfassungskräftig gegen jede Schmälerung durch gesetzgeberische Eingriffe geschützt ist, lässt sich nicht abstrakt-allgemein umschreiben, sondern ergibt sich einmal aus der geschichtlichen Entwicklung und sodann aus den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung (BVerfGE 17, 172 (182)).<ref>BVerfG, 10.06.1969 - 2 BvR 480/61</ref>.

Die Sorge für die Gemeindefinanzen fällt grundsätzlich in die ausschließliche Kompetenz der Länder<ref>BVerfG, 10.06.1969 - 2 BvR 480/61</ref>. Deshalb kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nicht durch die Bundesssteuergesetzgebung verletzt werden<ref>BVerfG, 10.06.1969 - 2 BvR 480/61</ref>.

Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft

Die Gemeinde ist lediglich für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuständig<ref>siehe hierzu die Rechtsprechungsübersicht unter Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft</ref>

Namensgebung bei Neugliederungen

Die Bestimmung des Namens einer im Rahmen der kommunalen Neugliederung gebildeten neuen Gemeinde durch den Landesgesetzgeber verletzt nicht die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG<ref>BVerfG, Beschluss vom 17.01.1979 - 2 BvL 6/76 = BVerfGE 50, 195; NJW 1979, 1347; DVBl 1979, 312; DÖV 1979, 405 Leitsatz</ref>.

GG Art. 7 Abs. 1 (Schulaufsicht)

Vergabe von Stromnetzkonzessionen durch die Gemeinden

Gemeinden müssen nach der Rechtsprechung des BGH<ref>BGH, Urteil vom 17.12.2013 - KZR 65/12 und BGH, Urteil vom 17.12.2013 - KZR 66/12</ref> den Konzessionär für ihr Stromnetz in einem diskriminierungsfreien und transparenten Verfahren auswählen. Das gilt auch im Fall der Übertragung an einen Eigenbetrieb. Das Transparenzgebot verlangt, dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und deren Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden. Das gilt auch dann, wenn die Gemeinde den Netzbetrieb einem Eigenbetrieb übertragen will. Gemeinden können sich in diesem Zusammenhang weder auf ein "Konzernprivileg" noch auf die Grundsätze des im Vergaberecht anerkannten "In-house-Geschäfts" berufen. Das verfassungsrechtlich geschützte kommunale Selbstverwaltungsrecht wird dadurch nicht verletzt.<ref>Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 207/13 vom 18.12.2013</ref>

Normen

Grundgesetz (GG)

Bayerische Verfassung (BV)

Bayerisches Kommunalrecht

Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

Bundesgerichtshof (BGH)

Bayerischer Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH)

Publikationen

Online-Publikationen

Fachartikel

  • Dr. Matthias Niedzwicki, Das Prinzip des grundlegenden, demokratischen Gehalts nach den sog. Maastricht- und Lissabon- Urteilen des BVerfG im Anwendungsbereich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung – Ein subjektiv-öffentliches Recht auch gegen die materielle Privatisierung kommunaler Aufgaben?, KommJur 2011, 450

Fachbücher

  • Lissak, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht nach bayerischem Verfassungs- und Verfassungsprozeßrecht, 1. Auflage 2000, Duncker & Humblot Berlin, ISBN 3428100638
  • Weber/Köppert, Kommunalrecht Bayern, 2. Aufl. 2013, Verlag C.F. Müller, ISBN 9783811463257 Rdnr. 38 ff.

Dokumentationen

Siehe auch

Fußnoten

<references />