Aufnahmezwang

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Grundsatz

"Aufgrund der ihm zustehenden Autonomie ist der Verein selbst bei Erfüllung der satzungsmäßigen Voraussetzungen grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob er einen Mitgliedschaftsbewerber aufnehmen will. Der Verein kann sich zwar in der Satzung zur Aufnahme von Bewerbern, die bestimmte Bedingungen für eine Mitgliedschaft erfüllen, mit der Wirkung verpflichten, daß diese dadurch einen eigenen Anspruch gegen den Verein auf Aufnahme erwerben. Eine solche Selbstbindung ist jedoch so ungewöhnlich, daß sich dafür aus der Satzung gesicherte Anhaltspunkte ergeben müssen."<ref>BGH, Urteil vom 01.10.1984 - II ZR 292/83 = NJW 1985, 1214</ref>.

Aufnahmezwang als Ausnahme

Monopolverband

"Lehnt ein Monopolverband die Aufnahme eines Mitgliedschaftsbewerbers unter Berufung auf eine satzungsmäßige Aufnahmebeschränkung ab, deren Zweck an sich sachlich berechtigt ist, so kann die Aufnahmebeschränkung gleichwohl unwirksam sein, wenn jener vom Monopolverband verfolgte Zweck auch durch eine andere, "mildere" Satzungsgestaltung erreicht werden kann, die die Mitgliedschaft des Bewerbers ermöglichen würde.

Etwas anderes kann gelten, wenn der Bewerber ohne unverhältnismäßige Opfer in der Lage ist, die vom Monopolverband aufgestellten Aufnahmevoraussetzungen zu erfüllen.

Lehnt ein Monopolverband die Aufnahme eines Mitgliedschaftsbewerbers unter Berufung auf eine an sich zulässige, der Aufnahme entgegenstehende Satzungsbestimmung ab, so kann ihm der Vorwurf eines unzulässigen Verhaltens mit der Begründung, er habe die Satzungsbestimmung auch bei einem früheren Bewerber nicht angewandt, jedenfalls dann nicht gemacht werden, wenn die Satzung nur in einem einzigen Fall nicht beachtet worden ist und es sich bei den ungleich behandelten Bewerbern nicht um Verbände handelt, deren Mitgliedschaftsinteressen miteinander konkurrieren.

Bei der Auslegung einer Verbandssatzung können unter Umständen außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge zu berücksichtigen sein, wenn deren Kenntnis allgemein bei den Mitgliedern und Organen des Vereins vorausgesetzt werden kann."<ref>BGH, Urteil vom 02.12.1974 - II ZR 78/72 Amtlicher Leitsatz</ref>

Überragende Machtstellung

"Ein Anspruch auf Aufnahme in einen Verein kann nicht nur bei Monopolvereinigungen, sondern auch dann bestehen, wenn ein Verein oder Verband im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein schwerwiegendes Interesse von Beitrittswilligen am Erwerb der Mitgliedschaft besteht; das gilt auch für Gewerkschaften."<ref>BGH, Urteil vom 10.12.1984 - II ZR 91/84 Amtlicher Leitsatz</ref>

GWB § 20 Abs. 5

Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen nach GWB § 20 Abs. 5 die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

AGG § 18 Abs. 2 (Mitgliedschaft in Vereinigungen)

Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 darstellt, besteht nach AGG § 18 Abs. 2 ein Anspruch auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung in den in Absatz 1 genannten Vereinigungen.

Kein Aufnahmeanspruch in politische Partei

Der BGH hat "einen Aufnahmezwang nur dann angenommen, wenn der Verein oder Verband eine Monopolstellung oder jedenfalls im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein wesentliches oder grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht, wie es bei bestimmten Wirtschafts- und Berufsvereinigungen auch außerhalb des Anwendungsbereiches von § 27 GWB der Fall sein kann<ref>vgl. BGHZ 93, 151 [BGH 10.12.1984 - II ZR 91/84]</ref>. Das Vorliegen dieser besonderen Voraussetzungen für einen Aufnahmeanspruch ist bei politischen Parteien kraft positiv-rechtlicher Bestimmung zu verneinen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ParteienG entscheiden die zuständigen Organe der Partei nach näherer Bestimmung der Satzung frei über die Aufnahme von Mitgliedern. Nach Satz 2 braucht die Ablehnung eines Aufnahmeantrags nicht begründet zu werden. Diese Vorschrift, mit welcher der Gesetzgeber den besonderen Verhältnissen politischer Parteien Rechnung trägt, ist auch nach Ansicht des Senats mit dem Grundgesetz vereinbar, so dass für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG kein Raum ist. Sie bedarf auch keiner einschränkenden verfassungskonformen Auslegung in einer Richtung, die dem Begehren des Klägers zum Erfolg verhelfen könnte. Der Senat vermag sich der vor allem im neueren verfassungsrechtlichen Schrifttum mit unterschiedlicher Intensität vertretenen Ansicht, wonach § 10 Abs. 1 Satz 1 ParteienG jedenfalls in seiner gegenwärtigen Form angesichts der Verfestigung des Parteiensystems und der Schwierigkeiten der Neugründung politischer Parteien aus heutiger Sicht verfassungswidrig (geworden) sei, weil politische Parteien mindestens bei grundsätzlicher Übereinstimmung des Mitgliedschaftsbewerbers mit ihrer politischen Zielsetzung im Rahmen der Zumutbarkeit einer generellen verfassungsrechtlichen Aufnahmepflicht unterlägen<ref>vgl. Knöpfle, Der Zugang zu den politischen Parteien, Der Staat 1970 S. 321 ff.; ders. Parteien und Gemeinwohl, Der Staat 1977 S. 393 ff.; Trautmann, Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat S. 193 ff.; Wolfrum, Die innerparteiliche demokratische Ordnung nach dem Parteiengesetz, 1974, S. 156 ff.; Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, 1982, S. 58 ff.; Magiera, Der Rechtsanspruch auf Parteibeitritt DÖV 1973, 761 ff.</ref>, nicht anzuschließen. Ein solcher Aufnahmezwang ist im Grundgesetz nicht vorgesehen. Er läßt sich weder aus dem Gebot innerparteilicher Demokratie (Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG) noch als Teil des staatsbürgerlichen status activus aus dem Grundrechtskatalog (insbesondere Art. 2 Abs. 1, 5, 8, 9, 38 GG) ableiten."<ref>BGH, Urteil vom 29.06.1987 - II ZR 295/86 = BGHZ 101, 193 Abs. 10</ref>

"Die Annahme eines sich aus dem staatsbürgerlichen status activus herleitenden Grundrechts auf freien Zugang jedes Bürgers zu der politischen Partei seiner Wahl, sofern nur das notwendige Minimum an Grundidentifikation gewahrt ist, und ein ihm korrespondierender Aufnahmezwang der Partei, der die letzte Entscheidung über die Vereinbarkeit der Persönlichkeit und politischen Einstellung eines Außenstehenden mit der Mitgliedschaft in einer bestimmten Partei in die Hände einer staatlichen Instanz legte, wäre auch mit dem den Parteien zustehenden Grundrecht der Parteien- und Vereinigungsfreiheit (Art. 9 und 21 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht in Einklang zu bringen. Kern dieser Freiheit ist das Recht jedes Bürgers auf freie Entscheidung, mit wem er sich zwecks politischer Betätigung zusammenschließen will. Dieses Freiheitsrecht endet nicht mit der Gründung der Vereinigung. Es setzt sich, wenn mit dem Abschluß des Gründungsvorgangs eine organisatorisch-institutionelle Verfestigung eingetreten ist, in dem Recht fort, ohne staatlichen Eingriff durch die dafür in der Satzung bestimmten Organe eigenverantwortlich darüber zu befinden, wer nachträglich als Mitglied akzeptiert werden soll. Ein staatlich verordneter und kontrollierter Aufnahmezwang würde angesichts der besonderen Verhältnisse politischer Parteien die Gefahr der Aushöhlung dieses Rechts mit sich bringen. Wenn sich der Gesetzgeber des Parteiengesetzes unter diesen Umständen dazu entschlossen hat, den Parteien im Einzelfall die freie Entscheidung über die Aufnahme eines neuen Mitgliedes zu überlassen und lediglich allgemeine Aufnahmesperren, mit denen sich die Parteien entgegen ihrer Aufgabe nach außen ganz oder auf Zeit gegenüber neuen Mitgliedern verschließen würden, zu untersagen (§ 10 Abs. 1 Satz 3 ParteienG) und das Ausschlußverfahren in bestimmter Weise zu regeln (§ 10 Abs. 4 ParteienG), so ist dies nicht grundgesetzwidrig<ref>wie hier: Bonner Kommentar/Henke Art. 21 Rdnr. 54; Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland S. 208 ff.; Luthmann, Die innere Ordnung der Partei nach dem Grundgesetz S. 108 f.; Stern aaO S. 446; teilweise anders Grimm in Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts S. 342, der zwar einen gesetzlichen Aufnahmeanspruch bei überprüfbarer Grundidentifikation mit den Parteizielen für wünschenswert hält, aber ebenfalls davon ausgeht, daß eine solche Lösung vom Grundgesetz nicht »geradewegs« gefordert wird</ref>. Nach alledem ist eine allgemeine Aufnahmepflicht der Beklagten, die dem Begehren des Klägers zum Erfolg verhelfen könnte, zu verneinen."<ref>BGH, Urteil vom 29.06.1987 - II ZR 295/86 = BGHZ 101, 193 Abs. 13</ref>

Normen

Grundgesetz (GG)

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

  • AGG § 18 (Mitgliedschaft in Vereinigungen) Abs. 2: Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein Anspruch auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung in den in Absatz 1 genannten Vereinigungen.

Rechtsprechung

Bundesgerichtshof (BGH)

Oberlandegerichte

Publikationen

  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005 § 25 Rn. 11 f.

Siehe auch

Fußnoten

<references/>