Vergabe an Generalunternehmer

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Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen (nur dann) zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (GWB § 97 Abs. 4 Satz 3; VOB/A § 5 Abs. 2 Satz 2; VOB/A § 5 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 3).

Sofern öffentliche Auftraggeber nach diesen Vorschriften verfahren, haben sie aktenkundig zu begründen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind<ref>(vgl. BT-Drucksache 16/10117 vom 13.08.2008, zu Nr. 2 (§ 97) a)</ref>.<ref>VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.08.2014 - VgK-22/2014</ref>

Losweise Vergabe

"Nach GWB § 97 Abs. 3 Satz 1 sind mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind gemäß § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern, § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB. Eine wortgleiche Regelung enthält § 2 Abs. 2 VOL/A-EG.

Die genannten Vorschriften zum Gebot der Losbildung bei öffentlichen Aufträgen dienen nicht nur dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen und effektiven Verwendung öffentlicher Mittel, sondern zugleich dem wirtschaftspolitischen Ziel der Mittelstandsförderung, da es hierdurch auch kleineren und stärker spezialisierten Unternehmen ermöglicht wird, sich an dem Wettbewerb der Bieter zu beteiligen. Wie sich schon aus dem Wortlaut der genannten Bestimmungen ergibt, bildet die Vergabe nach Losen die Regel, von der nur im Einzelfall aufgrund sachgerechter Überlegungen abgewichen werden darf. Bei der Prüfung, ob ein vergaberechtlicher Ausnahmetatbestand („wirtschaftliche oder technische Gründe“) von hinreichendem Gewicht vorliegt, steht dem öffentlichen Auftraggeber zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Die angeführten Gründe müssen jedoch einzelfallspezifisch und objektiv nachprüfbar sein, da es die öffentlichen Auftraggeber anderenfalls in der Hand hätten, von dem Grundsatz der Losvergabe schon aufgrund allgemeiner und rein spekulativer Erwägungen abzuweichen. Ein Vorhabensträger, der das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ausnahme i. S. v. § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB für sich in Anspruch nimmt, trägt insoweit im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen einen Teilwiderruf einer staatlichen Zuwendung die Darlegungs- und Beweislast. Allgemeine wirtschaftliche Vorteile einer (jeden) einheitlichen Vergabe an nur ein Unternehmen - wie z. B. eine zweifelsfreie und umfassende Mängelgewährleistung, einheitliche Verjährungsfristen, ein geringerer Koordinierungsaufwand und die daraus resultierende Möglichkeit einer schnelleren Realisierung des Vorhabens oder auch die geringeren Kosten der Ausschreibung - sind von vornherein ungeeignet, eine einzelfallbezogene Ausnahme i. S. v. § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB zu begründen, denn ansonsten dürfte vom Grundsatz der Losvergabe bei jedem größeren Vorhaben beliebig abgewichen werden. Die Behauptung von bei einer Gesamtvergabe an einen Generalunternehmer gegenüber einer Einzellosvergabe niedrigeren Gesamtkosten bedarf der tatsächlichen Glaubhaftmachung durch den öffentlichen Auftraggeber, etwa im Wege einer vorab durchgeführten summarischen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, bei der die beiden Vergabemodelle verglichen werden, oder einer nachträglichen Angabe hinreichender einzelfallspezifischer Umstände<ref>(vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 22.10.2014 - 4 ZB 14.1260 - juris Rn. 8-10; VG Regensburg, U.v. 13.3.2014 - RO 7 K 13.279 - S. 7 des Entscheidungsumdrucks)</ref>."<ref>VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - Au 3 K 15.1070 Abs. 33 und 34</ref>

"Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs für die seinerzeitige GWB-Novellierung 2009 bezweckte die Bundesregierung mit der Neufassung der Mittelstandsklausel eine Stärkung des Mittelstandsschutzes<ref>(vgl. BT-Drucksache 16/10117 vom 13.08.2008, zu Nr. 2 (§ 97) a; Kus in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 2. Auflage, § 97, Rdnr. 48 ff., 54)</ref>. In der bis zum 23.04.2009 geltenden Fassung war in § 97 Abs. 3 GWB lediglich geregelt, dass mittelständische Interessen vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Sach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen sind. Ausweislich der Begründung der Bundesregierung beklagten trotz dieser Regelung in der Altfassung mittelständische Unternehmen die vielfach wenig mittelstandsgerechte Ausgestaltung der Auftragsvergabe. Die Bündelung von Nachfragemacht und die Zusammenfassung teilbarer Leistungen seien zunehmende Praxis. Die Mittelstandsklausel des § 97 Abs. 3 GWB sollte daher lt. Begründung des Gesetzesentwurfs vom 13.08.2008 in ihrer Wirkung verstärkt werden. Dies sollte dadurch verwirklicht werden, dass eine Losvergabe grundsätzlich stattzufinden hat. Nur in begründeten Ausnahmefällen könne davon abgewichen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Sofern öffentliche Auftraggeber nach dieser Vorschrift verfahren, haben sie aktenkundig zu begründen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind<ref>(vgl. BT-Drucksache 16/10117 vom 13.08.2008, zu Nr. 2 (§ 97) a)</ref>."<ref>VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.08.2014 - VgK-22/2014</ref>

"GWB § 97 Abs. 3 "enthält keinen bloß allgemein gehaltenen Programmsatz, sondern ein konkretes Gebot an den Auftraggeber mit einem korrespondierenden, subjektiven Bieterrecht auf Beachtung der Losvergabe<ref>(vgl. Kus, a. a. O., § 97 GWB, Rdnr. 65)</ref>."<ref>VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.08.2014 - VgK-22/2014</ref>

Unternehmen haben nach GWB § 97 Abs. 6 Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Rechtswidriger Verzicht auf losweise Ausschreibung als schwerer Vergabeverstoß

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat eine behördliche Einschätzung, dass es sich bei einem rechtswidrigen Verzicht auf eine losweise Ausschreibung um einen schweren Vergabeverstoß handelt, als ermessensfehlerfrei bestätigt<ref>(BayVGH, B.v. 22.10.2014 - 4 ZB 14.1260 - juris; so zuvor auch VG Regensburg, U.v. 13.3.2014 - RO 7 K 13.279 - S. 9 des Entscheidungsumdrucks)</ref>. Dass die Verletzung des Gebots der losweisen Ausschreibung nach den StMF-Rückforderungsrichtlinien einen schweren Vergabeverstoß darstellt, belegt auch der Wortlaut von Satz 4 der die Rechtsfolgen schwerer Vergabeverstöße behandelnden Nr. 3.2 der genannten Richtlinien. Dort ist der vorliegende Fall einer vergaberechtswidrig nicht in Teillosen erfolgten Ausschreibung, die sodann grundsätzlich zu einem völligen oder sehr weitgehenden Förderausschluss führt, gerade als Beispiel für das Vorliegen einer erheblichen Härte genannt; hierzu gelangt man gedanklich jedoch nur, wenn in dieser Konstellation grundsätzlich ein schwerer Vergabeverstoß gegeben ist."<ref>VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - Au 3 K 15.1070 Abs. 50 und 51</ref>

Die Vergabe an Generalübernehmer stellt daher, sofern dies nicht zugelassen ist, nach Ziffer 4.5 der Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen - Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 23. November 2006 Az.: 11 - H 1360 - 001 - 44 571/06 einen schweren VOB-Verstoß dar.

Normen

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

  • GWB § 97 Abs. 4 Satz 3: Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)<ref>Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen</ref>

  • VOB/A § 5 Abs. 2 Satz 2: Bei der Vergabe kann aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen auf eine Aufteilung oder Trennung verzichtet werden.
  • VOB/A § 5 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 3: Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.

Rechtsprechung

  • OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 - Verg 52/11:
    • "Die Glasreinigung als Teilausschnitt der Dienstleistung "Reinigungsarbeiten" ist als Fachlos aufzufassen.
    • Für die Feststellung, ob eine bestimmte Tätigkeit Gegenstand eines Fachloses ist, ist insbesondere von Belang, ob sich für spezielle Arbeiten mittlerweile ein eigener Markt herausgebildet hat (vgl. Senat, Beschluss vom 11.07.2007 – VII-Verg 10/07; Beschl. 23.03.2011 – VII-Verg 63/20; Eschenbruch, in Kus/Kulartz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., § 97 Rdnr. 78). Der Begriff ist damit nicht statisch. Vielmehr verändert er sich mit den sich wandelnden Marktverhältnissen. Das ist nach Sinn und Zweck des Gebots einer Vergabe nach Fachlosen auch nachvollziehbar. Zum einen dient sie dem Ziel einer fachlich hochstehenden Auftragsdurchführung, die durch eine – bei einer Fachlosvergabe erleichterten – Beteiligung spezialisierter Unternehmen gefördert wird (vgl. Senat, Beschluss vom 11.07.2007 – VII-Verg 10/07). Zum anderen erleichtert sie die Beteiligung möglichst vieler Unternehmen an dem Vergabeverfahren, was auch Ziel des § 97 Abs. 3 GWB ist (BGH, Beschluss vom 08.02.2011- X ZB 4/10 – S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr, Rdnr. 51; Senat, Beschluss vom 21. Juli 2010 – VII-Verg 19/10, NZBau 2010, 582 = VergabeR 2010, 955). Beiden Zwecken wird eine Auslegung am ehesten gerecht, die die aktuellen Marktverhältnisse in den Blick nimmt.
    • Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass sich für die Glasreinigung inzwischen ein eigener, von den allgemeinen Reinigungsarbeiten abgegrenzter Markt gebildet hat. Ausweislich der überzeugenden Ausführungen der vom Senat zu dieser Frage angehörten sachverständigen Zeugen teilt sich die Gebäudereinigung in organisatorischer Hinsicht, im Hinblick auf Qualifikation und Entlohnung des eingesetzten Personals sowie im Marktauftritt und in der Wahrnehmung der Marktgegenseite in zwei voneinander getrennte Fachbereiche der Glas- und Unterhaltsreinigung auf. Beide Zeugen haben bekundet, dass nach dem Wegfall des Meisterzwanges im Jahre 2004 viele ausschließlich auf Glasreinigung spezialisierte Kleinunternehmen entstanden seien. Das Segment der Unterhaltsreinigung werde im Wesentlichen von den großen Unternehmen der Branche abgedeckt, die zum Teil ausschließlich in diesem Bereich arbeiteten, zum Teil neben der Unterhaltsreinigung durch eigene, von der Unterhalts- und anderen Spezialreinigungssparten getrennte Abteilungen auch Glasreinigungsarbeiten ausführten. Dagegen beschränkten sich die in der Branche tätigen Kleinunternehmen aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit im Allgemeinen ausschließlich auf die Glasreinigung. Während kleine Unternehmen Unterhaltsreinigungsleistungen wegen des hohen Wettbewerbs- und Kostendrucks kaum konkurrenzfähig anbieten könnten, seien sie aufgrund der für die Glasreinigung geltenden Qualitätsanforderungen und Kalkulationsgrundlagen in der Lage, diesen Bereich der Gebäudereinigung zu bedienen. Da das in der Glasreinigung eingesetzte Personal tariflich höher eingestuft sei und die Mitarbeiter im Regelfall als Ganztagskräfte eingesetzt würden, könnten auf Glasreinigung spezialisierte Unternehmen sich nicht zugleich erfolgreich um Aufträge für Unterhaltsreinigung bewerben. Nach den übereinstimmenden Ausführungen der Zeugen sind Glas- und Unterhaltsreinigung auch in Unternehmen, die beide Bereiche durch eigenes Personal anbieten, im Allgemeinen organisatorisch getrennt, weil die Dienstleistungen eigenständig akquiriert, beauftragt und durch unterschiedlich qualifiziertes und entlohntes Personal ausgeführt werden.
    • Zum Verhältnis von großen, mittleren und kleinen Betrieben hat der Zeuge D... ausgeführt, dass neben sehr wenigen Großbetrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern zunehmend weniger mittlere Unternehmen mit einem Personalbestand zwischen 50 und 500 Mitarbeitern am Markt agierten, während der Anteil der Kleinbetriebe, den der Zeuge auf rund 85 % geschätzt hat, noch wachse. Diese Kleinbetriebe seien nahezu vollständig auf die Glasreinigung spezialisiert. Für die mittleren Betriebe stelle die Glasreinigung ebenfalls einen bedeutenden Umsatzfaktor dar, weil auch diese sich regelmäßig nicht in konkurrenzfähiger Form um die Unterhaltsreinigung größerer öffentlicher Gebäude bewerben, sondern allenfalls sehr kleine Objekte reinigen könnten. Diese Einschätzung hat der sachverständige Zeuge P... ausdrücklich geteilt. Beide Zeugen haben betont, dass angesichts des hohen Anteils öffentlicher Aufträge im Bereich der Glasreinigung, der – je nach Region – zwischen mindestens die Hälfte bis zu 2/3 des Gesamtauftragsvolumens betrage, die getrennte Vergabe von Glas- und Unterhaltsreinigung zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe erforderlich und wünschenswert sei. Der Zeuge D... hat zudem geschildert, dass nach seiner Branchenkenntnis und Erfahrung bei öffentlichen Aufträgen die getrennte Vergabe von Unterhalts- und Glasreinigungsarbeiten der Normalfall, die zusammengefasste Vergabe beider Fachbereiche dagegen die Ausnahme sei."

Fußnoten

<references/>