Schwerer Vergabeverstoß
Schwere VOB-Verstöße liegen insbesondere vor bei
4.1 Freihändigen Vergaben ohne die dafür notwendigen vergaberechtlichen Voraussetzungen,<ref>siehe auch BayVGH, Urteil vom 09.02.2015 - 4 B 12.2326 Abs. 19; Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. L 335 vom 20.12.2007, S. 31 Erwägungsgründe (13 ff.)</ref>
4.2 einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs (z.B. lokale Begrenzung des Bieterkreises) sowie vorsätzliches oder fahrlässiges Unterlassen einer vergaberechtlich erforderlichen europaweiten Bekanntmachung,
4.3 Übergehen oder Ausscheiden des wirtschaftlichsten Angebots durch grob vergaberechtswidrige Wertung
4.4 vorsätzlichen Verstößen gegen Grundsätze nach VOB/A § 2 Nr. 1 und 2 bzw. GWB § 97,
4.5 Vergabe an einen Generalübernehmer, sofern dies nicht zugelassen ist.<ref>Ziffer 4 der Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen - Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 23. November 2006 Az.: 11 - H 1360 - 001 - 44 571/06</ref>
Freihändige Vergabe ohne die dafür notwendigen vergaberechtlichen Voraussetzungen (De-facto-Vergabe)
Ein öffentlicher Auftrag ist nach GWB § 135 Abs. 1 von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber
- gegen GWB § 134 verstoßen hat oder
- den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist,
und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist.
Die Unwirksamkeit nach GWB § 135 Absatz 1 kann nur festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist. Hat der Auftraggeber die Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht, endet die Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der Bekanntmachung der Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union. (GWB § 135 Abs. 2)
Die Unwirksamkeit nach GWB § 135 Absatz 1 Nummer 2 tritt nicht ein, wenn
- der öffentliche Auftraggeber der Ansicht ist, dass die Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist,
- der öffentliche Auftraggeber eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht hat, mit der er die Absicht bekundet, den Vertrag abzuschließen, und
- der Vertrag nicht vor Ablauf einer Frist von mindestens zehn Kalendertagen, gerechnet ab dem Tag nach der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung, abgeschlossen wurde.
Die Bekanntmachung nach Satz 1 Nummer 2 muss den Namen und die Kontaktdaten des öffentlichen Auftraggebers, die Beschreibung des Vertragsgegenstands, die Begründung der Entscheidung des Auftraggebers, den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu vergeben, und den Namen und die Kontaktdaten des Unternehmens, das den Zuschlag erhalten soll, umfassen. (GWB § 135 Abs. 3)
Ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs (z.B. lokale Begrenzung des Bieterkreises)
Der Wettbewerb darf nicht auf Unternehmen beschränkt werden, die in bestimmten Regionen oder Orten ansässig sind.<ref>VOB/A § 6 Abs. 1 Nr. 1, VOB/A § 6 EU Abs. 3 Nr. 1</ref> Eine entsprechende Beschränkung des Wettbewerbs stellt einen schweren Vergabeverstoß dar<ref>Ziffer 4 der Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen - Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 23. November 2006 Az.: 11 - H 1360 - 001 - 44 571/06</ref>.
Vorsätzliches oder fahrlässiges Unterlassen einer vergaberechtlich erforderlichen europaweiten Bekanntmachung
Übergehen oder Ausscheiden des wirtschaftlichsten Angebots durch grob vergaberechtswidrige Wertung
Vorsätzliche Verstöße gegen Grundsätze nach § 2 Nr. 1 und 2 VOB/A bzw. § 97 GWB
Vergabe an einen Generalübernehmer, sofern dies nicht zugelassen ist
Normen
EU-Richtlinien
- Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. L 335 vom 20.12.2007, S. 31 - Erwägungsgründe 13 ff.:
- (13) Um gegen die rechtswidrige freihändige Vergabe von Aufträgen vorzugehen, die der Gerichtshof als die schwerwiegendste Verletzung des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens durch öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber bezeichnet hat, sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorgesehen werden. Ein Vertrag, der aufgrund einer rechtswidrigen freihändigen Vergabe zustande gekommen ist, sollte daher grundsätzlich als unwirksam gelten. Die Unwirksamkeit sollte nicht automatisch gelten, sondern durch eine unabhängige Nachprüfungsstelle festgestellt werden oder auf der Entscheidung einer unabhängigen Nachprüfungsstelle beruhen.
- (14) Die Unwirksamkeit ist das beste Mittel, um den Wettbewerb wiederherzustellen und neue Geschäftsmöglichkeiten für die Wirtschaftsteilnehmer zu schaffen, denen rechtswidrig Wettbewerbsmöglichkeiten vorenthalten wurden. Eine freihändige Vergabe im Sinne dieser Richtlinie sollte alle Auftragsvergaben ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG umfassen. Dies entspricht dem Verfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb im Sinne der Richtlinie 2004/17/EG.
- (15) Mögliche Rechtfertigungen für eine freihändige Vergabe im Sinne dieser Richtlinie sind unter anderem die Ausnahmen in den Artikeln 10 bis 18 der Richtlinie 2004/18/EG, die Anwendung der Artikel 31, 61 oder 68 der Richtlinie 2004/18/EG, die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/18/EG oder eine rechtmäßige Inhouse-Vergabe entsprechend der Auslegung des Gerichtshofs.
Verwaltungs-Richtlinien
Rechtsprechung
Verwaltungsgerichte
- VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - Au 3 K 15.1070: "In Nr. 4.5 der StMF-Rückforderungsrichtlinien [ist] ferner die Vergabe an einen Generalübernehmer, sofern diese nicht zugelassen ist, als Regelbeispiel für einen schweren Vergabeverstoß enthalten; dieses Regelbeispiel entspricht im Kern dem Verzicht auf eine Losbildung zugunsten einer einheitlichen Vergabe an nur ein (General-)Unternehmen. Hiervon ausgehend hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich eine behördliche Einschätzung, dass es sich bei einem rechtswidrigen Verzicht auf eine losweise Ausschreibung um einen schweren Vergabeverstoß handelt, als ermessensfehlerfrei bestätigt<ref>(BayVGH, B.v. 22.10.2014 - 4 ZB 14.1260 - juris; so zuvor auch VG Regensburg, U.v. 13.3.2014 - RO 7 K 13.279 - S. 9 des Entscheidungsumdrucks)</ref>. Dass die Verletzung des Gebots der losweisen Ausschreibung nach den StMF-Rückforderungsrichtlinien einen schweren Vergabeverstoß darstellt, belegt auch der Wortlaut von Satz 4 der die Rechtsfolgen schwerer Vergabeverstöße behandelnden Nr. 3.2 der genannten Richtlinien. Dort ist der vorliegende Fall einer vergaberechtswidrig nicht in Teillosen erfolgten Ausschreibung, die sodann grundsätzlich zu einem völligen oder sehr weitgehenden Förderausschluss führt, gerade als Beispiel für das Vorliegen einer erheblichen Härte genannt; hierzu gelangt man gedanklich jedoch nur, wenn in dieser Konstellation grundsätzlich ein schwerer Vergabeverstoß gegeben ist."<ref>VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - Au 3 K 15.1070 Abs. 50 und 51</ref>
Siehe auch
- Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen
- Öffentliche Ausschreibung
- Ortsansässigkeit
Fußnoten
<references/>