Stellungnahme des Bürgervereins vom 5.7.2016 zur 3. Änderung des Bebauungsplans Seewiese

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Eine gute politische Entscheidung hat nach Ansicht des Bürgervereins drei wesentliche Voraussetzungen:

  • Erstens muss das Verfahren korrekt sein.
  • Zweitens dürfen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung bestehen.
  • Drittens muss die eigentliche politische Entscheidung ohne Hast, mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand getroffen werden. (... weiterlesen)

Verfahren

1. Akt

Vorliegend begann das Verfahren unserer Ansicht nach schon mit einem Rechtsverstoß. Die – nichtöffentliche - Stadtratssitzung vom 1.3.2016 stellte nach unserer Auffassung einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz der Bayerischen Gemeindeordnung dar. Eine ausreichende öffentliche Meinungsbildung wurde daher nicht ermöglicht.

Im Vorfeld haben die Regierung von Oberfranken und der Städteplaner Herr U. unter Gesichtspunkten vor allem der Integrierten Stadtenwicklung Stellungnahmen abgegeben.

Beide Stellungnahmen waren nach meiner Erinnerung ablehnenden Charakters.

Wir haben Frau S. von der Regierung von Oberfranken so verstanden, dass die Bebauungsplanänderung nicht den Zielen des ISEK entspreche. Es wurde vor einem Wegfall der Städtebauförderung gewarnt. Eine Fortschreibung des ISEK wurde nach unserer Wahrnehmung als erforderlich angesehen. Die Fortschreibung des ISEK wurde nicht als Kleinigkeit dargestellt, sondern wir haben die Regierung von Oberfranken so verstanden, dass die Umschreibung oder Neuschreibung des ISEK mindestens ein Jahr dauern würde und mit Kompensationsmaßnahmen möglicherweise in Millionenhöhe (Brücke oder Unterführung zur Innenstadtanbindung) zu rechnen wäre.

Nach Ansicht des Städteplaners Herrn U. würde auch ein neuer Planer für ein Einzelhandelskonzept erforderlich. Er werde als Planer diesen Auftrag nicht übernehmen. Dies wird sicher andere Gründe haben als den Grund, dass sein bisheriges Konzept in Frage gestellt würde.

In der Süddeutschen Zeitung vom 26. Juni 2016 war gerade zu lesen, dass der Einzelhandel aus den deutschen Innenstädten verschwindet, weil die Deutschen zunehmend im Internet einkaufen. Andere Städte setzen auf digitale Gründerzentren. Burgkunstadt soll also seine Stadtentwicklung auf einem Einzelhandelskonzept aufbauen?

Auch Herr U. ließ nach unserer Wahrnehmung keinen Zweifel darüber aufkommen, was er von dem Plan hielt. Eine Bebauungsplanänderung kann man nicht mehr stoppen, sobald der Eigentümer ein Baurecht hat. Die Wegzugsandrohung der Betriebe in der Au, sagte Herr U. nach meiner Erinnerung, sei nach seiner Erfahrung ein Nebenkriegsschauplatz und man sollte das nicht allzu ernst nehmen. Letztlich haben wir die Aussage von Herrn U. als Warnung interpretiert, dass mit dieser Bebauungsplanänderung sowohl die Ziele des ISEK unterlaufen würden als auch das Gewerbegebiet in der Au binnen absehbarer Zeit mehr oder weniger ausbluten würde. Herr U. warnte in diesem Zusammenhang meiner Erinnerung nach auch vor Folgekosten.

2. Akt

Nun erfahren wir also, dass sich am 21. Juni in der Regierung von Oberfranken eine Art Krisenstab konstituiert hat. An dem Krisenstab nahmen immerhin der ehemalige bayerische Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein, die Regierungspräsidentin Frau Piwernetz, der Landrat Meißner und verschiedene andere bedeutende Vertreter teil.

Die Regierung von Oberfranken vertritt also nun plötzlich die Auffassung, wenn ich das richtig verstehe, dass das doch eigentlich alles eine gar nicht so schlechte Idee sei.

Es spielt bei der wundersamen Läuterung der Regierung sicher keinerlei Rolle, dass die neue Regierungspräsidenten die frühere persönliche Referentin des damaligen Innenministers Dr. Günther Beckstein (CSU) im Innenministerium war. Wir gehen unvoreingenommen davon aus, dass die Regierungspräsidentin es einfach besser kann als die bisher mit der Sache befassten Beamten der Regierung. Sonst wäre sie ja wahrscheinlich nicht Präsidentin geworden.

Auch das mit den Kosten war für die Stadt Burgkunstadt äußerst komfortabel angedacht. Der Stadt sollten nach unserer usprünglichen Sitzungsvorlage für das Standortgutachten und die ISEK-Fortschreibung keinerlei Kosten entstehen. Der Nutznießer der Bebauungsplanänderung hätte alles bezahlen sollen. Immerhin: hier kam nun nachträglich die Meldung, dass die Regierung auf Objektivität und Unabhängigkeit des Gutachters bestehen müsse. Die Stadt müsse die nicht förderfähigen Kosten des Gutachtens also doch lieber selbst tragen.

Das übliche Verfahren einer Bebauungsplanänderung läuft nach meinen Recherchen so ab, dass der Stadtrat öffentlich über eine Bebauungsplanänderung berät. Dann trifft der Stadtrat einen Beschluss, auf dessen Basis ein Planentwurf erstellt wird.

Vorliegend gab es bis dato weder eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema noch einen entsprechenden Stadtratsbeschluss. Es liegt aber immerhin schon ein Planentwurf vor. Auf unsere Frage an die Stadtverwaltung, wer denn diesen in Auftrag gegeben und bezahlt habe, bekamen wir zur Antwort, dass dies seitens des Eigentümers der von der Bebauungsplanänderung profitierenden Fläche erfolgte. Dieser hat also den Architekten schon mit der Planänderung beauftragt und bezahlt.

Das Ergebnis des Standortgutachtens will man natürlich auch nicht erst einmal abwarten, sondern gleich den Beschluss über die Bebauungsplanänderung fassen.

Rechtmäßigkeit

Damit kommen wir direkt zu zwei sich aufdrängenden Fragen der Rechtmäßigkeit.

Die 1. Frage lautet: Könnte es sich hier um eine sogenannte Gefälligkeitsplanung handeln?

Eine solche Gefälligkeitsplanung kann vorliegen, wenn nur ein einziger Grundstückseigentümer von einer Bebauungsplanänderung profitiert und die Bebauungsplanänderung städtebaulich nicht wirklich erforderlich ist.

Die 2. Frage lautet: Können sich haftungsrechtliche Konsequenzen aus einer Beschlussfassung über eine Bebauungsplanänderung ergeben?

Die Ausgangsmeinung der Regierung und die Meinung des Städteplaners könnte man nach unserer Wahrnehmung durchaus so verstehen, dass die Bebauungsplanänderung nicht nur nicht erforderlich, sondern aus städteplanerischer Sicht sogar erst einmal kontraproduktiv wäre.

Mit einer Bebauungsplanänderung wird der jetzige Eigentümer vermutlich mit einem Schlag um eine große Summe Geld reicher. Begründung: Er erzielt nicht mehr keine oder niedrigere Mietpreise für aktuell leerstehende Lagerflächen, sondern höhere Mietpreise für vermietete Ladenflächen.

Haben wir es richtig verstanden, dass das, was der profitierende Eigentümer dazu gewinnt, teilweise den gewerblichen Vermietern im Gewerbegebiet In der Au weggenommen wird? Diese haben schon einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, im Gewerbegebiet Seewiese sollen diese Flächen aber erst geschaffen werden.

Es muss daher die Frage erlaubt sein, ob mit einem entsprechenden Beschluss in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der gewerblichen Vermieter in der Au eingegriffen wird? Handelt es sich ggf. sogar um eine unzulässige Maßnahme der Einzelwirtschaftsförderung? Die Stadt darf keine direkte Wirtschaftsförderung betreiben, sondern nur mittelbare Wirtschaftsförderung, die grundsätzlich allen Gewerbetreibenden im Stadtgebiet zugute kommen kann.

Könnte der Umstand, dass

  • das Standortgutachten ursprünglich von Privat finanziert werden sollte,
  • der Architekt vom Eigentümer der überplanten Flächen bezahlt wird und
  • die ISEK-Fortschreibung vom Eigentümer finanziert werden soll,

Zweifel an der Sachgerechtigkeit der Entscheidung aufkommen lassen?

Ein Amtsträger, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten (dies kann auch die Stadt selbst sein) fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, macht sich unter bestimmten Umständen strafbar.

Ich bin kein Kommunalrechts- oder Strafrechtsexperte. Meine juristischen Fähigkeiten reichen aber hier so weit, dass ich Risiken erkennen kann. Auf diese Risiken muss ich als Rechtsanwalt nach der Gemeindeordnung hinweisen. Dies habe ich hiermit getan. Mein Rat ist: klären Sie diese Fragen durch erfahrene Fachanwälte vor einer Entscheidung und nicht erst, wenn es zu spät ist.

Niemand kann die Stadt zu einer Bebauungsplanänderung zwingen. Solange die Stadt keinen Beschluss fasst, kann sie auch nicht haften. Haftungsrisiken entstehen meiner Meinung aber mit der Beschlussfassung. Es sollte also mit ruhiger Hand und Augenmaß vorab eine rechtssichere Klärung dieser offenen Fragen angestrebt werden.

Politische Entscheidung

Die Stadt arbeitet seit mehr als 4 Jahren an dem ISEK. Sie hat Bürger in eine Lenkungsgruppe berufen, es fanden öffentliche Veranstaltungen und zahlreiche Stadtratssitzungen zum ISEK statt. Auch wenn die Bürgerbeteiligung besser hätte sein können, sind wir doch unseren Bürgern gerade wegen dieser langen Vorgeschichte ein ordentliches Verfahren schuldig. Mindestens die Lenkungsgruppe sollte hier vor einer Beschlussfassung einbezogen werden. Wir sollten gut prüfen, ob und inwieweit vier Jahre Arbeit in Frage gestellt werden. Wir sollten den beteiligten Bürgern vermitteln, dass wir Ihre Arbeit wertschätzen. Wir sollten das Risiko des öffentlichen Eindrucks überhasteter Entscheidungen vermeiden.

Beschlussantrag

Der Bürgerverein stellt daher den Antrag,

die Tagesordnungspunkte 2 und 3 zu vertagen und die hier aufgeworfenen Rechtsfragen vorab durch ausgewiesene Fachanwälte prüfen zu lassen. Wenn die Fragen geklärt sind und sich als eindeutig risikofrei erwiesen haben, ist unter Anhörung der Lenkungsgruppe erst über die Einholung eines Standortsgutachtens zu beraten, dann ggf. das Ergebnis des Standortgutachtens abzuwarten. Dieses ist dann unter Einbeziehung der Lenkungsgruppe im Stadtrat zu behandeln. Erst dann ist ein Beschluss zu fassen, ob man den Bebauungsplan ändern will oder nicht.

Das Thema ist zur politischen Entscheidung nicht entscheidungsreif.

Wir beantragen namentliche Abstimmung und Protokollierung.

Siehe auch