Meinungsfreiheit: Unterschied zwischen den Versionen
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* {{BVerfG 1 BvR 2459/19}}: "Selbst in der Öffentlichkeit stehende und streithaft sich zu Wort meldende Politiker müssten derart schwerwiegende Angriffe auf ihre Person nur in Grenzen und allenfalls dann hinnehmen, wenn die Äußerung in erster Linie auf einen Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf zielt und nicht – wie hier – auf eine Herabsetzung der Person (siehe Beschluss der Kammer vom heutigen Tag - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 30 bis 32). Erst recht gilt dies für die Betroffene, bei der es sich um eine Person handelt, der dieses Amt im Rahmen ihrer gewöhnlichen Berufsausübung übertragen wurde und die überdies gegenüber dem Beschwerdeführer keine einschneidenden Entscheidungsbefugnisse wahrzunehmen hatte. Das gegenüber Angriffen auf ihre Person von ihr aufzubringende Maß der Toleranz war daher nicht durch ihre besondere öffentlich wirksame Stellung oder durch besonders einschneidende Machtausübung und -befugnisse gegenüber dem Beschwerdeführer erhöht. "<ref>Tz. 25</ref> | * {{BVerfG 1 BvR 2459/19}}: "Selbst in der Öffentlichkeit stehende und streithaft sich zu Wort meldende Politiker müssten derart schwerwiegende Angriffe auf ihre Person nur in Grenzen und allenfalls dann hinnehmen, wenn die Äußerung in erster Linie auf einen Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf zielt und nicht – wie hier – auf eine Herabsetzung der Person (siehe Beschluss der Kammer vom heutigen Tag - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 30 bis 32). Erst recht gilt dies für die Betroffene, bei der es sich um eine Person handelt, der dieses Amt im Rahmen ihrer gewöhnlichen Berufsausübung übertragen wurde und die überdies gegenüber dem Beschwerdeführer keine einschneidenden Entscheidungsbefugnisse wahrzunehmen hatte. Das gegenüber Angriffen auf ihre Person von ihr aufzubringende Maß der Toleranz war daher nicht durch ihre besondere öffentlich wirksame Stellung oder durch besonders einschneidende Machtausübung und -befugnisse gegenüber dem Beschwerdeführer erhöht. "<ref>Tz. 25</ref> | ||
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* {{BVerfG 1 BvR 444/13}} - Strafrechtliche Verurteilung von Mitarbeitern einer Flüchtlingsorganisation wegen Kritik an [[Ausländerbehörde]] verstößt gegen Meinungsfreiheit - siehe auch [[üble Nachrede]] | * {{BVerfG 1 BvR 444/13}} - Strafrechtliche Verurteilung von Mitarbeitern einer Flüchtlingsorganisation wegen Kritik an [[Ausländerbehörde]] verstößt gegen Meinungsfreiheit - siehe auch [[üble Nachrede]] | ||
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Aktuelle Version vom 12. Juni 2021, 15:40 Uhr
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.
"Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts<ref>(vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>; stRspr)</ref>. Die strafrechtliche Sanktionierung knüpft an diese dementsprechend in den Schutzbereich fallenden und als Werturteil zu qualifizierenden Äußerungen an und greift damit in die Meinungsfreiheit ... ein."<ref>BVerfG, Beschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 Tz. 12</ref>
Schutzbereich
Übersicht
"Die Meinungsfreiheit [ist] als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte; schon das verleiht ihr besonderes Gewicht. Darüber hinaus ist das Grundrecht für die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend, indem es den geistigen Kampf, die freie Auseinandersetzung der Ideen und Interessen gewährleistet, die für das Funktionieren dieser Staatsordnung lebensnotwendig ist<ref>vgl. BVerfGE 5, 85 [205]; 7, 198 [208]</ref>. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlich demokratischen Staat notwendig "pluralistisch" im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen, vor allem in Rede und Gegenrede vollzieht. Jedem Staatsbürger ist durch GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 das Recht gewährleistet, an dieser öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Die Presse ist neben Rundfunk und Fernsehen das wichtigste Instrument der Bildung der öffentlichen Meinung; die Pressefreiheit genießt deshalb gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spezifischen Grundrechtsschutz.
Die Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit muss gerade auf die in StGB § 193 gebotene Güterabwägung zwischen Ehre und Meinungsfreiheit - falls Gesichtspunkte der öffentlichen Meinungsbildung eine Rolle spielen - einen wesentlichen Einfluss ausüben. Der Bundesgerichtshof trägt dem Rechnung, indem er den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB als eine "Ausprägung" des Grundrechts der freien Meinungsäußerung wertet und die Bedeutung der Bildung öffentlicher Meinung bei seiner Anwendung berücksichtigt<ref>BGHSt 12, 287 [293 f.]</ref> und indem er - abweichend von der früheren Judikatur - die Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die Presse im Hinblick auf deren Funktion im demokratischen Staat als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB anerkennt<ref>BGHZ 31, 308 [312]</ref>.
Aus dem Gesichtspunkt einer Gegenwirkung, die der in der öffentlichen Meinung erzielten Wirkung entspricht, bestimmt sich auch die dem Grundgesetz gemäße Abgrenzung des strafbaren Exzesses." <ref>BVerfG, Beschluss vom 25.01.1961 - 1 BvR 9/57 = BVerfGE 12, 113; NJW 1961, 819</ref>
Meinung
"Gegenstand des grundrechtlichen Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sind Meinungen. Auf sie bezieht sich die Freiheit der Äußerung und Verbreitung. Meinungen sind durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt<ref>vgl. BVerfGE 33, 1 [14]</ref>. Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 [210]; 61, 1 [8]</ref>. Insofern lassen sie sich auch nicht als wahr oder unwahr erweisen. Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne daß es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird<ref>vgl. BVerfGE 33, 1 [14 f.]</ref>. Der Schutz des Grundrechts erstreckt sich auch auf die Form der Aussage. Eine Meinungsäußerung verliert den grundrechtlichen Schutz nicht dadurch, daß sie scharf oder verletzend formuliert ist<ref>vgl. BVerfGE 54, 129 [136 ff.]; 61, 1 [7]</ref>. In dieser Hinsicht kann die Frage nur sein, ob und inwieweit sich nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 2 GG Grenzen der Meinungsfreiheit ergeben."<ref>BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 Rdnr. 26 - Auschwitzlüge</ref>
"Konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als Äußerung einer "Meinung" vom Schutz des Grundrechts umfaßt wird, ist das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung; auf den Wert, die Richtigkeit, die Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an."<ref>BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83; 1 BvR 269/83; 1 BvR 362/83; 1 BvR 420/83; 1 BvR 440/83; 1 BvR 484/83 - Volkszählung</ref>
Abgrenzung von Meinung und Tatsachenbehauptung
"Die Mitteilung einer Tatsache ist im strengen Sinne keine Äußerung einer "Meinung", weil ihr jedes Element fehlt. Durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt ist sie nur, soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen ist, welche Art 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet<ref>BVerfGE 61, 1 [8 f.]</ref>. Demgegenüber sind Angaben im Rahmen statistischer Erhebungen wie denen des Volkszählungsgesetzes 1983 reine Tatsachenmitteilungen, die mit Meinungsbildung nichts zu tun haben."<ref>BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83; 1 BvR 269/83; 1 BvR 362/83; 1 BvR 420/83; 1 BvR 440/83; 1 BvR 484/83 - Volkszählung</ref>
"Tatsachenbehauptungen sind ... im strengen Sinn keine Meinungsäußerungen. Im Unterschied zu diesen steht bei ihnen die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund. Insofern sind sie auch einer Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt zugänglich. Tatsachenbehauptungen fallen deswegen aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG heraus. Da sich Meinungen in der Regel auf tatsächliche Annahmen stützen oder zu tatsächlichen Verhältnissen Stellung beziehen, sind sie durch das Grundrecht jedenfalls insoweit geschützt, als sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind, welche Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet<ref>vgl. BVerfGE 61, 1 [8]</ref>.
Infolgedessen endet der Schutz von Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die bewußt oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst wird<ref>vgl. BVerfGE 54, 208 [219]; 61, 1 [8]</ref>. Allerdings dürfen die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet und auch zulässige Äußerungen aus Furcht vor Sanktionen unterlassen werden<ref>vgl. BVerfGE 54, 208 [219 f.]; 61, 1 [8]; 85, 1 [22])</ref>.
Die Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen kann freilich schwierig sein, weil beide häufig miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In diesem Fall ist eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird. Wo das nicht möglich ist, muß die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen und in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte<ref>vgl. BVerfGE 61, 1 [9]; 85, 1 [15 f.]</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 Rdnr. 27-29</ref>
Abgrenzung von Meinung und Schmähung
"Eine Meinungsäußerung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung. Auch eine überzogene und selbst eine ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähung. Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen<ref>vgl. BGH, NJW 1974, S. 1762 f.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 23. Aufl., § 193 Rdnr. 16 m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 54, 129 [137]</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 26.06.1990 - 1 BvR 1165/89 Rdnr. 41</ref>
Boykottaufruf
"Für die rechtliche Beurteilung ist davon auszugehen, daß "Boykott" kein eindeutiger Rechtsbegriff ist, der als solcher schon eine unerlaubte (sittenwidrige) Handlung bezeichnet. In der Rechtsprechung ist mit Recht darauf hingewiesen worden<ref>so besonders RGZ 155, 257 [276 f.]</ref>, daß es keinen fest umgrenzten Tatbestand des sittenwidrigen Boykotts gibt, daß es vielmehr immer darauf ankommt, ob ein Verhalten in seinem konkreten Zusammenhang als "sittenwidrig" anzusehen ist.
...
BGB § 826 verweist auf den Maßstab der "guten Sitten". Es handelt sich hier nicht um irgendwie vorgegebene und daher (grundsätzlich) unveränderliche Prinzipien reiner Sittlichkeit, sondern um die Anschauungen der "anständigen Leute" davon, was im sozialen Verkehr zwischen den Rechtsgenossen "sich gehört". Diese Anschauungen sind geschichtlich wandelbar, können daher - in gewissen Grenzen - auch durch rechtliche Gebote und Verbote beeinflußt werden. Der Richter, der das hiernach sozial Geforderte oder Untersagte im Einzelfall ermitteln muß, hat sich, wie aus der Natur der Sache folgt, ihm aber auch in Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich vorgeschrieben ist, dabei an jene grundsätzlichen Wertentscheidungen und sozialen Ordnungsprinzipien zu halten, die er im Grundrechtsabschnitt der Verfassung findet. Innerhalb dieser Wertordnung, die zugleich eine Wertrangordnung ist, muß auch die hier erforderliche Abwägung zwischen dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und den seine Ausübung beschränkenden Rechten und Rechtsgütern vorgenommen werden.
Für die Entscheidung der Frage, ob eine Aufforderung zum Boykott nach diesen Maßstäben sittenwidrig ist, sind zunächst Motive, Ziel und Zweck der Äußerungen zu prüfen; ferner kommt es darauf an, ob" ...[der zum Boykott Aufrufende]<ref>eingefügt durch Red.</ref>..."bei der Verfolgung seiner Ziele das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung der Interessen" ...[der Betroffenen]<ref>eingefügt durch Red.</ref>... "nicht überschritten hat."<ref>BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51</ref>
"Eine auf politischen Motiven beruhende Aufforderung zum Boykott eines Presseunternehmens, der vornehmlich mit wirtschaftlichen Machtmitteln durchgesetzt werden soll, ist nicht durch das Grundrecht der freien Meinungsäusserung geschützt und verstösst gegen das Grundrecht der Pressefreiheit."<ref>BVerfG, Beschluss vom 26.02.1969 - 1 BvR 619/63 - Amtlicher Leitsatz</ref>
...
"Ein Boykottaufruf, dem eine bestimmte Meinungskundgabe zugrunde liegt, ist durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG insbesondere dann geschützt, wenn er als Mittel des geistigen Meinungskampfes in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage eingesetzt wird, wenn ihm also keine private Auseinandersetzung, sondern die Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit zugrunde liegt<ref>BVerfGE 7, 198 [212]</ref>. Die Aufforderung zu einem Boykott kann selbst dann im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG liegen, wenn der Verrufer zu dem Boykottierten in einem beruflichen, gewerblichen oder sonstigen geschäftlichen Konkurrenzverhältnis steht, weil diese Situation eine geistige Auseinandersetzung an sich noch nicht ausschließt. Besitzt der Verrufer eine gewisse wirtschaftliche Machtstellung, so kann seiner Meinungsäußerung und dem ihr dienenden Boykottaufruf schon aus diesem Grunde zwar ein bedeutendes Gewicht zukommen. Diese wirtschaftliche Ungleichheit der Positionen allein macht aber die Aufforderung zum Boykott noch nicht unzulässig, weil es nach der Verfassung auch dem wirtschaftlich Stärkeren nicht verwehrt ist, einen geistigen Meinungskampf zu führen.
Jedoch müssen die Mittel, deren sich der Verrufer zur Durchsetzung der Boykottaufforderung bedient, verfassungsrechtlich zu billigen sein. Ein Boykottaufruf wird durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung dann nicht geschützt, wenn er nicht nur auf geistige Argumente gestützt wird, sich also auf die Überzeugungskraft von Darlegungen, Erklärungen und Erwägungen beschränkt, sondern darüber hinaus sich solcher Mittel bedient, die den Angesprochenen die Möglichkeit nehmen, ihre Entscheidung in voller innerer Freiheit und ohne wirtschaftlichen Druck zu treffen. Dazu gehören insbesondere Androhung oder Ankündigung schwerer Nachteile und Ausnutzung sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit, wenn dies dem Boykottaufruf besonderen Nachdruck verleihen soll. Die Freiheit der geistigen Auseinandersetzung ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren der freiheitlichen Demokratie, weil nur sie die öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeinem Interesse und staatspolitischer Bedeutung gewährleistet<ref>vgl. BVerfGE 5, 85 [205]; 7, 198 [212, 219]; 20, 162 [174 ff.]</ref>. Die Ausübung wirtschaftlichen Druckes, der für den Betroffenen schwere Nachteile bewirkt und das Ziel verfolgt, die verfassungsrechtlich gewährleistete Verbreitung von Meinungen und Nachrichten zu verhindern, verletzt die Gleichheit der Chancen beim Prozeß der Meinungsbildung. Sie widerspricht auch dem Sinn und dem Wesen des Grundrechts der freien Meinungsäußerung, das den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten soll."<ref>BVerfG, Beschluss vom 26.02.1969 - 1 BvR 619/63</ref>
Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen
"Geschützt sind damit von GG Art. 5 Abs. 1 auch Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind. Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien. Dementsprechend fällt selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts als radikale Infragestellung der geltenden Ordnung nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des GG Art. 5 Abs. 1 heraus. Den hierin begründeten Gefahren entgegenzutreten, weist die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes primär bürgerschaftlichem Engagement im freien politischen Diskurs sowie der staatlichen Aufklärung und Erziehung in den Schulen gemäß GG Art. 7 zu."<ref>BVerfG, Beschluss vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 - Wunsiedel</ref>
Polemik
"Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, [gehört] zum Kernbereich der Meinungsfreiheit und deren Gewicht [ist] insofern besonders hoch zu veranschlagen." <ref>BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 Abs. 22 mit Hinweis auf BVerfGE 93, 266 [293]</ref>.
Fragen
"Fragen unterscheiden sich von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen dadurch, dass sie keine Aussage machen, sondern eine Aussage herbeiführen wollen. Sie sind auf Antwort gerichtet. Diese kann in einem Werturteil oder einer Tatsachenmitteilung bestehen. Dagegen lassen sich Fragen keinem der beiden Begriffe zuordnen, sondern bilden eine eigene semantische Kategorie. Sie fallen deswegen aber nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts heraus. Das ergibt sich aus dessen Schutzzweck. Die freie Meinungsäußerung wird vom Grundgesetz garantiert, weil sie sowohl unmittelbarer Ausdruck der menschlichen Person als auch unerlässliche Voraussetzung einer demokratischen Ordnung ist<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 (208)</ref>. Daher erschöpft sich das Grundrecht des GG Art. 5 Abs. 1 auch nicht im Schutz einzelner Äußerungen, sondern will die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung insgesamt sichern<ref>vgl. BVerfGE 57, 295 (319)</ref>. Für den Meinungsbildungsprozeß spielen Fragen aber eine wichtige Rolle. Indem sie die Aufmerksamkeit auf Probleme lenken und Antworten hervorrufen, tragen sie zur Bildung von Meinungen bei, die dann ihrerseits wieder geäußert werden können. Das ist um so wichtiger, als in vielen Bereichen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen oder berühren, der Einzelne nicht über die für seine Meinungsbildung erforderlichen Informationen verfügt, so dass ihm nur die Möglichkeit kritischer oder nachforschender Fragen bleibt. Fehlte der Grundrechtsschutz für Fragen, so wäre der Kommunikationsprozess, den Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit schützen will, nur unzureichend gesichert.
Neben Werturteilen und Tatsachenbehauptungen sind daher auch Fragen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen können Fragen aber nicht unrichtig sein<ref>vgl. J. Walther, Logik der Fragen, 1985, S. 30 ff.</ref>. Zwar enthält jede Frage, indem sie sich auf einen bestimmten Gegenstand bezieht, ausgesprochen oder unausgesprochen Annahmen tatsächlicher oder wertender Art, die der Fragende einer Verifizierung oder Klärung zuführen will. Insofern gibt es keine reinen Fragen, denen jeder Aussagegehalt fehlt. Da der Fragende aber gerade wissen will, was richtig oder falsch, wahr oder unwahr ist, und dabei für verschiedene Antworten offen bleibt, kann die Frage selber nicht an den Kriterien von Wahrheit oder Unwahrheit gemessen werden. Das gilt auch, wenn sich eine Frage auf Tatsachen bezieht, die sich anschließend als nicht gegeben herausstellen. Unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit stehen Fragen daher Werturteilen gleich.
Allerdings ist nicht jeder in Frageform gekleidete Satz als Frage zu betrachten. Insofern muss zwischen Fragen und Fragesätzen unterschieden werden<ref>vgl. Walther, a.a.O., S. 24 ff.; D. Wunderlich, Studien zur Sprechakttheorie, 1976, S. 181 ff.</ref>. Einerseits können Fragen in Aussagesätze, andererseits Aussagen in Fragesätze gekleidet sein. Ferner kann es vorkommen, dass in einem Fragesatz Behauptungen aufgestellt werden, auf die sich das Klärungsbegehren des Fragenden nicht bezieht. Ist ein Fragesatz nicht auf eine Antwort durch einen Dritten gerichtet oder nicht für verschiedene Antworten offen, so handelt es sich ungeachtet der geläufigen Bezeichnung als "rhetorische Frage" in Wahrheit nicht um eine Frage<ref>vgl. Walther, a.a.O., S. 26 ff.</ref>. Fragesätze oder Teile davon, die nicht um einer - inhaltlich noch nicht feststehenden - Antwort willen geäußert werden, bilden vielmehr Aussagen, die sich entweder als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung darstellen und rechtlich wie solche zu behandeln sind.
Die Unterscheidung zwischen echten und rhetorischen Fragen kann freilich Schwierigkeiten bereiten, weil die sprachliche Form allein keine zuverlässigen Schlüsse erlaubt. Die Zuordnung muß daher gegebenenfalls mit Hilfe von Kontext und Umständen der Äußerung erfolgen. Da vom Ergebnis der Zuordnung das Maß des Grundrechtsschutzes abhängt, verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG insoweit, daß für die Einstufung eines Fragesatzes als rhetorische Frage Gründe angegeben werden. Ist ein Fragesatz mehreren Deutungen zugänglich, von denen ihn eine als echte, die andere als rhetorische Frage erscheinen läßt, müssen die Gerichte beide Deutungen erwägen und ihre Wahl begründen. Dabei genügt der hohe Konkretisierungsgrad einer Frage für sich genommen nicht, um diese als rhetorisch auszuweisen. Je detailreicher eine Frage ist, desto höher ist zwar der Anteil von Aussagen, die sie enthält und auf die sich das Klärungsbegehren des Fragenden bezieht. Ein hoher Tatsachenanteil macht eine Frage aber noch nicht zur Tatsachenbehauptung. Auch bei hochgradig konkreten Fragesätzen hängt die Einordnung als echte oder rhetorische Frage nur davon ab, ob die Frage auf eine inhaltlich noch nicht feststehende Antwort zielt oder ob der Fragende den Zweck seiner Äußerung bereits mit der Stellung der Frage erreicht hat. Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes - ebenso wie von einem weiten Meinungsbegriff<ref>vgl. BVerfGE 61, 1 (9)</ref> - von einem weiten Fragebegriff auszugehen.
Die Meinungsfreiheit ist vom Grundgesetz jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Allerdings müssen diese Bestimmungen ihrerseits wieder im Lichte des eingeschränkten Grundrechts ausgelegt werden, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.); st. Rspr.</ref>. Das führt in der Regel zu einer fallbezogenen Abwägung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem vom grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Rechtsgut.
So verhält es sich auch bei Fragen. Insbesondere besteht die Möglichkeit, daß Fragen Dritte in ihrer persönlichen Ehre verletzen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn die in einer Frage vorausgesetzten oder ausgesprochenen tatsächlichen Annahmen ehrenrührig sind. Insoweit kann es wie bei Meinungsäußerungen, in denen sich Werturteile und Tatsachenbehauptungen unauflösbar vermengen, darauf ankommen, ob der Fragende für den tatsächlichen und ehrenrührigen Gehalt seiner Frage Anhaltspunkte besaß oder ob dieser aus der Luft gegriffen war (vgl. den Beschluß vom heutigen Tag - 1 BvR 1555/88 -). Dabei dürfen jedoch keine Anforderungen gestellt werden, die sich abschreckend auf den Gebrauch des Grundrechts auswirken können. Es wäre mit dem Schutzzweck von Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage ein Bürger, der die Klärung und Überprüfung möglicher Mißstände erstrebt, vor die Alternative gestellt würde, entweder die Untersuchung selbst vorzunehmen oder die Nachfrage ganz zu unterlassen. Die Vermutung zugunsten der freien Rede<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 (212)</ref> gilt deswegen auch für Fragen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 - 1 BvR 221/90 - Rhetorische Fragen</ref>"
Werbung
"Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) kann für eine Wirtschaftswerbung allenfalls in Anspruch genommen werden, wenn die Werbung einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen<ref>vgl. BVerfGE 71, 162 [175]</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 22.01.1997 - 2 BvR 1915/91 Rdnr. 47</ref>
"Soweit Meinungsäußerungen Dritter, die den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genießen, in einem Presseorgan veröffentlicht werden, schließt die Pressefreiheit diesen Schutz mit ein: Einem Presseorgan darf die Veröffentlichung einer fremden Meinungsäußerung nicht verboten werden, wenn dem Meinungsträger selbst ihre Äußerung und Verbreitung zu gestatten ist. In diesem Umfang kann sich das Presseunternehmen auf eine Verletzung der Meinungsfreiheit Dritter in einer gerichtlichen Auseinandersetzung berufen. Das gilt auch in einem Zivilrechtsstreit über wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche."<ref>BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 und 1 BvR 1787/95 Rdnr. 39</ref>
Bilder
"Soweit eine Meinungsäußerung - eine Ansicht, ein Werturteil oder eine bestimmte Anschauung - in einem Bild zum Ausdruck kommt, fällt auch dieses in den Schutzbereich von GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 <ref>vgl. BVerfGE 30, 336 [352]; 71, 162 [175]</ref>."<ref>BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 und 1 BvR 1787/95 Rdnr. 40</ref>
Äußerung und Verbreitung in Wort, Schrift und Bild
Tragen einer Plakette
"Das in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Recht, seine Meinung frei zu äußern, umfaßt auch Meinungsäußerungen durch Tragen einer Plakette."<ref>BVerfG, Beschluss vom 23.10.1985 - 1 BvR 1053/82 Rdnr. 15 - Anti-Atomkraftplakette</ref>
Unterschriftensammlung<ref>BVerfG, Beschluss vom 02.03.1977 - 2 BvR 1319/76 - Soldatenunterschriftenliste</ref>
Eingriff
Inhaltliche Deutung/Sinn der Äußerung
"Weichenstellend für die Prüfung einer Grundrechtsverletzung ist die Erfassung des Inhalts der Aussage, insbesondere die Klärung, in welcher Hinsicht sie ihrem objektiven Sinn nach das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers beeinträchtigt. Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat<ref>vgl. BVerfGE 93, 266 [295]; BGHZ 95, 212 [215]; 132, 13 [19]</ref>. Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden<ref>vgl. BVerfGE 93, 266 [296]</ref>. Ist der Sinn unter Zugrundelegung dieses Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zu Grunde zu legen. Zeigt sich aber, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 Rdnr. 31</ref>
Mehrdeutiger Inhalt
Äußerungen in der Vergangenheit
"Das Bundesverfassungsgericht geht bei der Überprüfung von straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen wegen in der Vergangenheit erfolgter Meinungsäußerungen von dem Grundsatz aus, dass die Meinungsfreiheit verletzt wird, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zu einer Verurteilung führende Bedeutung zu Grunde legt, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen<ref>vgl. BVerfGE 82, 43 [52]; 93, 266 [295 ff.]; 94, 1 [9]</ref>. Lassen Formulierungen oder die Umstände der Äußerung eine nicht das Persönlichkeitsrecht verletzende Deutung zu, so verstößt ein Strafurteil oder ein die Verurteilung zum Schadensersatz, zum Widerruf oder zur Berichtigung aussprechendes zivilgerichtliches Urteil nach dieser Rechtsprechung gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG<ref>vgl. BVerfGE 43, 130 [136]; 93, 266 [296] -- zur strafrechtlichen Verurteilung; BVerfGE 85, 1 [18]; 86, 1 [11 f.] -- zur zivilrechtlichen Verurteilung</ref>. Müsste der sich Äußernde befürchten, wegen einer Deutung, die den gemeinten Sinn verfehlt, mit staatlichen Sanktionen belegt zu werden, würden über die Beeinträchtigung der individuellen Meinungsfreiheit hinaus negative Auswirkungen auf die generelle Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit eintreten. Eine staatliche Sanktion könnte in einem solchen Fall wegen ihrer einschüchternden Wirkung die freie Rede, freie Information und freie Meinungsbildung empfindlich berühren und damit die Meinungsfreiheit in ihrer Substanz treffen<ref>vgl. BVerfGE 43, 130 [136]; 54, 129 [136]; 94, 1 [9]</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 Rdnr. 33</ref>
Unterlassung zukünftiger Äußerungen
"Ein gleicher Schutzbedarf für die individuelle Grundrechtsausübung und die Funktionsfähigkeit des Meinungsbildungsprozesses besteht indessen nicht bei gerichtlichen Entscheidungen über die Unterlassung zukünftiger Äußerungen. Hier ist im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu Grunde zu legen ist. An diesen Inhalt werden die für die Abwägung bei Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch Werturteile oder Tatsachenbehauptungen in der Rechtsprechung entwickelten Prüfkriterien und Abwägungsmaßstäbe angelegt. Handelt es sich bei der Äußerung um eine Tatsachenbehauptung, wird entscheidend, ob der Wahrheitsbeweis gelingt. Bei Werturteilen wird maßgebend, ob sie als Schmähung, Formalbeleidigung oder Verletzung der Menschenwürde anzusehen und deshalb zu unterlassen sind oder, wenn dies zu verneinen ist, ob sie im Rahmen einer Abwägung dem Persönlichkeitsschutz vorgehen<ref>vgl. BVerfGE 90, 241 [248 f.]; 93, 266 [293 f.]</ref>.
Ist der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, besteht kein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsverletzung führen. Der Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht sind vielmehr alle nicht entfernt liegenden Deutungsvarianten zu Grunde zu legen, die dieses Recht beeinträchtigen. Dem Äußernden steht es frei, sich in Zukunft eindeutig zu äußern und -- wenn eine persönlichkeitsverletzende Deutungsvariante nicht dem von ihm beabsichtigten Sinn entspricht -- klarzustellen, wie er seine Aussage versteht. Eine auf Unterlassung zielende Verurteilung des Zivilgerichts kann der Äußernde nach der Rechtsprechung vermeiden, wenn er eine ernsthafte und inhaltlich ausreichende Erklärung abgibt, die mehrdeutige Äußerung, der eine Aussage mit dem persönlichkeitsverletzenden Inhalt entnommen werden kann, nicht oder nur mit geeigneten Klarstellungen zu wiederholen<ref>allgemein zur Abwendung der Verurteilung zur Unterlassung vgl. BGHZ 14, 163 [167]; 78, 9 [20]; BGH, NJW 1994, 1281 [1283]; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5.Aufl. 2003, Kap. 12 Rn. 20 f.</ref>.
Anders als bei straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen, die nachträglich an eine schon gefallene Äußerung anknüpfen, ist ein den Prozess freier Meinungsäußerung und -bildung beeinträchtigender Einschüchterungseffekt durch diese Anforderungen an den sich Äußernden nicht zu erwarten. Sein Selbstbestimmungsrecht über den Inhalt der Äußerung bleibt gewahrt. Zugleich wird der Schutz des Persönlichkeitsrechts des nachteilig Betroffenen gewährleistet. Der Äußernde kann sein Äußerungsanliegen in freier Selbstbestimmung in einer das Persönlichkeitsrecht nicht verletzenden Art und Weise weiterverfolgen. Sieht er sich dazu nicht in der Lage, trifft er auf die im Persönlichkeitsschutz begründete Schranke der Meinungsäußerungsfreiheit."<ref>BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 Rdnr. 34 ff.</ref>
Auslegung der in das Grundrecht eingreifenden Norm
Die Meinungsfreiheit in ihrer Kernbedeutung ist "Voraussetzung eines freien und offenen politischen Prozesses. Wegen der mit einer Einengung dieses Prozesses verbundenen besonderen Gefahr für die Funktion der Meinungsfreiheit hat es das Bundesverfassungsgericht seit dem Lüth-Urteil bei der Bestimmung der Reichweite der Meinungsfreiheit als wesentlichen Faktor angesehen, wenn es sich bei der zu beurteilenden Äußerung um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelte<ref>BVerfGE 7, 198 [212] - Lüth -; 12, 113 [127] - Schmid-Spiegel -; 24, 278 [282 f.] - Tonjäger -</ref>. Sofern das der Fall ist, ist eine Auslegung der das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik im politischen Meinungskampf überhöhte Anforderungen stellt, mit Art. 5 GG nicht vereinbar.
Eine solche überhöhte Anforderung ist es, wenn die Zulässigkeit ehrverletzender wertender Äußerungen im politischen Meinungskampf ohne Rücksicht auf die dargelegten Umstände schlechthin an die Voraussetzung gebunden wird, daß dem Leser gleichzeitig Tatsachen mitgeteilt werden, die ihm eine kritische Beurteilung der Wertung ermöglichen<ref>vgl. BGH, NJW 1974BVerfGE 42, 163 (170), BVerfGE 42, 163 (171)S. 1762 [1763]</ref>. Es würde dem Grundgedanken und der Funktion der Meinungsfreiheit in der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes widersprechen, wenn öffentliche, auch scharfe Kritik in der Presse undifferenziert davon abhängig gemacht würde, daß sie jeweils durch Tatsachen belegt und für den Durchschnittsleser überprüfbar gemacht werden müßte. Denn das Grundrecht der Meinungsfreiheit will nicht nur der Ermittlung der Wahrheit dienen; es will auch gewährleisten, daß jeder frei sagen kann, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann."<ref>BVerfG, Beschluss vom 11.05.1976 - 1 BvR 163/72 Rnr. 21 f.</ref>
Prüfung der Anwendung der in das Grundrecht eingreifenden Norm im Einzelfall
Rechtfertigung
Schranken (GG Art. 5 Abs. 2)
Die Rechte nach GG Art. 5 Abs. 1 finden nach GG Art. 5 Abs. 2 ihre Schranken in den Vorschriften
- der allgemeinen Gesetze,
- den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und
- in dem Recht der persönlichen Ehre.
Allgemeine Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG)
Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze.
Beleidigung (StGB § 185)
Zu den allgemeinen Gesetzen gehört auch StGB § 185<ref>(vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>)</ref>.<ref>BVerfG, Beschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 Tz. 17</ref>
"Bei Anwendung des StGB § 185 auf Äußerungen im konkreten Fall verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zunächst
- eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung<ref>(vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2732/15 -, Rn. 12 f.)</ref>.
Darauf aufbauend erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall
- eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen<ref>(vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 85, 1 <16>; 93, 266 <293>; stRspr)</ref>.
Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen,
- die die Menschenwürde eines anderen antasten oder
- sich als Formalbeleidigung oder
- Schmähung
darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf<ref>(vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 85, 1 <16>; 90, 241 <248>; 93, 266 <293 f.>; 99, 185 <196>; stRspr)</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 Tz. 17 ff.</ref>
Gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend
Recht der persönlichen Ehre
Schranken-Schranken
Siehe hierzu die Wechselwirkungslehre:
Aus der "grundlegenden Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für den freiheitlich- demokratischen Staat ergibt sich, dass es vom Standpunkt dieses Verfassungssystems aus nicht folgerichtig wäre, die sachliche Reichweite gerade dieses Grundrechts jeder Relativierung durch einfaches Gesetz (und damit zwangsläufig durch die Rechtsprechung der die Gesetze auslegenden Gerichte) zu überlassen. Es gilt vielmehr im Prinzip auch hier, was oben allgemein über das Verhältnis der Grundrechte zur Privatrechtsordnung ausgeführt wurde: die allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muß, auf jeden Fall gewahrt bleibt. Die gegenseitige Beziehung zwischen Grundrecht und "allgemeinem Gesetz" ist also nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts durch die "allgemeinen Gesetze" aufzufassen; es findet vielmehr eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die "allgemeinen Gesetze" zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen.
Das Bundesverfassungsgericht, das durch das Rechtsinstitut der Verfassungsbeschwerde zur Wahrung der Grundrechte letztlich berufen ist, muß demgemäß auch hier die rechtliche Möglichkeit besitzen, die Rechtsprechung der Gerichte dort zu kontrollieren, wo sie in Anwendung eines allgemeinen Gesetzes den grundrechtlich bestimmten Raum betreten und damit möglicherweise den Geltungsanspruch des Grundrechts im Einzelfall unzulässig beschränken. Es muß zu seiner Kompetenz gehören, den spezifischen Wert, der sich in diesem Grundrecht für die freiheitliche Demokratie verkörpert, allen Organen der öffentlichen Gewalt, also auch den Zivilgerichten, gegenüber zur Geltung zu bringen und den verfassungsrechtlich gewollten Ausgleich zwischen den sich gegenseitig widerstreitenden, hemmenden und beschränkenden Tendenzen des Grundrechts und der "allgemeinen Gesetze" herzustellen.
3. Der Begriff des "allgemeinen" Gesetzes war von Anfang an umstritten. Es mag dahinstehen, ob der Begriff nur infolge eines Redaktionsversehens in den Artikel 118 der Reichsverfassung von 1919 gelangt ist<ref>siehe dazu Häntzschel im Handbuch des deutschen Staatsrechts, 1932, Band II S. 658</ref>. Jedenfalls ist er bereits während der Geltungsdauer dieser Verfassung dahin ausgelegt worden, daß darunter alle Gesetze zu verstehen sind, die "nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten", die vielmehr "dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen", dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat<ref>vgl. die Zusammenstellung der inhaltlich übereinstimmenden Formulierungen bei Klein-v. Mangoldt, a.a.O., S. 250 f., sowie veröffentl. der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 4, 1928, S. 6 ff., bes. S. 18 ff., 51 ff.</ref>. Dem stimmen auch die Ausleger des Grundgesetzes zu<ref>vgl. etwa Ridder in Neumann- Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Band II S. 282: "Gesetze, die nicht die rein geistige Wirkung der reinen Meinungsäußerung inhibieren"</ref>.
Wird der Begriff "allgemeine Gesetze" so verstanden, dann ergibt sich zusammenfassend als Sinn des Grundrechtsschutzes:
Die Auffassung, daß nur das Äußern einer Meinung grundrechtlich geschützt sei, nicht die darin liegende oder damit bezweckte Wirkung auf andere, ist abzulehnen. Der Sinn einer Meinungsäußerung ist es gerade, "geistige Wirkung auf die Umwelt" ausgehen zu lassen, "meinungsbildend und überzeugend auf die Gesamtheit zu wirken"<ref>Häntzschel, Hdb. DStR II, S. 655</ref>. Deshalb sind Werturteile, die immer eine geistige Wirkung erzielen, nämlich andere überzeugen wollen, vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt; ja der Schutz des Grundrechts bezieht sich in erster Linie auf die im Werturteil zum Ausdruck kommende eigene Stellungnahme des Redenden, durch die er auf andere wirken will. Eine Trennung zwischen (geschützter) Äußerung und (nicht geschützter) Wirkung der Äußerung wäre sinnwidrig.
Die - so verstandene - Meinungsäußerung ist als solche, d.h. in ihrer rein geistigen Wirkung, frei; wenn aber durch sie ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut eines anderen beeinträchtigt wird, dessen Schutz gegenüber der Meinungsfreiheit den Vorrang verdient, so wird dieser Eingriff nicht dadurch erlaubt, daß er mittels einer Meinungsäußerung begangen wird. Es wird deshalb eine "Güterabwägung" erforderlich: Das Recht zur Meinungsäußerung muß zurücktreten, wenn schutzwürdige Interessen eines anderen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden. Ob solche überwiegenden Interessen anderer vorliegen, ist auf Grund aller Umstände des Falles zu ermitteln."<ref>BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 Rdnr. 34 ff.</ref>
Gebot der Neutralität des Staates im Meinungskampf
Neutralität der Verwaltung
Wahlempfehlungen zugunsten einer Partei oder eines Wahlbewerbers, die ein Bürgermeister in amtlicher Eigenschaft abgibt, werden nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt. Sie verstoßen vielmehr gegen die den Gemeinden und ihren Organen durch das bundesverfassungsrechtliche Gebot der freien Wahl auch im Kommunalwahlkampf auferlegte Neutralitätspflicht.<ref>BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 = DVBl 1997, 1276 </ref>
Fälle
"Affäre Schanderl" - Stoppt Strauß
"wunderbares Inzuchtsprodukt"
- Das Recht zum Gegenschlag - Bayerns Innenminister Joachim Herrmann durfte ein „wunderbares Inzuchtsprodukt“ genannt werden. Das befand das Amtsgericht Karlsruhe. Recht zum Gegenschlag
Normen
- Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 11
- GG Art. 5
- AEMR Art. 19 Meinungs- und Informationsfreiheit
- EMRK Art. 10
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
- BVerfG, Beschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2459/19: "Selbst in der Öffentlichkeit stehende und streithaft sich zu Wort meldende Politiker müssten derart schwerwiegende Angriffe auf ihre Person nur in Grenzen und allenfalls dann hinnehmen, wenn die Äußerung in erster Linie auf einen Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf zielt und nicht – wie hier – auf eine Herabsetzung der Person (siehe Beschluss der Kammer vom heutigen Tag - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 30 bis 32). Erst recht gilt dies für die Betroffene, bei der es sich um eine Person handelt, der dieses Amt im Rahmen ihrer gewöhnlichen Berufsausübung übertragen wurde und die überdies gegenüber dem Beschwerdeführer keine einschneidenden Entscheidungsbefugnisse wahrzunehmen hatte. Das gegenüber Angriffen auf ihre Person von ihr aufzubringende Maß der Toleranz war daher nicht durch ihre besondere öffentlich wirksame Stellung oder durch besonders einschneidende Machtausübung und -befugnisse gegenüber dem Beschwerdeführer erhöht. "<ref>Tz. 25</ref>
- BVerfG, Beschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19
- BVerfG, Urteil vom 27.02.2018 - 2 BvE 1/16
- BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 - Strafrechtliche Verurteilung von Mitarbeitern einer Flüchtlingsorganisation wegen Kritik an Ausländerbehörde verstößt gegen Meinungsfreiheit - siehe auch üble Nachrede
- BVerfG, Beschluss vom 08.09.2010 - 1 BvR 1890/08 - Greenpeace / Genmilch
- BVerfG, Beschluss vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 - Wunsiedel
- BVerfG, Beschluss vom 05.12.2008 - 1 BvR 1318/07 = NJW 2009, 749 - Bezeichnung eines Stadtrats durch einen anderen Stadtrat in der Stadtratssitzung als "Dummschwätzer" nach vorangeganger unsachlicher Kritik
- BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 - Unterlassungsanspruch bei mehrdeutigen Äußerungen - Stolpe
- BVerfG, Urteil vom 12.12.2000 - 1 BvR 1762/95 und 1 BvR 1787/95 - Imagewerbung mit gesellschaftskritischen Themen
- BVerfG, Beschluss vom 22.01.1997 - 2 BvR 1915/91 - Verpflichtung, auf Packungen von Tabakerzeugnissen Warnungen vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens zu verbreiten
- BVerfG, Beschluss vom 13.02.1996 - 1 BvR 262/91 - Flugblatt gegen 'Humanes Sterben'
- BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91; 1 BvR 1980/91; 1 BvR 102/92; 1 BvR 221/92 - 'Soldaten sind Mörder'
- BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 - Leugnung der Judenverfolgung
- BVerfG, Beschluss vom 11.01.1994 - 1 BvR 434/87 - Kriegsschuld-Buch / Jugendgefährdende Schriften III
- BVerfG, Beschluss vom 18.10.1991 - 1 BvR 1377/91 = AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 - Flugblatt
- BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 - 1 BvR 221/90 - Rhetorische Fragen
- BVerfG, Beschluss vom 26.06.1990 - 1 BvR 1165/89 - Schmähung
- BVerfG, Beschluss vom 27.04.1989 - 1 BvR 159/87 - Nichtannahmebeschluss: Einschränkung der Meinungsfreiheit durch kommunalrechtliche Verschwiegenheitspflicht
- BVerfG, Beschluss vom 23.10.1985 - 1 BvR 1053/82 - Anti-Atomkraftplakette
- BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83; 1 BvR 269/83; 1 BvR 362/83; 1 BvR 420/83; 1 BvR 440/83; 1 BvR 484/83 - Volkszählung
- BVerfG, Beschluss vom 13.05.1980 - 1 BvR 103/77 - Kunstkritik
- BVerfG, Beschluss vom 02.03.1977 - 2 BvR 1319/76 - Soldatenunterschriftenliste
- BVerfG, Beschluss vom 11.05.1976 - 1 BvR 163/72 - Beleidigung
- BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969 - 1 BvR 46/65 = BVerfGE 27,71; NJW 1970, 235 - Leipziger Volkszeitung
- BVerfG, Beschluss vom 26.02.1969 - 1 BvR 619/63 - Blinkfüer
- BVerfG, Teilurteil vom 05.08.1966 - 1 BvR 586/62; 1 BvR 610/63; 1 BvR 512/64 - Spiegel
- BVerfG, Beschluss vom 25.01.1961 - 1 BvR 9/57 = BVerfGE 12, 113; NJW 1961, 819
- BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 - Lüth: "Der Beschwerdeführer befürchtet, daß durch Beschränkung der Redefreiheit einem einzelnen gegenüber die Gefahr heraufgeführt werden könnte, der Bürger werde in der Möglichkeit, durch seine Meinung in der Öffentlichkeit zu wirken, allzusehr beengt und die unerläßliche Freiheit der öffentlichen Erörterung gemeinschaftswichtiger Fragen sei nicht mehr gewährleistet. Diese Gefahr besteht in der Tat<ref>(vgl. dazu Ernst Helle, Der Schutz der persönlichen Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, 1957, S. 65, 83-85, 153)</ref>. Um ihr zu begegnen, ist es aber nicht erforderlich, das bürgerliche Recht aus der Reihe der allgemeinen Gesetze schlechthin auszuscheiden. Es muß nur auch hier der freiheitliche Gehalt des Grundrechts entschieden festgehalten werden. Es wird vor allem dort in die Waagschale fallen müssen, wo von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzungen Gebrauch gemacht wird, der Redende vielmehr in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen will, so daß die etwaige Wirkung seiner Äußerung auf den privaten Rechtskreis eines anderen zwar eine unvermeidliche Folge, aber nicht das eigentliche Ziel der Äußerung darstellt. Gerade hier wird das Verhältnis von Zweck und Mittel bedeutsam. Der Schutz des privaten Rechtsguts kann und muß um so mehr zurücktreten, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten handelt; hier spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede."<ref>Abs. 41</ref>
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
- BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 5.96 = DVBl 1997, 1276: "Wahlempfehlungen zugunsten einer Partei oder eines Wahlbewerbers, die ein Bürgermeister in amtlicher Eigenschaft abgibt, werden nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt. Sie verstoßen vielmehr gegen die den Gemeinden und ihren Organen durch das bundesverfassungsrechtliche Gebot der freien Wahl auch im Kommunalwahlkampf auferlegte Neutralitätspflicht."
Bundesgerichtshof (BGH)
Oberlandesgerichte (OLG)
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)
Nodrhein-Westfalen
- OLG Köln, Urteil vom 19.12.2006 - 15 U 110/06 - Greenpeace / "Genmilch"
Verwaltungsgerichte
Bayern
- VG Regensburg, Urteil vom 10.12.2009 - RO 3 K 08.1832: "Die Zulässigkeit amtlicher Meinungsäußerungen ist am Sachlichkeitsgebot zu messen. Dieses verlangt, dass die jeweilige Äußerung in ein em konkreten Bezug zur Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe steht, Werturteile auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern fußen und weder auf sachfremden Erwägungen beruhen noch den sachlich gebotenen Rahmen überschreiten."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
Publikationen
Lehrbücher
- Volker Epping, Grundrechte (eBook), Springer Verlag Berlin, 6. Aufl. 2015, ISBN 9783642546587
Fachaufsätze
- Dorothee Bölke, Kritik an Macht ist schutzbedürftig - Wann wird Kritik zur Schmähung?, NJW 2004, 2352 - 2354
- Volker Epping/Sebastian Lenz, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG), Jura 2007, 881-889
- Max-Emanuel Geis, Zum Recht des Gemeinderatsmitglieds auf freie Meinungsäußerung in der Gemeinderatssitzung, BayVBl. 1992, 41
- Dieter Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, 1697-1705
- Sascha Sajuntz, Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts in den Jahren 2008 bis 2010, NJW 2010, 2992
- Jan Philipp Schaefer, Wie viel Freiheit für die Gegner der Freiheit?, DÖV 2010, 379-387
- Uwe Volkmann, Entscheidungsbesprechung, Die Geistesfreiheit und der Ungeist - Der Wunsiedel-Beschluss des BVerfG, NJW 2010, 417-420
- Alfons Wenzel, Meinungsfreiheit und beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht, BayVBl. 1966, 341, 342: In allen Fällen, in denen die Verschwiegenheilspflicht nicht eindeutig begründet sei, "wäre es verfassungswidrig, unter ausdehnender Auslegung der Gesetzesbestimmung über die Amtsverschwiegenheit den Staatsbürgern im öffentIichen Dienst das Recht der Meinungsfreiheit beschneiden zu wollen".<ref>zitiert nach Michael Pahlke, Die Verschwiegenheitspflicht der Gemeinderatsmitglieder im Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit, BayVBl. 2015, 289, 290</ref>
- Ralph Zimmermann, Die Meinungsfreiheit in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 2011, 145
Presseberichte
- BR-Online vom 03.09.2015 - "Affäre Schanderl" - Die 18-Jährige, die Franz Josef Strauß besiegte
- Nordkurier vom 06.05.2015 - BUND-Vertreter beleidigt - Hitler-Vergleich: Saftige Geldstrafe für NPD-Frau - Schmähkritik
- Spiegel Online vom 28.04.2015 - Urteil vom Bundesverfassungsgericht: "Fck Cps" muss nicht strafbar sein
- taz.de vom 24.02.2015 - Protest gegen Bundeswehr-Schulbesuche -Kritisches Nachfragen unerwünscht "Weil er die Bundeswehr kritisierte, erhielt ein Schüler der Graf-Stauffenberg-Wirtschaftsschule in Bamberg einen Verweis. Seine „linksorientierte Gesinnung“ bedränge andere, sagt sein Direktor."
Pressemitteilungen
- Klarstellung verfassungsrechtlicher Maßgaben für strafrechtliche Verurteilungen wegen ehrbeeinträchtigender Äußerungen - Pressemitteilung Nr. 49/2020 vom 19. Juni 2020 - Beschlüsse vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2459/19, 1 BvR 2397/19, 1 BvR 1094/19 und 1 BvR 362/18
- Strafrechtliche Verurteilung von Mitarbeitern einer Flüchtlingsorganisation wegen Kritik an Ausländerbehörde verstößt gegen Meinungsfreiheit
Siehe auch
- Kommunikationsgrundrechte
- Sondernutzung
- Polemik
- Schmähkritik
- Zensur
- Verschwiegenheitspflicht
- Öffentlichkeit (Stadtratssitzung)
- Amtliche Meinungsäußerung
- Äußerungs- und Kritikrecht des Ratsmitglieds
Fußnoten
<references />