Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen im Oberschwellenbereich: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 20. Juni 2021, 11:05 Uhr

Der EU-Schwellenwert liegt derzeit bei 215.000 Euro.

Abschnitt 6 der Vergabeverordnung (VgV) enthält Besondere Vorschriften für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen (VgV § 73 - VgV § 80). Architekten- und Ingenieurleistungen werden gemäß VgV § 74 in der Regel im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach VgV § 17 oder im wettbewerblichen Dialog nach VgV § 18 vergeben.

Architekten- und Ingenieurleistungen

Architekten- und Ingenieurleistungen sind nach VgV § 73 Abs. 2

  1. Leistungen, die von der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure erfasst werden, und
  2. sonstige Leistungen, für die die berufliche Qualifikation des Architekten oder Ingenieurs erforderlich ist oder vom öffentlichen Auftraggeber gefordert wird.

Schätzung des Auftragswerts

Bei der Schätzung des Auftragswerts ist nach VgV § 3 Abs. 1 Satz 1 vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Zudem sind nach VgV § 3 Abs. 1 Satz 2 etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen. Sieht der öffentliche Auftraggeber Prämien oder Zahlungen an den Bewerber oder Bieter vor, sind auch diese zu berücksichtigen.<ref>vgl. auch SektVO § 2, VSVgV § 3, KonzVgV § 2</ref>

Schätzung des Auftragswerts bei Vergabe in mehreren Losen: Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist nach VgV § 3 Abs. 7 Satz 1 der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen (VgV § 3 Abs. 7 Satz 2). Erreicht oder überschreitet der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt diese Verordnung für die Vergabe jedes Loses (VgV § 3 Abs. 7 Satz 3).

Kann ein Vorhaben zum Zweck des Erwerbs gleichartiger Lieferungen zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen (VgV § 3 Abs. 8).

Der öffentliche Auftraggeber kann bei der Vergabe einzelner Lose von Absatz 7 Satz 3 sowie Absatz 8 abweichen, wenn der geschätzte Nettowert des betreffenden Loses bei Liefer- und Dienstleistungen unter 80 000 Euro und bei Bauleistungen unter 1 Million Euro liegt und die Summe der Nettowerte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt (VgV § 3 Abs. 9).

Eignungsprüfung

Wird als Berufsqualifikation der Beruf des Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten oder Stadtplaners gefordert, so ist nach VgV § 75 Abs. 1 zuzulassen, wer nach dem für die öffentliche Auftragsvergabe geltenden Landesrecht berechtigt ist, die entsprechende Berufsbezeichnung zu tragen oder in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend tätig zu werden.

Wird als Berufsqualifikation der Beruf des "Beratenden Ingenieurs" oder "Ingenieurs" gefordert, so ist nach VgV § 75 Abs. 2 zuzulassen, wer nach dem für die öffentliche Auftragsvergabe geltenden Landesrecht berechtigt ist, die entsprechende Berufsbezeichnung zu tragen oder in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend tätig zu werden.

Juristische Personen sind als Auftragnehmer zuzulassen, wenn sie für die Durchführung der Aufgabe einen verantwortlichen Berufsangehörigen gemäß Absatz 1 oder 2 benennen (VgV § 75 Abs. 3).

Eignungskriterien müssen gemäß GWB § 122 Absatz 4 mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen (VgV § 75 Abs. 4 Satz 1). Sie sind bei geeigneten Aufgabenstellungen so zu wählen, dass kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen können (VgV § 75 Abs. 4 Satz 2).

Die Präsentation von Referenzprojekten ist zugelassen (VgV § 75 Abs. 5 Satz 1). Verlangt der öffentliche Auftraggeber geeignete Referenzen im Sinne von VgV § 46 Absatz 3 Nummer 1, so lässt er hierfür Referenzobjekte zu, deren Planungs- oder Beratungsanforderungen mit denen der zu vergebenden Planungs- oder Beratungsleistung vergleichbar sind (VgV § 75 Abs. 5 Satz 2). Für die Vergleichbarkeit der Referenzobjekte ist es in der Regel unerheblich, ob der Bewerber bereits Objekte derselben Nutzungsart geplant oder realisiert hat (VgV § 75 Abs. 5 Satz 3).

Erfüllen mehrere Bewerber an einem Teilnahmewettbewerb mit festgelegter Höchstzahl gemäß VgV § 51 gleichermaßen die Anforderungen und ist die Bewerberzahl auch nach einer objektiven Auswahl entsprechend der zugrunde gelegten Eignungskriterien zu hoch, kann die Auswahl unter den verbleibenden Bewerbern durch Los getroffen werden (VgV § 75 Abs. 6).

Zuschlag

Architekten- und Ingenieurleistungen werden gemäß VgV § 76 Abs. 1 Satz 1 im Leistungswettbewerb vergeben. Auf die zu erbringende Leistung anwendbare Gebühren- oder Honorarordnungen bleiben unberührt (VgV § 76 Abs. 1 Satz 2).

Die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen der gestellten Aufgabe kann der öffentliche Auftraggeber nur im Rahmen eines Planungswettbewerbs, eines Verhandlungsverfahrens oder eines wettbewerblichen Dialogs verlangen (VgV § 76 Abs. 2 Satz 1). Die Erstattung der Kosten richtet sich nach § 77 (VgV § 76 Abs. 2 Satz 2). Unaufgefordert eingereichte Ausarbeitungen bleiben unberücksichtigt (VgV § 76 Abs. 2 Satz 3).

HOAI

"Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat."<ref>EuGH, Urteil vom 04.07.2019 – C-377/17, Amtlicher Leitsatz</ref>

==Kosten und Vergütung Für die Erstellung der Bewerbungs- und Angebotsunterlagen werden Kosten nicht erstattet (VgV § 77 Abs. 1).

Verlangt der öffentliche Auftraggeber außerhalb von Planungswettbewerben darüber hinaus die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen, so ist einheitlich für alle Bewerber eine angemessene Vergütung festzusetzen (VgV § 77 Abs. 2).

Gesetzliche Gebühren- oder Honorarordnungen und der Urheberrechtsschutz bleiben unberührt (VgV § 77 Abs. 3).

Normen

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Vergabeverordnung (VgV)

Rechtsprechung

  • OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.08.2011 - VII-Verg 36/11: "Die ausgeschriebenen Leistungen können jedoch nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden. Damit ist der Inhalt der Aufgabenlösung gemeint. Hinsichtlich der anwendbaren Rechtsgrundsätze ist insoweit auf den Beschluss des Senats vom 21.4.2010<ref>(VII-Verg 55/09, Schiffshebewerk Niederfinow, unter Hinweis auf OLG München, Beschl. v. 28.4.2006 - Verg 6/06, VergabeR 2006, 914, 920 f.)</ref> zu verweisen. Nicht-Beschreibbarkeit ist in Betracht zu ziehen, wenn der Auftragnehmer aufgrund ihm zugestandener Kognitions-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume die Aufgabenlösungen selbständig zu entwickeln hat. Dies bezieht sich insbesondere auf hochqualifizierte und geistig-schöpferische Leistungen, wie sie hier nachgefragt werden<ref>(so auch Stickler in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Aufl., § 5 VgV Rn. 4)</ref>. Dabei gibt der Auftraggeber - wie hier - lediglich Zielvorstellungen und einen Leistungsrahmen vor. Die konkrete, detaillierte Aufgabenlösung hat hingegen der Auftragnehmer zu erarbeiten<ref>(entweder allein oder auch im Benehmen oder Einvernehmen mit dem Auftraggeber, vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.4.2010 – VII-Verg 55/09)</ref>. Eine Leistung ist danach z.B. dann nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbar, wenn eine noch nicht existierende Lösung für die gestellte Aufgabe gesucht wird<ref>(ebenso Stickler a.a.O. Rn. 5)</ref>. Dabei mögen zwar einzelne Schritte oder Parameter der Auftragsausführung beschrieben werden können, die inhaltliche Lösung der Aufgabe, mithin das Ergebnis der Auftragsausführung, kann aber nicht ausreichend konkretisiert werden, es sei denn, der Auftraggeber nähme einen zumindest wesentlichen Teil der Aufgabenlösung vorweg, löste die Aufgabe also teilweise selbst, um die Leistung entsprechend genau beschreiben zu können<ref>(so Boesen, Vergaberecht, § 99 GWB Rn. 161, 163)</ref>. Dazu ist der Auftraggeber nicht verpflichtet. Eine nicht beschreibbare Aufgabenlösung kann zudem dadurch gekennzeichnet sein, dass die Lösung in Verhandlungen von den Beteiligten entwickelt werden soll<ref>(vgl. dazu BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - X ZB 8/09, VergabeR 2010, 210, 215 f.; Saarländisches OLG, Beschl. v. 20.9.2006 - 1 Verg 3/06, VergabeR 2007, 110, 113 f.; Egger, Europäisches Vergaberecht, Rn. 1024)</ref>. Notwendig ist dies freilich nicht. Der Auftraggeber kann sich darauf beschränken, die Aufgabenlösung vollständig und allein vom Auftragnehmer entwickeln zu lassen, dies zum Beispiel dann, wenn die Lösung auch in Verhandlungen, ohne dass sie dadurch inhaltlich vorweggenommen würde, nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann. Bei der Frage, ob eine Aufgabenlösung eindeutig beschreibbar ist, hat der Auftraggeber keinen Beurteilungs- oder Entscheidungsspielraum. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der objektiv entweder gegeben ist oder nicht. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens abzustellen. In diesem Zeitpunkt vorhandene subjektive tatsächliche oder fachliche Schwierigkeiten des Auftraggebers, die Aufgabenlösung eindeutig zu beschreiben, rechtfertigen nicht, die Lösung in der Leistungsbeschreibung offen zu lassen oder in ein Verhandlungsverfahren auszuweichen. Kognitions- oder Erfahrungsdefizite hat der Auftraggeber durch Aufklärung, gegebenenfalls durch Zuziehen externer sachverständiger Hilfe, zu beseitigen, nicht aber darf er sie gewissermaßen in das Vergabeverfahren "mitnehmen", sofern nicht die Lösung der Aufgabe im Verhandlungsverfahren geklärt werden soll."<ref>Abs. 19</ref>

Siehe auch

Fußnoten

<references/>