Nicht rechtsfähiger Verein: Unterschied zwischen den Versionen

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Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden nach {{BGB 54}} Satz 1 die Vorschriften über die [[Gesellschaft]] Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde nach {{BGB 54}} Satz 2 persönlich; handeln mehrere, so haften sie als [[Gesamtschuldner]].<noinclude>
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Die Vorschrift des {{BGB 54}} Satz 1 wird als historisch überholt angesehen. Auf den nichtrechtsfähigen [[Idealverein]] findet Vereinsrecht Anwendung mit Ausnahme der Vorwschriften, die [[Rechtsfähigkeit]] voraussetzen<ref>{{ISBN 9783406725005}}, § 54 Rn. 1</ref> Aus einem [[Rechtsgeschäft]], das im Namen eines nicht rechtsfähigen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet nach {{BGB 54}} Satz 2 der [[Handelndenhaftung|Handelnde persönlich]]; handeln mehrere, so haften sie als [[Gesamtschuldner]]. Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann nach {{ZPO 50}} Abs. 2  klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.<noinclude>
  
 
==[[Vorverein]]==
 
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==Anwendbarkeit von Vereinsrecht auf den nicht rechtsfähigen Verein==
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==[[Parteifähigkeit]]==
"... die volle Parteifähigkeit kann auch ohne Rechtsfähigkeit bestehen, wie u.a. das Beispiel der Personalhandelsgesellschaften (§§ 124, 161 HGB), neuerdings auch das der politischen Parteien (dazu unten III 4) zeigt.
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{{:Parteifähigkeit}}
  
Für den vorliegenden Fall kann der Senat sich deshalb auf die Entscheidung der - in BGHZ 42, 210, 216 [BGH 06.10.1964 - VI ZR 176/63] nicht verneinten, sondern ausdrücklich offen gelassenen - Frage beschränken, ob Gewerkschaften auch für die Geltendmachung abtretbarer Ansprüche, also allgemeine, die aktive Parteifähigkeit im Prozeß vor den ordentlichen Gerichten besitzen.
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==[[Anwendbarkeit von Vereinsrecht auf den nicht rechtsfähigen Verein]]==
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{{:Anwendbarkeit von Vereinsrecht auf den nicht rechtsfähigen Verein}}
  
Diese Frage bejaht der Senat. Dabei ist von entscheidender Bedeutung die Rechtsentwicklung, die sich seit der im Zusammenhang mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgten Formulierung des § 50 ZPO, also seit der Jahrhundertwende bis heute, vollzogen hat:
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==[[Untergliederung eines eingetragenen Vereins]]==
 
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{{:Untergliederung eines eingetragenen Vereins}}
1) Damals stand der Gesetzgeber den nicht rechtsfähigen Vereinen, insbesondere den aufstrebenden Gewerkschaften mit besonderem Mißtrauen gegenüber. Er wollte die Bildung von einflußreichen Vereinigungen mit politischer, sozialpolitischer oder religiöser Zielsetzung erschweren oder sie doch unter staatliche Kontrolle bringen. Dieses voreinspolizeiliche Ziel erstrebte er nicht allein mit Maßnahmen des öffentlichen Rechts, sondern auch mit Hilfe des Zivilrechts. Er billigte daher nur denjenigen nicht wirtschaftlichen Korporationen (Idealvereinen), die Rechtsfähigkeit zu, die sich in das Vereinsregister eintragen ließen. Der Eintragung von Vereinen, die einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgten, konnte aber nach § 61 Abs. 2 BGB die Verwaltungsbehörde widersprechen; sie konnte auch nach § 42 Abs. 3 BGB eingetragenen Vereinen, die entgegen ihrer Satzung sich solchen Zwecken zuwandten, die Rechtsfähigkeit entziehen. Infolgedessen ist es so gut wie sicher, daß die Gewerkschaften unter der Geltung dieser Vorschriften die Rechtsfähigkeit nicht erlangen konnten. Sie beschieden sich daher mit dem Status des nicht eingetragenen, nicht rechtsfähigen Vereins.
 
 
 
Die nichtrechtsfähigen Vereine unterstellte der Gesetzgeber dem Gesellschaftsrecht (§ 54 BGB), obwohl dies ihrer körperschaftlichen Struktur und ihren Bedürfnissen nicht entspricht. Dadurch erstrebte er, sie am Erwerb eines größeren Vermögens zu hindern und ihre gesellschaftliche Einflußmöglichkeit zu schwächen. (Mugdan, Materialien zum BGB I S. 401, 637, 640; Staudinger-Coing BGB 11. Aufl. § 54 Rz. 1; Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Teil II 2 S. 168 ff; Habscheid AcP 155 S. 375, 379 ff; Stoll, Die Reichsgerichtspraxis im Deutschen Rechtsleben II, 1929, S. 50 ff; Enneccerus-Nipperdey, BGB Allgemeiner Teil I 15. Aufl. § 116; Fabricius, Relativität der Rechtsfälligkeit, 1963 S. 187 ff).
 
 
 
2) Entgegen diesen Absichten des historischen Gesetzgebers haben Rechtsprechung und Lehre schon frühzeitig den der Natur der Sache entsprechenden körperschaftlichen Charakter das nicht rechtsfähigen Vereins anerkannt und ihn in der rechtlichen Behandlung zunehmend berücksichtigt. Der Abbau übrigkeitsstaatlicher Auffassungen über das Verhältnis des Staats zu den Verbänden hat das seine hierzu beigetragen. So ist längst anerkannt, daß das Vereinsvermögen der vom Wechsel der Mitglieder unabhängigen Korporation als solcher zuzuordnen ißt (vgl. BGHZ 42, 216 [BGH 06.10.1964 - VI ZR 176/63]). Zwar hat man begrifflich daran festgehalten, daß das Vermögen den Mitgliedern zur gesamten Hand zusteht. Dennoch sind die nach den Bestimmungen des Gesellschaftsrechts bestehenden Vermögensbindungen zum einzelnen Mitglied fast völlig ausgeschaltet worden (Fabricius a.a.O. S. 191). Es besteht beim Ausscheiden eines Mitglieds kein Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB (RGZ 113, 125, 135). Nach der herrschenden Lehre ist der Anteil des einzelnen Mitglieds am Vermögen des nichtrechtsfähigen Vereins nicht nur nicht übertragbar, sondern auch nicht pfändbar (Soergel-Siebert, BGB 10. Aufl. § 54 Rd. Nr. 30; Erman-Westermann BGB 4. Aufl. § 54 Anm. 4). Bei Auflösung des Vereins ist das Vereinsvermögen in entsprechender Anwendung des § 47 BGB zu liquidieren (Stoll AcP 133, 78 ff; Habscheid AcP 155, 411; Boehner a.a.O. S. 174). Haftungsrechtlich hat die herrschende Lehre in entsprechender Anwendung des § 31 BGB dem nichtrechtsfähigen Verein als solchen die Handlungen seiner Organe und Hilfspersonen zugerechnet und die Mitglieder von der im Gesellschaftsrecht vorgesehenen gesamt schuldnerischen Haftung freigestellt (Schumann, Zur Haftung der nichtrechtsfähigen Vereine, 1956 S. 33 ff, 58; Habscheid AcP 155, 407 ff, Denecke in RGR-Kommentar 11. Aufl. § 54 Anm. 15; Soergel-Siebert a.a.O. § 54 Rd. Nr. 54; Fabricius a.a.O. S. 192; Enneccerus-Nipperdey aaO, § 116 S. 708 ff; Wapler NJW 1961, 439 [BGH 21.12.1960 - VIII ZR 214/59]; vgl. auch BGHZ 42, 216 [BGH 06.10.1964 - VI ZR 176/63]; a.A. Palandt-Danckelmann, BGB, 27. Aufl. § 54 Anm. 2) A) im Anschluß an RGZ 143, 212).
 
 
 
3) In besonderem Maße hat sich das Verhältnis des Staates zu den Gewerkschaften gewandelt. Die sie diskriminierenden Vorschriften der §§ 61, 42 BGB wurden durch Art. 124 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung abgeschafft. Die Gewerkschaften blieben gleichwohl bei ihrer Tradition, sich nicht ins Vereinsregister eintragen zu lassen (dazu vgl. auch unten V 3). Dies war und ist aber für ihr Verhältnis zum Staat ohne Bedeutung. Der Staat hat - wenn von der nationalsozialistischen Ära abgesehen wird - seit 1919 in zunehmenden Maße anerkannt, daß die Gewerkschaften für das Gemeinwohl unentbehrlich sind. Vorwiegend im Bereich der Arbeite-, Sozial- und Wirtschaftsordnung hat er ihnen bedeutende Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen, die sich unter dem Begriff der "sozialen Selbstverwaltung" zusammenfassen lassen (Hueck-Nipperdey, Arbeitsrecht 7. Aufl. II § 11 V S. 191 ff; Nikisch, Arbeitsrecht 2. Aufl. II § 60 S. 43 ff). Aus der Fülle dieser Aufgaben sollen hier nur einige wichtige hervorgehoben werden:
 
 
a) Die Gewerkschaften setzen gemeinsam mit den Arbeitgebern oder deren Vereinigungen durch Tarifverträge zwingendes objektives Recht für die Arbeitsentgelte und sonstigen Arbeitsbedingungen der tarifgebundenen Personen sowie über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen (§§ 1, 2, 4 TVG). Im arbeitsrechtlichen Schlichtungswesen sind sie Parteien des Schlichtungsverfahrens und an dessen Ausgestaltung und Durchführung maßgeblich beteiligt (Hueck-Nipperdey a.a.O. S. 194; § 42 S. 774). Durch das Betriebsverfassungsgesetz sind ihnen zahlreiche Antragsrechte zugebilligt worden (§§ 9 Abs. 2, 15 Abs. 2, 16, 17, 23 BetrVG), ebenso durch das Personalvertretungsgesetz des Bundes (§§ 17 Abs. 2, 19, 20, 22, 26 PersVertrG). Entsprechendes gilt für die Personalvertretungsgesetze der Länder. In den Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie haben die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften das Rocht, einen Teil der in den Aufsichtsrat zu wählenden Arbeitnehmervertreter nach Beratung mit den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften und dem Betriebsrat dem Wahlorgan mit bindender Wirkung vorzuschlagen (§ 6 Abs. 3-5 MitbG). Die übrigen Arbeitnehmervertreter werden dem Wahlorgan durch die Betriebsräte der Betriebe des Unternehmens nach Beratung mit den in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften und deren Spitzenorganisationen vorgeschlagen (§ 6 Abs. 1 MitbG).
 
 
 
b) In arbeits- und wirtschaftsrechtlichen Fragen sind den Gewerkschaften überdies zahlreiche Anhörungs- und Antragsrechte gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung übertragen worden, etwa bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen (§ 5 Abs. 1 TVG), bei der Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (§ 7 des Gesetzes vom 11. Januar 1962 BGBl I, 17), beim Erlaß von Durchführungsbestimmungen zum Tarifvertragsgesetz (§ 10 IVG) und zum Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (§ 16 des Gesetzes), bei der Errichtung der Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichts sowie bei der Berufung der Vorsitzenden der Arbeits- und Landesarbeitsgerichts (§§ 14 Abs. 1, 18, 33, 36 Abs. 1 ArbGG).
 
 
 
c) Die Gewerkschaften entsenden ferner Vertreter in viele Behördengremien. Besonders wichtig erscheint ihre Mitwirkung bei der Selbstverwaltung auf dem Gebiete der Sozialversicherung und in der Arbeitsverwaltung [vgl. §§ 2, 4, 7 des Selbstverwaltungsgesetzes in der Passung von 23. August 1967, BGBl I, 918] (§§ 9, 12 AVAVG). In den Gerichten der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit wirken in allen Rechtszügen neben den Berufsrichtern ehrenamtliche Beisitzer mit, die von den Gewerkschaften vorgeschlagen werden (§§ 6, 16, 20-29, 35, 37, 38, 41, 43, 45 ArbGG; §§ 12, 14 Abs. 2, 35, 46 Abs. 1 SGG).
 
 
 
d) Die veränderte, nunmehr bejahende Haltung von Staat und Gesellschaft zu den Gewerkschaften hat vor allem auch im Grundgesetz Ausdruck gefunden, nämlich in Art. 9 Abs. 3 GG, der das Grundrecht der Koalitionsfreiheit normiert (vgl. dazu BVerfGE 4, 96, 101 f, 106 [BVerfG 18.11.1954 - 1 BvR 629/52];  17, 319, 329, 333 [BVerfG 14.04.1964 - 2 BvR 69/62];  18, 26 [BVerfG 06.05.1964 - 1 BvR 79/62];  19, 303, 312 [BVerfG 30.11.1965 - 2 BvR 54/62];  20, 312, 317 [BVerfG 19.10.1966 - 1 BvL 24/65]; BGHZ 42, 210, 216 [BGH 06.10.1964 - VI ZR 176/63]-217). Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG erklärt ferner alle Maßnahmen für rechtswidrig, welche das Recht der Koalitionsfreiheit einzuschränken oder zu behindern suchen.
 
 
 
Schon die Weimarer Reichsverfassung enthielt in Art. 159 eine dem Art. 9 Abs. 3 GG entsprechende Vorschrift. In Art. 165 Abs. 1 hieß es dort weiter: "Die Arbeiter und Angestellten sind dazu berufen, gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken. Die beiderseitigen Organisationen und ihre Vereinbarungen werden anerkannt". Diese bedeutsamen Sätze gelten auch für das gegenwärtige Verfassungsrecht. Wenn sie im Grundgesetz nicht mehr ausdrücklich formuliert sind, so nur deshalb, weil ihre Geltung inzwischen selbstverständlich geworden und in dem in Art. 9 Abs. 3 GG Gesagten einbegriffen ist (BVerfGE 4, 96, 101 [BVerfG 18.11.1954 - 1 BvR 629/52];  17, 319, 333 [BVerfG 14.04.1964 - 2 BvR 69/62];  18, 18, 26 [BVerfG 06.05.1964 - 1 BvR 79/62]; Nikisch a.a.O. S. 54 ff).
 
 
 
e) Auch im Verfahrensrecht hat der Gesetzgeber Folgerungen aus seiner veränderten Haltung gegenüber den nicht rechtsfähigen Vereinen im allgemeinen und den Gewerkschaften im besonderen gezogen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern und Vereinigungen solcher Vorbände voll parteifähig (§ 10 Satz 1 ArbGG). Sie können dort auch als Prozeßvertreter tätig werden (§ 11 ArbGG). - Fähig, am verwaltungsgerichtlichen Vorfahren beteiligt zu sein, sind sämtliche Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann (§ 61 Nr. 2 VwGO), also auch Gewerkschaften. Das gleiche gilt für das sozialgerichtliche und finanzgerichtliche Verfahren (§ 70 Nr. 2 SGG, § 58 Abs. 2 FGO). Auch im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist die aktive Parteifähigkeit der Gewerkschaften anerkannt (BVerfGE 17, 319, 329) [BVerfG 14.04.1964 - 2 BvR 69/62].
 
 
 
Schließlich ist den Gewerkschaften durch § 98 Abs. 2 Nr. 7 AktG ein Antragsrecht beim ordentlichen Gericht zugestanden worden. Sie dürfen unter gewissen Voraussetzungen eine Entscheidung des Landgerichts darüber beantragen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft zusammenzusetzen ist.
 
 
 
4) Den politischen Parteien, die - ebenso wie die Gewerkschaften - fast durchweg unter der Rechtsform von nicht eingetragenen Vereinen bestehen, hat der Gesetzgeber mit den Parteiengesetz vom 24. Juli 1967 (BGBl I 773) die unbeschränkte aktive und passive prozessuale Parteifähigkeit verliehen (§ 3 aaO).
 
 
 
IV.
 
 
 
1) Der vorstehende Überblick zeigt, daß sich die Stellung der Gewerkschaften in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt hat. Der Gesetzgeber hat sie im Laufe der Zeit mit einer so bedeutsamen Rechtstellung ausgestattet, daß damit eine Versagung der vollen Parteifähigkeit schlechthin nicht mehr vereinbar ist. Sie sind in unserer heutigen Gesellschaftsordnung wichtige und mit zahlreichen Aufgaben betraute Vorbände. Zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben müssen sie einen großen persönlichen und sachlichen Apparat unterhalten. Die Führung von Prozessen vor den ordentlichen Gerichten ist bei dieser Sachlage unvermeidlich. Der den Gewerkschaften vom Gesetzgeber im Laufe der Zeit in zunehmendem Maße übertragenen materiellen Rechtsstellung muß notwendigerweise im Verfahrensrecht die volle prozessuale Parteifähigkeit entsprechen, wenn die Gewerkschaften voll in der Lage sein sollen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Eine einseitig "verkrüppelte", nämlich auf die Passivseite beschränkte Parteifähigkeit, wie sie sich aus § 50 ZPO im Wege des Umkehrschlusses ergibt, würde mit der jetzigen materiellen Gesetzeslage in unlösbarem Widerspruch stehen.
 
 
 
2) Daß es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, den Gewerkschaften volle Parteifähigkeit zu gewähren, ergibt sich auch daraus, daß in allen übrigen Gerichtszweigen nach den jetzt dort geltenden Verfahrensgesetzen den Gewerkschaften die volle Parteifähigkeit zusteht, wie bereits oben zu III 3 e dargelegt ist. Auch die in § 3 des Parteiengesetzes getroffene Regelung (vgl. oben zu III 4) zeigt, daß der Gesetzgeber die - in ähnlicher Lage wie die Gewerkschaften befindlichen - politischen Parteien, die ebenfalls durchweg als nicht im Vereinsregister eingetragene Vereine organisiert sind, inzwischen mit voller Parteifähigkeit ausgestattet hat.
 
 
 
3) Der Umstand, daß der Gesetzgeber bisher davon abgesehen hat, die volle Parteifähigkeit der Gewerkschaften vor den ordentlichen Gerichten ausdrücklich auszusprechen, rechtfertigt nicht den Umkehrschluß, er wolle sie ihnen andere als den politischen Parteien bewußt auch weiterhin vorenthaltene Dafür spricht nichts, dagegen alles. Die Untätigkeit des Gesetzgebers in diesem Punkte kann vielerlei andere Gründe haben. Daß er bei den politischen Parteien eine ausdrückliche Entscheidung getroffen hat, beruht darauf, daß er gemäß einem ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes (Art. 21 Abs. 3) deren Rechtsverhältnisse im Zusammenhang zu regeln hatte.
 
 
 
4) Es ergibt sich somit, daß der bisher von der Rechtsprechung auch bei Gewerkschaften gezogene Umkehrschluß aus § 50 ZPO (keine aktive Parteifähigkeit) infolge einer materiellen Derogation durch den Gesetzgeber, die in der gesamten gewerkschaftsrechtlichen Gesetzgebung zu sehen ist, heute nicht mehr gezogen werden darf (vgl. Mayer-Maly, Über die Rechtsstellung der Gewerkschaften in "Deutsche Landesreferate zum VII. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Uppsala 1966", S. 374, 378; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit S. 186-216). Eine Beschränkung der Gewerkschaften auf die passive Parteifähigkeit ist mit dem Wertsystem der geltenden materiellen Rechtsordnung nicht mehr vereinbare Sie wird der seit Anfang dieses Jahrhunderts fortschreitend vollzogenen sozialen und vor allem Rechtsentwicklung nicht mehr gerecht. (vgl. auch BGHZ 26, 349;  35, 363, 367 [BGH 19.09.1961 - VI ZR 259/60];  39, 124, 131 [BGH 05.03.1963 - VI ZR 55/62]; dazu Hauß LM Nr. 18 und 23 zu § 847 BGB)."<ref>{{BGH VII ZR 63/66}} Abs. 9 ff.</ref>
 
  
 
==Normen==
 
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* {{GG 19}} Abs. 3
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* {{GG 19}} Abs. 3: Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
  
 
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* {{BGB 54}}
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* {{BGB 54}}: Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die [[Gesellschaft]] Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als [[Gesamtschuldner]].
  
 
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==={{BGH}}===
 
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* {{BGH II ZR 111/05}}:
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**"1. Der nicht rechtsfähige Verein ist aktiv parteifähig.
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**2. a) Einer rechtlich unselbständigen Untergliederung eines eingetragenen Vereins fehlt das Feststellungsinteresse, von dessen Mitgliedern gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Die Beschlussanfechtung setzt auch im Vereinsrecht grundsätzlich voraus, dass das klagende Mitglied dem Verein sowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung als auch dem der Rechtshängigkeit angehört. b) Ist der Gegenstand der Beschlussfassung in der Einladung zu einer Mitgliederversammlung nicht oder so ungenau bestimmt, dass den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung der Versammlung und eine Entscheidung, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen, nicht möglich ist, so sind die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse nichtig."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
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* {{BGH II ZR 153/02}}:
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**"Zur Anwendbarkeit von § 54 Satz 2 BGB auf Verträge zwischen einem nicht rechtsfähigen Verein und einem seiner Mitglieder."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
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* {{BGH II ZR 331/00}}:
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**"a) Die (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet.
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**b) In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktiv- und passiv parteifähig.
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**c) Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters derjenigen bei der OHG (Akzessorietät) – Fortführung von BGHZ 142, 315."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
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* {{BGH II ZR 385/98}}:
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**"a) Ein im Gründungsstadium befindlicher, nichtrechtsfähiger [[kommunaler Zweckverband]] kann – trotz Fehlens entsprechender Regelungen in öffentlich-rechtlichen Normen des Zweckverbandsrechts – bei Teilnahme am Privatrechtsverkehr Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten, insbesondere Partei eines privatrechtlichen Vertrages, sein. Auf ihn findet hinsichtlich einer solchen privatrechtlichen Betätigung – je nach dem Grad der körperschaftlichen Verselbständigung – das Recht der [[Gesellschaft bürgerlichen Rechts]] oder des [[Nichtrechtsfähiger Verein|nichtrechtsfähigen]] [[Wirtschaftlicher Verein|wirtschaftlichen Vereins]] Anwendung.
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**b) Die Gründungsmitglieder eines gescheiterten öffentlich-rechtlichen Zweckverbandes haften für dessen im Gründungsstadium begründete Darlehensverbindlichkeiten wie Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft oder diesen gemäß § 54 Satz 1 BGB gleichgestellte Mitglieder eines wirtschaftlichen Vorvereins unbeschränkt und gesamtschuldnerisch.""<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
 
* {{BGH II ZR 168/83}}: [[Untergliederung|Untergliederungen]] eines Vereins können die Rechtsform eines [[nicht-rechtsfähiger Verein|nicht-rechtsfähigen Vereins]] haben, wenn sie auf Dauer Aufgaben nach außen im eigenen Namen durch eine eigene, dafür handlungsfähige Organisation wahrnehmen. Nicht erforderlich ist, daß Zweck und Organisation der Untergliederung in einer von dieser beschlossenen Satzung festgelegt sind; sie können sich auch aus der Satzung des Hauptvereins ergeben.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
 
* {{BGH II ZR 168/83}}: [[Untergliederung|Untergliederungen]] eines Vereins können die Rechtsform eines [[nicht-rechtsfähiger Verein|nicht-rechtsfähigen Vereins]] haben, wenn sie auf Dauer Aufgaben nach außen im eigenen Namen durch eine eigene, dafür handlungsfähige Organisation wahrnehmen. Nicht erforderlich ist, daß Zweck und Organisation der Untergliederung in einer von dieser beschlossenen Satzung festgelegt sind; sie können sich auch aus der Satzung des Hauptvereins ergeben.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
* {{BGH VII ZR 63/66}}
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* {{BGH II ZR 141/78}}: "Zur Anwendung des {{BGB 39}} Abs. 2 auf nichtrechts­fähige Vereine."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
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* {{BGH VII ZR 63/66}}:
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**"1. Wer einem Geschäft, das für einen nicht rechts­fähigen Verein vorgenommen wird, als Vereins­mitglied oder auch als Vorstandsmitglied ledig­lich im Innenverhaltnis des Vereins zustimmt, ist jedenfalls dann nicht Handelnder im Sinne des § 54 BGB, wenn der Zweck des Vereines nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ge­richtet ist (sog.  Idealverein)
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**2. Auch bei einem nicht rechtsfähigen Verein,  dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­betrieb gerichtet ist  (sog.  Idealverein), gilt die für Mitglieder anerkannte Haftungsbeschränkung jedenfalls dann nicht für Personen,  die erkennbar für den Verein handeln, wenn sie für ein Verschul­den bei Vertragsschluss einzustehen haben.
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**3. zum Begriff des "Handelns” für einen nicht rechtsfähigen Verein.
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**4. zur Anwendung der Haftungsgrundsätze für juristi­sche Personen auch auf nicht rechtsfähige Vereine.<ref>Amtliche Leitsätze 1 bis 4</ref>
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* {{BGH VIII ZR 202/56}}:
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**1. Wer einem Geschäft, das für einen nicht rechts­fähigen Verein vorgenommen wird, als Vereins­mitglied oder auch als Vorstandsmitglied ledig­lich im innenverhaltnis des Vereins zustimmt, ist jedenfalls dann nicht Handelnder im Sinne des § 54 BGB, wenn der Zweck des Vereines nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ge­richtet ist (sog. [[Idealverein]]);
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**2. Auch bei einem nicht rechtsfähigen Verein,  dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­betrieb gerichtet ist (sog. Idealverein), gilt die für Mitglieder anerkannte Haftungsbeschränkung jedenfalls dann nicht für Personen,  die erkennbar für den Verein handeln, wenn sie für ein Verschul­den bei VertragsSchluß einzustehen haben.
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**3. Zum Begriff des "Handelns” für einen nicht rechtsfähigen Verein.
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**4. Zur Anwendung der Haftungsgrundsätze für juristi­sche Personen auch auf nicht rechtsfähige Vereine.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
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===Oberverwaltungsgerichte===
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* {{VGH Baden-Württemberg 1 S 1377/96}}: "Ein Vorstandsmitglied eines nicht rechtsfähigen Vereines haftet für die Kosten eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, wenn es eine Prozeßvollmacht für ein Verfahren unterzeichnet, in dem sich der Verein erfolglos gegen ein Vereinsverbot wehrt."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  
 
==={{BayObLG}}===
 
==={{BayObLG}}===
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===Landgerichte===
 
===Landgerichte===
* {{LG München I 9 O 4751/06}}: [[Gegendarstellungsanspruch]] des Ortsvereins einer politischen Partei
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* {{LG München I 9 O 4751/06}}: [[Gegendarstellungsanspruch]] des [[Ortsverein|Ortsvereins]] einer politischen Partei
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* {{LG Münster 9 S 84/97}}
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==Publikationen==
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===Fachbücher===
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* {{ISBN 9783452252548}}
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===Fachaufsätze===
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* Volker '''Beuthien''', Wer sind die Handelnden? Warum und wie lange müssen sie haften?, – Zu Sinn, Inhalt, Reichweite und Dauer der [[Handelndenhaftung]] –, [[GmbHR 2013, 1]]-17: "Die Handelndenhaftung wirft vielfältige Probleme auf, die seit alters her umstritten sind und immer noch uneinheitlich gelöst werden. Untersucht werden daher der Zurechnungsgrund, der Zweck, der Gegenstand und die Dauer der Handelndenhaftung, ihr Verhältnis zur Haftung der Vereinigung und der Vereinigungsmitglieder sowie ob und inwieweit die persönliche Haftung der Handelnden innerhalb des Gesellschaftsrechtssystems weiterhin sinnvoll ist. Letzteres wird im Interesse des im Rechtsverkehr unverzichtbaren Verhandlungsvertrauens bejaht."<ref>Quelle: https://www.gmbhr.de/29690.htm - abgerufen am 27.05.2020 um 11:44 Uhr</ref>
 +
* Dieter  '''Reuter''', Persönliche Haftung für Schulden des nichtrechtsfähigen Idealvereins, [[NZG 2004, 217]]
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* '''Alberts''', Der bestechliche Fußballspieler. JuS 1972, 590
  
 
==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
 +
* [[Gewohnheitsrecht]]
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* [[Handelndenhaftung]]
 +
* [[Parteifähigkeit]]
 
* [[Verein]]
 
* [[Verein]]
 
** [[eingetragener Verein]]
 
** [[eingetragener Verein]]
 
* [[Untergliederung]]
 
* [[Untergliederung]]
 +
* [[Fraktion]]
  
 
==Fußnoten==
 
==Fußnoten==

Aktuelle Version vom 3. Juni 2020, 10:23 Uhr

Die Vorschrift des BGB § 54 Satz 1 wird als historisch überholt angesehen. Auf den nichtrechtsfähigen Idealverein findet Vereinsrecht Anwendung mit Ausnahme der Vorwschriften, die Rechtsfähigkeit voraussetzen<ref>Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005, § 54 Rn. 1</ref> Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines nicht rechtsfähigen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet nach BGB § 54 Satz 2 der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann nach ZPO § 50 Abs. 2 klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Vorverein

Der Vorverein ist ein nicht rechtsfähiger Verein.<ref>BayObLG, Beschluss vom 26.01.1972 - BReg. 2 Z 135/71</ref> Als Vorstufe kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehen.<ref>Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005 § 21 Rn. 12</ref>

Parteifähigkeit

Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann nach ZPO § 50 Abs. 2 klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Anwendbarkeit von Vereinsrecht auf den nicht rechtsfähigen Verein


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Die Vorschrift des BGB § 54 Satz 1 ist vor dem historischen Hintergrund des Misstrauens gegenüber Gewerkschaften überholt. Der Gesetzgeber verfolgte seinerzeit das voreinspolizeiliche Ziel, auch über das Zivilrecht Komntrolle über die aufstrebenden Gewerkschaften auszuüben. Die nichtrechtsfähigen Vereine unterstellte der Gesetzgeber dem Gesellschaftsrecht (BGB § 54), obwohl dies ihrer körperschaftlichen Struktur und ihren Bedürfnissen nicht entspricht. Dadurch erstrebte er, sie am Erwerb eines größeren Vermögens zu hindern und ihre gesellschaftliche Einflußmöglichkeit zu schwächen.<ref>(Mugdan, Materialien zum BGB I S. 401, 637, 640; Staudinger-Coing BGB 11. Aufl. § 54 Rz. 1; Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Teil II 2 S. 168 ff; Habscheid AcP 155 S. 375, 379 ff; Stoll, Die Reichsgerichtspraxis im Deutschen Rechtsleben II, 1929, S. 50 ff; Enneccerus-Nipperdey, BGB Allgemeiner Teil I 15. Aufl. § 116; Fabricius, Relativität der Rechtsfälligkeit, 1963 S. 187 ff)</ref>. Haftungsrechtlich hat die herrschende Lehre in entsprechender Anwendung des BGB § 31 dem nichtrechtsfähigen Verein als solchen die Handlungen seiner Organe und Hilfspersonen zugerechnet und die Mitglieder von der im Gesellschaftsrecht vorgesehenen gesamtschuldnerischen Haftung freigestellt<ref>(Schumann, Zur Haftung der nichtrechtsfähigen Vereine, 1956 S. 33 ff, 58; Habscheid AcP 155, 407 ff, Denecke in RGR-Kommentar 11. Aufl. § 54 Anm. 15; Soergel-Siebert a.a.O. § 54 Rd. Nr. 54; Fabricius a.a.O. S. 192; Enneccerus-Nipperdey aaO, § 116 S. 708 ff; Wapler NJW 1961, 439 [BGH 21.12.1960 - VIII ZR 214/59]; vgl. auch BGHZ 42, 216 [BGH 06.10.1964 - VI ZR 176/63]; a.A. Palandt-Danckelmann, BGB, 27. Aufl. § 54 Anm. 2) A) im Anschluß an RGZ 143, 212)</ref>. Die veränderte, nunmehr bejahende Haltung von Staat und Gesellschaft zu den Gewerkschaften hat vor allem auch im Grundgesetz Ausdruck gefunden, nämlich in Art. 9 Abs. 3 GG, der das Grundrecht der Koalitionsfreiheit normiert<ref>(vgl. dazu BVerfGE 4, 96, 101 f, 106 [BVerfG 18.11.1954 - 1 BvR 629/52]; 17, 319, 329, 333 [BVerfG 14.04.1964 - 2 BvR 69/62]; 18, 26 [BVerfG 06.05.1964 - 1 BvR 79/62]; 19, 303, 312 [BVerfG 30.11.1965 - 2 BvR 54/62]; 20, 312, 317 [BVerfG 19.10.1966 - 1 BvL 24/65]; BGHZ 42, 210, 216 [BGH 06.10.1964 - VI ZR 176/63]-217)</ref>. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG erklärt ferner alle Maßnahmen für rechtswidrig, welche das Recht der Koalitionsfreiheit einzuschränken oder zu behindern suchen. Der BGH entschied in , dass eine Beschränkung der Gewerkschaften auf die passive Parteifähigkeit mit dem Wertsystem der geltenden materiellen Rechtsordnung nicht mehr vereinbar ist. Sie wird der seit Anfang dieses Jahrhunderts fortschreitend vollzogenen sozialen und vor allem Rechtsentwicklung nicht mehr gerecht.<ref>(vgl. auch BGHZ 26, 349; 35, 363, 367 [BGH 19.09.1961 - VI ZR 259/60]; 39, 124, 131 [BGH 05.03.1963 - VI ZR 55/62]; dazu Hauß LM Nr. 18 und 23 zu § 847 BGB)</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 11.07.1968 - VII ZR 63/66 = BGHZ 50, 325 Abs. 9 ff.</ref> Die Frage, ob die volle Parteifähigkeit etwa nicht nur für Gewerkschaften, sondern für alle nichtrechtsfähigen Vereine, oder jedenfalls für solche mit sehr großer Mitgliederzahl ("Massenorganisationen") zu bejahen ist (vgl. dazu Wapler, NJW 1961, 439 [BGH 21.12.1960 - VIII ZR 214/59]; Fabricius a.a.O. S. 187 ff;. 216-217), ließ der BGH<ref>BGH, Urteil vom 11.07.1968 - VII ZR 63/66 = BGHZ 50, 325 Abs. 9 ff.</ref> zunächst offen.

Seit BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69 ist in der BGH-Rechtsprechung anerkannt, dass der nicht rechtsfähige Verein aktiv parteifähig ist. Dies wurde mit dem Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen vom 24.09.2009 auch in ZPO § 50 Abs. 2 ausdrücklich verankert.

Untergliederung eines eingetragenen Vereins

Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Untergliederung eines eingetragenen Vereins als nicht rechtsfähiger Verein anzusehen, "wenn er auf Dauer Aufgaben nach außen im eigenen Namen durch eine eigene, handlungsfähige Organisation wahrnimmt<ref>(BGHZ 90, 331, 333)</ref>. Die Untergliederung muss eine körperschaftliche Verfassung besitzen, einen Gesamtnamen führen, vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig sein und neben ihrer unselbständigen Tätigkeit für den Hauptverein Aufgaben auch eigenständig wahrnehmen<ref>(Senat aaO 332; BGHZ 73, 275, 278; BGH, Urt. v. 21. März 1972 – VI ZR 157/70, LM ZPO § 50 Nr. 25)</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69 Abs. 86</ref>

Normen

Grundgesetz (GG)

  • GG Art. 19 Abs. 3: Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • BGB § 54: Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner.

Zivilprozessordnung (ZPO)

  • ZPO § 50 Abs. 2: Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Rechtsprechung

Reichsgericht (RG)

  • RG, Urteil vom 18.01.1934 - IV 369/33 = RGZ 143, 213: "1. Haftet die Gesamtheit der Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Vereins, wenn sie sich zur Erfüllung einer gegenüber einem Mitglied bestehenden Vereinsverpflichtung des Vorstandes bedient, für dessen fahrlässige Nichtbeachtung der im Verkehr erforderlichen oder nur der Sorgfalt, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt? 2. Kann § 708 BGB. durch die Vereinssatzung auch stillschweigend ausgeschlossen werden?"<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>

Bundesgerichtshof (BGH)

  • BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69:
    • "1. Der nicht rechtsfähige Verein ist aktiv parteifähig.
    • 2. a) Einer rechtlich unselbständigen Untergliederung eines eingetragenen Vereins fehlt das Feststellungsinteresse, von dessen Mitgliedern gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Die Beschlussanfechtung setzt auch im Vereinsrecht grundsätzlich voraus, dass das klagende Mitglied dem Verein sowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung als auch dem der Rechtshängigkeit angehört. b) Ist der Gegenstand der Beschlussfassung in der Einladung zu einer Mitgliederversammlung nicht oder so ungenau bestimmt, dass den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung der Versammlung und eine Entscheidung, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen, nicht möglich ist, so sind die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse nichtig."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 30.06.2003 - II ZR 153/02 = NJW-RR 2003, 1265:
    • "Zur Anwendbarkeit von § 54 Satz 2 BGB auf Verträge zwischen einem nicht rechtsfähigen Verein und einem seiner Mitglieder."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 29.01.2001 - II ZR 331/00 = BGHZ 146, 341, NJW 2001, 1056:
    • "a) Die (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet.
    • b) In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktiv- und passiv parteifähig.
    • c) Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters derjenigen bei der OHG (Akzessorietät) – Fortführung von BGHZ 142, 315."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 18.12.2000 - II ZR 385/98 = NJW 2001, 748:
    • "a) Ein im Gründungsstadium befindlicher, nichtrechtsfähiger kommunaler Zweckverband kann – trotz Fehlens entsprechender Regelungen in öffentlich-rechtlichen Normen des Zweckverbandsrechts – bei Teilnahme am Privatrechtsverkehr Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten, insbesondere Partei eines privatrechtlichen Vertrages, sein. Auf ihn findet hinsichtlich einer solchen privatrechtlichen Betätigung – je nach dem Grad der körperschaftlichen Verselbständigung – das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder des nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins Anwendung.
    • b) Die Gründungsmitglieder eines gescheiterten öffentlich-rechtlichen Zweckverbandes haften für dessen im Gründungsstadium begründete Darlehensverbindlichkeiten wie Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft oder diesen gemäß § 54 Satz 1 BGB gleichgestellte Mitglieder eines wirtschaftlichen Vorvereins unbeschränkt und gesamtschuldnerisch.""<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 19.03.1984 - II ZR 168/83 (DLRG) = BGHZ 90, 331: Untergliederungen eines Vereins können die Rechtsform eines nicht-rechtsfähigen Vereins haben, wenn sie auf Dauer Aufgaben nach außen im eigenen Namen durch eine eigene, dafür handlungsfähige Organisation wahrnehmen. Nicht erforderlich ist, daß Zweck und Organisation der Untergliederung in einer von dieser beschlossenen Satzung festgelegt sind; sie können sich auch aus der Satzung des Hauptvereins ergeben.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 02.04.1979 - II ZR 141/78 = NJW 1979, 2304: "Zur Anwendung des BGB § 39 Abs. 2 auf nichtrechts­fähige Vereine."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 11.07.1968 - VII ZR 63/66 = BGHZ 50, 325:
    • "1. Wer einem Geschäft, das für einen nicht rechts­fähigen Verein vorgenommen wird, als Vereins­mitglied oder auch als Vorstandsmitglied ledig­lich im Innenverhaltnis des Vereins zustimmt, ist jedenfalls dann nicht Handelnder im Sinne des § 54 BGB, wenn der Zweck des Vereines nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ge­richtet ist (sog. Idealverein)
    • 2. Auch bei einem nicht rechtsfähigen Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­betrieb gerichtet ist (sog. Idealverein), gilt die für Mitglieder anerkannte Haftungsbeschränkung jedenfalls dann nicht für Personen, die erkennbar für den Verein handeln, wenn sie für ein Verschul­den bei Vertragsschluss einzustehen haben.
    • 3. zum Begriff des "Handelns” für einen nicht rechtsfähigen Verein.
    • 4. zur Anwendung der Haftungsgrundsätze für juristi­sche Personen auch auf nicht rechtsfähige Vereine.<ref>Amtliche Leitsätze 1 bis 4</ref>
  • BGH, Urteil vom 21.05.1957 - VIII ZR 202/56 = NJW 1957, 1186:
    • 1. Wer einem Geschäft, das für einen nicht rechts­fähigen Verein vorgenommen wird, als Vereins­mitglied oder auch als Vorstandsmitglied ledig­lich im innenverhaltnis des Vereins zustimmt, ist jedenfalls dann nicht Handelnder im Sinne des § 54 BGB, wenn der Zweck des Vereines nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ge­richtet ist (sog. Idealverein);
    • 2. Auch bei einem nicht rechtsfähigen Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­betrieb gerichtet ist (sog. Idealverein), gilt die für Mitglieder anerkannte Haftungsbeschränkung jedenfalls dann nicht für Personen, die erkennbar für den Verein handeln, wenn sie für ein Verschul­den bei VertragsSchluß einzustehen haben.
    • 3. Zum Begriff des "Handelns” für einen nicht rechtsfähigen Verein.
    • 4. Zur Anwendung der Haftungsgrundsätze für juristi­sche Personen auch auf nicht rechtsfähige Vereine.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>

Oberverwaltungsgerichte

Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG)

Landgerichte

Publikationen

Fachbücher

Fachaufsätze

  • Volker Beuthien, Wer sind die Handelnden? Warum und wie lange müssen sie haften?, – Zu Sinn, Inhalt, Reichweite und Dauer der Handelndenhaftung –, GmbHR 2013, 1-17: "Die Handelndenhaftung wirft vielfältige Probleme auf, die seit alters her umstritten sind und immer noch uneinheitlich gelöst werden. Untersucht werden daher der Zurechnungsgrund, der Zweck, der Gegenstand und die Dauer der Handelndenhaftung, ihr Verhältnis zur Haftung der Vereinigung und der Vereinigungsmitglieder sowie ob und inwieweit die persönliche Haftung der Handelnden innerhalb des Gesellschaftsrechtssystems weiterhin sinnvoll ist. Letzteres wird im Interesse des im Rechtsverkehr unverzichtbaren Verhandlungsvertrauens bejaht."<ref>Quelle: https://www.gmbhr.de/29690.htm - abgerufen am 27.05.2020 um 11:44 Uhr</ref>
  • Dieter Reuter, Persönliche Haftung für Schulden des nichtrechtsfähigen Idealvereins, NZG 2004, 217
  • Alberts, Der bestechliche Fußballspieler. JuS 1972, 590

Siehe auch

Fußnoten

<references/>