Allgemeiner Gleichheitssatz
Ausprägungen
Rechtsanwendungsgleichheit
Zulassung zur Benutzung öffentlicher Einrichtungen
Bei einer Erschöpfung der Kapazität der öffentlichen Einrichtung hat der Bewerber ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens, d.h. darauf, dass die Auswahlentscheidung nach sachlichen Kriterien und unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes (GG Art. 3 Abs. 1, BV Art. 118 Abs. 1) getroffen wird<ref>st. Rspr., BayVGH, Beschluss vom 11.09.1981 - 4 CE 81 A.1921 = NVwZ 1982, 120 = BayVBl 1982, 656; vom 10.9.1998 NVwZ-RR 1999, 574; VGH Bayern, Urteil vom 31.03.2003 - 4 B 00.2823 = VGH 56, 98 = NVwZ-RR 2003, 771 = BayVBl 2003, 501; BayVGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 · Az. 4 CE 10.1535</ref>.
Anspruch auf gleichmäßige Teilhabe an bestehenden Studienplätzen
"Der verfassungsrechtliche Grundrechtsschutz im Bereich des Ausbildungswesens erschöpft sich indessen nicht in der den Freiheitsrechten herkömmlich beigemessenen Schutzfunktion gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach ausgesprochen, daß die Grundrechte zugleich als objektive Normen eine Wertordnung statuieren, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht, und daß daher die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind<ref>(BVerfGE 21, 362 [372] mit weiteren Nachweisen)</ref>. Je stärker der moderne Staat sich der sozialen Sicherung und kulturellen Förderung der Bürger zuwendet, desto mehr tritt im Verhältnis zwischen Bürger und Staat neben das ursprüngliche Postulat grundrechtlicher Freiheitssicherung vor dem Staat die komplementäre Forderung nach grundrechtlicher Verbürgung der Teilhabe an staatlichen Leistungen. Diese Entwicklung zeigt sich besonders deutlich im Bereich des Ausbildungswesens, das sich insoweit trotz des im übrigen bestehenden engen Zusammenhanges mit der Berufswahl von dieser unverkennbar abhebt: Die Berufsfreiheit verwirklicht sich gegenwärtig - abgesehen von dem der Sonderregelung des Art. 33 GG unterliegenden öffentlichen Dienst<ref>(vgl. dazu BVerfGE 7, 377 [398]; 17, 371 [379 f.])</ref> - vorwiegend im Bereich der privaten Berufs- und Arbeitsordnung und ist hier vornehmlich darauf gerichtet, die eigenpersönliche, selbstbestimmte Lebensgestaltung abzuschirmen, also Freiheit von Zwängen oder Verboten im Zusammenhang mit Wahl und Ausübung des Berufes zu gewährleisten. Demgegenüber zielt die freie Wahl der Ausbildungsstätte ihrer Natur nach auf freien Zugang zu Einrichtungen; das Freiheitsrecht wäre ohne die tatsächliche Voraussetzung, es in Anspruch nehmen zu können, wertlos. Demgemäß geht der Entwurf für ein Hochschulrahmengesetz von der Berechtigung eines jeden Deutschen aus, das von ihm gewählte Hochschulstudium durchzuführen, wenn er die für dieses Studium erforderliche Qualifikation nachweist.
Die Anerkennung dieser Berechtigung steht nicht im Belieben des Gesetzgebers. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob "Teilhaberechte" in gewissem Umfang bereits daraus hergeleitet werden könnten, daß der soziale Rechtsstaat eine Garantenstellung für die Umsetzung des grundrechtlichen Wertsystems in die Verfassungswirklichkeit einnimmt<ref>(vgl. dazu BVerwGE 27, 360 zur Privatschulfinanzierung)</ref>. Selbst wenn grundsätzlich daran festzuhalten ist, daß es auch im modernen Sozialstaat der nicht einklagbaren Entscheidung des Gesetzgebers überlassen bleibt, ob und wieweit er im Rahmen der darreichenden Verwaltung Teilhaberechte gewähren will, so können sich doch, wenn der Staat gewisse Ausbildungseinrichtungen geschaffen hat, aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip Ansprüche auf Zutritt zu diesen Einrichtungen ergeben. Das gilt besonders, wo der Staat - wie im Bereich des Hochschulwesens - ein faktisches, nicht beliebig aufgebbares Monopol für sich in Anspruch genommen hat und wo - wie im Bereich der Ausbildung zu akademischen Berufen - die Beteiligung an staatlichen Leistungen zugleich notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung von Grundrechten ist. Hier kann es in einem freiheitlichen Rechts- und Sozialstaat nicht mehr der freien Entscheidung der staatlichen Organe überlassen bleiben, den Kreis der Begünstigten nach ihrem Gutdünken abzugrenzen und einen Teil der Staatsbürger von den Vergünstigungen auszuschließen, zumal dies im Ergebnis auf eine Berufslenkung hinauslaufen würde. Hier folgt vielmehr daraus, daß der Staat Leistungen anbietet, ein Recht jedes hochschulreifen Staatsbürgers, an der damit gebotenen Lebenschance prinzipiell gleichberechtigt beteiligt zu werden. Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot gewährleistet also ein Recht des die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden Staatsbürgers auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl.
2. Nach verbreiteter Ansicht soll dieses Zulassungsrecht seiner Natur nach von vornherein und ausschließlich auf einen Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten beschränkt sein. Demgegenüber geht das Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Vorlagebeschluß von einer Pflicht zur Erweiterung der Ausbildungskapazität aus und folgert daraus, daß die Anordnung zumindest eines absoluten numerus clausus für Studienanfänger nur dann statthaft sei, wenn zugleich die Erfüllung jener Pflicht innerhalb bestimmter Fristen ausdrücklich gesetzlich anerkannt wird. Bei beiden Auffassungen kommen indessen Gesichtspunkte zu kurz, die für den Grundrechtsschutz im vorliegenden Zusammenhang wesentlich sind:
Die Problematik absoluter Zulassungsbeschränkungen ist dadurch gekennzeichnet, daß die vorhandene Kapazität nicht ausreicht, um jedem hochschulreifen Zulassungsberechtigten seinen Studienplatz zuzuteilen. Würde sich die verfassungsrechtliche Betrachtung von Anfang an auf die Teilhabe am Vorhandenen verengen, ginge sie daher am Kern der Schwierigkeiten vorbei. Während im Normalfall sozialstaatlicher Teilhabegewährung, nämlich bei finanziellen Begünstigungen, die nachteiligen Folgen einer Beschränkung auf vorhandene Mittel durch Umverteilung einigermaßen aufgefangen werden können, führt der absolute numerus clausus zu der krassen Ungleichheit, daß ein Teil der Bewerber alles und der andere Teil - zumindest für eine mehr oder weniger lange und für die weitere Lebensentscheidung möglicherweise ausschlaggebenden Dauer - nichts erhält. Übersteigt die Zahl der Abgewiesenen wie beim Medizinstudium sogar weit mehr als die Hälfte der Bewerber, dann droht der verfassungsrechtlich geschützte Zulassungsanspruch weitgehend leerzulaufen. Wegen dieser Auswirkungen ist nicht zu bestreiten, daß sich der absolute numerus clausus am Rande des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren bewegt. Da diesen Auswirkungen nachhaltig nur durch Erweiterung der Kapazitäten begegnet werden kann, ließe sich fragen, ob aus den grundrechtlichen Wertentscheidungen und der Inanspruchnahme des Ausbildungsmonopols ein objektiver sozialstaatlicher Verfassungsauftrag zur Bereitstellung ausreichender Ausbildungskapazitäten für die verschiedenen Studienrichtungen folgt. Ob diese Frage zu bejahen wäre und ob sich aus diesem Verfassungsauftrag unter besonderen Voraussetzungen ein einklagbarer Individualanspruch des Staatsbürgers auf Schaffung von Studienplätzen herleiten ließe, bedarf jedoch hier keiner Entscheidung. Denn verfassungsrechtliche Konsequenzen kämen erst bei evidenter Verletzung jenes Verfassungsauftrages in Betracht. Eine solche läßt sich namentlich für den Bereich des Medizinstudiums derzeit nicht feststellen:
Auch soweit Teilhaberechte nicht von vornherein auf das jeweils Vorhandene beschränkt sind, stehen sie doch unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Dies hat in erster Linie der Gesetzgeber in eigener Verantwortung zu beurteilen, der bei seiner Haushaltswirtschaft auch andere Gemeinschaftsbelange zu berücksichtigen und nach der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 109 Abs. 2 GG den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen hat. Ihm obliegt auch die Entscheidung über Umfang und Prioritäten des Hochschulausbaus, wobei zu beachten ist, daß Ausbau und Neubau von Hochschulen gemäß Art. 91a GG zu den im Zusammenwirken von Bund und Ländern zu erfüllenden Gemeinschaftsaufgaben gehören. Bei diesen Entscheidungen werden sich die zuständigen Organe einerseits an erkennbaren Tendenzen der Nachfrage nach Studienplätzen zu orientieren haben, da eine ausschließliche Ausrichtung an den ohnehin schwierigen Bedarfsermittlungen auf eine unzulässige Berufslenkung und Bedürfnisprüfung hinauslaufen könnte, bei der die Bedeutung freier Selbstbestimmung als konstitutivem Element einer freiheitlichen Ordnung verkürzt würde. Andererseits verpflichtet ein etwaiger Verfassungsauftrag aber nicht dazu, für jeden Bewerber zu jeder Zeit den von ihm gewünschten Studienplatz bereitzustellen und auf diese Weise die aufwendigen Investitionen im Hochschulbereich ausschließlich von der häufig fluktuierenden und durch mannigfache Faktoren beeinflußbaren individuellen Nachfrage abhängig zu machen. Das liefe auf ein Mißverständnis von Freiheit hinaus, bei dem verkannt würde, daß sich persönliche Freiheit auf die Dauer nicht losgelöst von Funktionsfähigkeit und Gleichgewicht des Ganzen verwirklichen läßt und daß ein unbegrenztes subjektives Anspruchsdenken auf Kosten der Allgemeinheit unvereinbar mit dem Sozialstaatsgedanken ist. Das Grundgesetz hat - wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt im Zusammenhang mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit hervorgehoben hat<ref>(vgl. BVerfGE 4, 7 [15]; 8, 274 [329]; 27, 344 [351])</ref> - die Spannung Individuum - Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden; der Einzelne muß sich daher diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des allgemein Zumutbaren vorsieht, vorausgesetzt, daß dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt. Diese Erwägungen beanspruchen erst recht im Bereich staatlicher Teilhabegewährung Geltung. Hier würde es dem Gebot sozialer Gerechtigkeit, das sich im Gleichheitssatz konkretisiert, geradezu zuwiderlaufen, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel unter Vernachlässigung anderer wichtiger Gemeinschaftsbelange bevorzugt einem privilegierten Teil der Bevölkerung zugute kommen zu lassen. Dem Gesetzgeber kann es daher nicht verwehrt sein, sich auch am vordringlichen Kräftebedarf für die verschiedenen Berufe zu orientieren, sofern es nicht gelingt, individuelle Nachfrage und gesamtgesellschaftlichen Bedarf durch das Mittel der Studienberatung in Deckung zu bringen.<ref>BVerfG, Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70; 1 BvL 25/71 Abs. 66 bis 70 = BVerfGE 33, 303 - Numerus clausus I</ref>
Rechtsetzungsgleichheit
Persönlicher Schutzbereich
- "Alle" (GG Art. 3 Abs. 1)
- `"Niemand" (Abs. 3)
- Juristische Person, GG Art. 19 Abs. 3
Gleich-/ Ungleichbehandlung<ref>Zum Prüfungsaufbau siehe Seite „Gleichheitssatz“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. Dezember 2015, 17:58 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gleichheitssatz&oldid=149580567 (Abgerufen: 1. März 2016, 15:36 UTC)</ref>
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung<ref>Zum Prüfungsaufbau siehe Seite „Gleichheitssatz“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. Dezember 2015, 17:58 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gleichheitssatz&oldid=149580567 (Abgerufen: 1. März 2016, 15:36 UTC)</ref>
GG Art. 3 "gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten<ref>(vgl. BVerfGE 22, 387 [415]; 52, 277 [280])</ref>. Diesen Regelungsgehalt des Art. 3 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht namentlich im Zusammenhang mit Versuchen hervorgehoben, aus einem Gesetzeswerk eine den Gesetzgeber bindende Sachgesetzlichkeit herzuleiten und eine Systemwidrigkeit als Verletzung des Gleichheitssatzes zu beanstanden<ref>(BVerfGE 34, 103 [105])</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 - 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 Abs. 61</ref>
Willkürverbot
"Außerhalb des Verbots einer ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung mehrerer Personengruppen läßt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte und das Verhalten einer Person je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln. Es ist dann grundsätzlich Sache des Betroffenen, sich auf diese Regelung einzustellen und nachteiligen Auswirkungen durch eigenes Verhalten zu begegnen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschöpft sich allerdings der Gleichheitssatz nicht in dem Verbot einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Normadressaten. Vielmehr kommt in ihm ein Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip zum Ausdruck, das nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch der Gesetzgebung gewisse äußerste Grenzen setzt. Diese Grenze wird dann überschritten, wenn eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Gerichte bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht<ref>(BVerfGE 42, 64 [72 ff.]; Beschluß vom 29. April 1980 - 2 BvR 1441/ 79 - [EuGRZ 1980, S. 377] zur Anwendung von Präklusionsvorschriften)</ref>. Der Gesetzgeber seinerseits handelt nicht schon dann willkürlich, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden läßt; dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand<ref>(BVerfGE 4, 144 [155]; 36, 174 [187])</ref>. Diese Kriterien gelten auch und gerade für die Beurteilung gesetzlicher Differenzierungen bei der Regelung von Sachverhalten; hier endet der Spielraum des Gesetzgebers erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt<ref>(BVerfGE 9, 334 [337])</ref>. Eine derartige Willkür kann einer gesetzlichen Regelung nach ständiger Rechtsprechung aber nur dann vorgeworfen werden, wenn ihre Unsachlichkeit evident ist<ref>(BVerfGE 12, 326 [333]; 23, 135 [143])</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 - 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 Abs. 63 und 64</ref>
Beispiele aus der Rechtsprechung
Steuerrecht
"Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, daß die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Die Besteuerungsgleichheit hat mithin als ihre Komponenten die Gleichheit der normativen Steuerpflicht ebenso wie die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, daß das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld eingebettet sein muß, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet. Hängt die Festsetzung einer Steuer von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muß die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip. Gesamtwirtschaftliche Gründe können einen Verzicht des Gesetzgebers auf eine hinreichende Kontrolle der im Veranlagungsverfahren abgegebenen Erklärungen des Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Wirkt sich eine Erhebungsregelung gegenüber einem Besteuerungstatbestand in der Weise strukturell gegenläufig aus, daß der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann, und liegen die Voraussetzungen dafür vor, daß dieses Ergebnis dem Gesetzgeber zuzurechnen ist, so führt die dadurch bewirkte Gleichheitswidrigkeit zur Verfassungswidrigkeit auch der materiellen Steuernorm."<ref>BVerfG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 Amtliche Leitsätze 1 bis 4</ref>
Normen
EU
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
- Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 20 ff.
Deutschland
Grundgesetz (GG)
- GG Art. 3
- GG Art. 33 Abs. 2: Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
Europäische Menschenrechtskonvention (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten)
- EMRK Art. 14 Diskriminierungsverbot
- Art. 5 des Protokolls Nr. 7 vom 22.11.1984 Gleichberechtigung der Ehegatten
- Art. 1 des Protokolls Nr. 12 vom 4.11.2000 Allgemeines Diskriminierungsverbot
Verfassung des Freistaates Bayern (BV)
- BV Art. 118 Abs. 1
Frankreich
- Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 Art. 1: Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten. Soziale Unterschiede dürfen nur im gemeinen Nutzen begründet sein. (heute noch gültiges Verfassungsrecht Frankreichs)
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
- BVerfG, Beschluss vom 19.06.2012 - 2 BvR 1397/09 = BVerfGE 131, 239 - Lebenspartnerschaft von Beamten
- BVerfG, Beschluss vom 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 = BVerfGE 129, 49 - Mediziner-BAföG
- BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010 - 1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07 = BVerfGE 126, 400 - eingetragene Lebenspartnerschaft
- BVerfG, Beschluss vom 08.06.2004 - 2 BvL 5/00 = BVerfGE 110, 412 - Teilkindergeldregelung
- BVerfG, Urteil vom 02.03.1999 - 1 BvL 2/91 = BVerfGE 99, 367 - Montan-Mitbestimmung
- BVerfG, Beschluss vom 24.01.1995 - 1 BvL 18/93; 1 BvL 5/94; 1 BvL 6/94; 1 BvL 7/94; 1 BvR 403/94; 1 BvR 569/94 = BVerfGE 92, 91 - Feuerwehrabgabe
- BVerfG, Beschluss vom 26.01.1993 - 1 BvL 38/92; 1 BvL 40/92; 1 BvL 43/92 = BVerfGE 88, 87 - Transsexuelle II
- BVerfG, Urteil vom 28.01.1992 - 1 BvR 1025/82; 1 BvL 16/83; 1 BvL 10/91 = BVerfGE 85, 191 - Nachtarbeitsverbot
- BVerfG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 = BVerfGE 84, 239 - Kapitalertragssteuer
- BVerfG, Beschluss vom 30.05.1990 - 1 BvL 2/83; 1 BvL 9/84; 1 BvL 10/84; 1 BvL 3/85; 1 BvR 764/86; u.a. = BVerfGE 82, 126 - Kündigungsfristen für Arbeiter
- BVerfG, Beschluss vom 12.03.1986 - 1 BvL 81/79: "Bei der Erfüllung des ihm in Art. 14 GG I 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, muß der Gesetzgeber beiden Elementen des im Grundgesetz angelegten Verhältnisses von verfassungsrechtlich garantierter Rechtsstellung und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise Rechnung tragen; er muß die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang. Dem entspricht die Bindung des Gesetzgebers an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentümer aufzuerlegenden Beschränkungen. Um vor der Verfassung Bestand zu haben, müssen sie vom geregelten Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. In jedem Fall fordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung die Erhaltung der Substanz des Eigentums und die Beachtung des Gleichheitsgebots des Art. 3 I GG<ref>BVerfGE 52, 1, (29 f.) = NJW 1980, 985 m. w. Nachw.</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 12.03.1986 - 1 BvL 81/79</ref>
- BVerfG, Urteil vom 08.04.1987 - 1 BvL 8/84; 1 BvL 16/84 = BVerfGE 75, 40 - Privatschulfinanzierung I
- BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 - 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 = BVerfGE 55, 72 - Präklusion im Zivilprozess: "Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, daß in zivilrechtlichen Streitigkeiten Angriffsmittel und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, im Berufungsverfahren ausgeschlossen werden (§ 528 Abs. 3 ZPO). "<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
- BVerfG, Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70; 1 BvL 25/71 = BVerfGE 33, 303 - Numerus clausus I
- BVerfG, Urteil vom 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 = BVerfGE 3, 58 - Beamtenverhältnisse
- BVerfG, Beschluss vom 24.04.1953 - 1 BvR 102/51 = BVerfGE 2, 237 - Hypothekensicherungsgesetz
- BVerfG, Urteil vom 23.10.1951 - 2 BvG 1/51 = BVerfGE 1, 14 - Südweststaat: "Abgesehen davon verbietet der Gleichheitssatz nur, daß wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen daß wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß." (Abs. 136)
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)
- BayVGH, Beschluss vom 11.09.1981 - 4 CE 81 A.1921 = NVwZ 1982, 120 = BayVBl 1982, 656 - Zulassung zum Oktoberfest
Publikationen
Lehrbücher
- Volker Epping, Grundrechte (eBook), Springer Verlag Berlin, 6. Aufl. 2015, ISBN 9783642546587 Pos. 11396
Fachaufsätze
- Marion Albers, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JuS 2008, 965
- Arno Scherzberg, Matthias Mayer, Die Prüfung des Gleichheitssatzes in der Verfassungsbeschwerde, JA 2004, 137-140
Zitate
- "Lasst uns immer für die Freiheit, für den Frieden, für soziale Gerechtigkeit kämpfen. Freiheit ohne soziale Gerechtigkeit ist nichts als eine brüchige Errungenschaft, die für viele nur in die Freiheit, vor Hunger zu sterben, führt." (Sandro Pertini, Rede zum Jahreswechsel, 31. Dezember 1983)
Links
Siehe auch
Fußnoten
<references/>