Allgemeine Handlungsfreiheit

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Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (GG Art. 2 Abs. 1)

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. (GG Art. 2 Abs. 2)

Jedermann hat die Freiheit, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet. (BV Art. 101)


Schutzbereich

Persönlicher Schutzbereich

Sachlicher Schutzbereich

Vorbehalt des Gesetzes

"Vorbehalt des Gesetzes bedeutet, dass belastende Hoheitsakte nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung ergehen dürfen. Soweit ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muss das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten (Verbot des Einzelfallgesetzes, Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG). Der Vorbehalt des Gesetzes ist nicht mit dem Gesetzesvorbehalt zu verwechseln."<ref>Seite „Vorbehalt des Gesetzes“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 5. Dezember 2017, 10:22 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorbehalt_des_Gesetzes&oldid=171688785 (Abgerufen: 14. Dezember 2017, 15:52 UTC) </ref>

Vertragsfreiheit

"Die Vertragsfreiheit wird ... auch durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß GG Art. 2 Abs. 1 gewährleistet<ref>(vgl. BVerfGE 65, 196 [210]; 74, 129 [151 f.])</ref>. Betrifft eine gesetzliche Regelung jedoch die Vertragsfreiheit gerade im Bereich beruflicher Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in GG Art. 12 Abs. 1 gefunden hat, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab aus<ref>(vgl. BVerfGE 68, 193 [223 f.]; 77, 84 [118]; 95, 173 [188])</ref>.

Elemente der Vertragsfreiheit sind

Privatautonomie

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit<ref>vgl. BVerfGE 8, 274 [328]; 72, 155 [170]</ref>. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die Privatautonomie als "Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben"<ref>Erichsen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, S. 1210 Rdnr. 58</ref>.

Die Privatautonomie ist notwendigerweise begrenzt und bedarf der rechtlichen Ausgestaltung. Privatrechtsordnungen bestehen deshalb aus einem differenzierten System aufeinander abgestimmter Regelungen und Gestaltungsmittel, die sich in die verfassungsmäßige Ordnung einfügen müssen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Privatautonomie zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers stünde und ihre grundrechtliche Gewährleistung infolgedessen leerliefe. Vielmehr ist der Gesetzgeber bei der gebotenen Ausgestaltung an die objektiv-rechtlichen Vorgaben der Grundrechte gebunden. Er muß der Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben einen angemessenen Betätigungsraum eröffnen. Nach ihrem Regelungsgegenstand ist die Privatautonomie notwendigerweise auf staatliche Durchsetzung angewiesen. Ihre Gewährleistung denkt die justitielle Realisierung gleichsam mit und begründet daher die Pflicht des Gesetzgebers, rechtsgeschäftliche Gestaltungsmittel zur Verfügung zu stellen, die als rechtsverbindlich zu behandeln sind und auch im Streitfall durchsetzbare Rechtspositionen begründen.

Mit der Pflicht zur Ausgestaltung der Privatrechtsordnung stellt sich dem Gesetzgeber ein Problem praktischer Konkordanz. Am Zivilrechtsverkehr nehmen gleichrangige Grundrechtsträger teil, die unterschiedliche Interessen und vielfach gegenläufige Ziele verfolgen. Da alle Beteiligten des Zivilrechtsverkehrs den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG genießen und sich gleichermaßen auf die grundrechtliche Gewährleistung ihrer Privatautonomie berufen können, darf nicht nur das Recht des Stärkeren gelten. Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, daß sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.

Im Vertragsrecht ergibt sich der sachgerechte Interessenausgleich aus dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner. Beide binden sich und nehmen damit zugleich ihre individuelle Handlungsfreiheit wahr. Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung<ref>vgl. BVerfGE 81, 242 [255]´</ref>. Allerdings kann die Rechtsordnung nicht für alle Situationen Vorsorge treffen, in denen das Verhandlungsgleichgewicht mehr oder weniger beeinträchtigt ist. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit darf ein Vertrag nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt oder korrigiert werden. Handelt es sich jedoch um eine typisierbare Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen läßt, und sind die Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend, so muß die Zivilrechtsordnung darauf reagieren und Korrekturen ermöglichen. Das folgt aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG)."<ref>BVerfG, Beschluss vom 19.10.1993 - 1 BvR 567/89; 1 BvR 1044/89 Abs. 53 ff.</ref>

Eingriff

Rechtfertigung

Schranken

Verfassungsmäßige Ordnung

"Verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG ist die verfassungsmäßige Rechtsordnung, d.h. die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind."<ref>BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 = BVerfGE 6, 32 - Elfes Leitsatz 3</ref> (einfacher Gesetzesvorbehalt)<ref>Volker Epping, Grundrechte, 6. Auflage 2014, Springer, Berlin Heidelberg, ASIN B00R3H9ZBI Pos. 8565</ref>

"Wird ... in Art. 2 Abs. 1 GG mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit die allgemeine Handlungsfreiheit gewährleistet, die - soweit sie nicht Rechte anderer verletzt oder gegen das Sittengesetz verstößt - nur an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, so kann unter diesem Begriff nur die allgemeine Rechtsordnung verstanden werden, die die materiellen und formellen Normen der Verfassung zu beachten hat, also eine verfassungsmäßige Rechtsordnung sein muß. In diesem Sinne bezeichnet auch das Oberverwaltungsgericht Münster im Ausgangsverfahren die verfassungsmäßige Ordnung als die "der Verfassung gemäße", die "gemäß der Verfassung aufgebaute und im Rahmen der Verfassung sich haltende Rechtsordnung". Dieses Ergebnis kann nicht mit dem Hinweis darauf entkräftet werden, daß "verfassungsmäßige Ordnung" in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes unzweifelhaft etwas anderes bedeute, der Begriff aber überall denselben Inhalt haben müsse. Die Auslegung hängt vielmehr von der Funktion ab, die der Begriff innerhalb der jeweiligen Norm zu erfüllen hat. Die Analyse der gesetzlichen Tatbestände, in denen der Begriff vorkommt, ergibt, daß er stets einen Kreis von Normen umschreibt, an die der jeweilige Normadressat gebunden sein soll. Daraus erhellt ohne weiteres, daß der Umfang des jeweils die verfassungsmäßige Ordnung darstellenden Normenkomplexes, dem diese Bindungswirkung zukommt, nicht für jeden der - unter sich ganz ungleichartigen - Normadressaten der gleiche sein kann. Während also z. B. sicherlich der Gesetzgeber an die Verfassung schlechthin gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), kann es in anderem Zusammenhang - z. B. in Art. 9 GG, § 90 a StGB geboten sein, den Begriff "verfassungsmäßige Ordnung" auf gewisse elementare Grundsätze der Verfassung zu beschränken<ref>vgl. BGHSt. 7, 222 [227] 9, 285 [286]</ref>; der Bürger aber wird in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit legitim eingeschränkt nicht nur durch die Verfassung oder gar nur durch "elementare Verfassungsgrundsätze", sondern durch jede formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm."<ref>BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 Abs. 17</ref>

"In der Literatur wird häufig der Einwand erhoben, bei dieser Auffassung werde das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG "leerlaufen", da es unter den allgemeinen Gesetzesvorbehalt gestellt werde. Dabei wird jedoch übersehen, daß die Gesetzgebungsgewalt nach dem Grundgesetz stärkeren Beschränkungen unterliegt als unter der Geltung der Reichsverfassung von 1919. Damals waren nicht nur zahlreiche Grundrechte durch den allgemeinen Gesetzesvorbehalt, dem jedes verfassungsmäßig erlassene Gesetz entsprach, tatsächlich "leerlaufend"; der Gesetzgeber konnte durch ein mit der verfassungsändernden Mehrheit erlassenes Gesetz auch im Einzelfall eine ihm entgegenstehende verfassungsrechtliche Schranke jederzeit überwinden. Demgegenüber hat das Grundgesetz eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die die öffentliche Gewalt begrenzt. Durch diese Ordnung soll die Eigenständigkeit, die Selbstverantwortlichkeit und die Würde des Menschen in der staatlichen Gemeinschaft gesichert werden<ref>BVerfGE 2, 1 [12 f.]; 5, 85 [204 ff.]</ref>. Die obersten Prinzipien dieser Wertordnung sind gegen Verfassungsänderungen geschützt (Art. 1, 20, 79 Abs. 3 GG). Verfassungsdurchbrechungen sind ausgeschlossen; die Verfassungsgerichtsbarkeit überwacht die Bindung des Gesetzgebers an die Maßstäbe der Verfassung. Gesetze sind nicht schon dann "verfassungsmäßig", wenn sie formell ordnungsmäßig ergangen sind. Sie müssen auch materiell in Einklang mit den obersten Grundwerten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als der verfassungsrechtlichen Wertordnung stehen, aber auch den ungeschriebenen elementaren Verfassungsgrundsätzen und den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen, vornehmlich dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und dem Sozialstaatsprinzip. Vor allem dürfen die Gesetze daher die Würde des Menschen nicht verletzen, die im Grundgesetz der oberste Wert ist, aber auch die geistige, politische und wirtschaftliche Freiheit des Menschen nicht so einschränken, daß sie in ihrem Wesensgehalt angetastet würde (Art. 19 Abs. 2, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG). Hieraus ergibt sich, daß dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist. Ein Gesetz, das in ihn eingreifen würde, könnte nie Bestandteil der "verfassungsmäßigen Ordnung" sein; es müßte durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werden.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß eine Rechtsnorm, nur wenn sie allen diesen Anforderungen entspricht, aber auch immer dann zum Bestandteil der "verfassungsmäßigen Ordnung" wird und somit den Bereich der allgemeinen Handlungsfähigkeit des Bürgers wirksam beschränkt. Verfahrensrechtlich bedeutet das: Jedermann kann im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen, ein seine Handlungsfreiheit beschränkendes Gesetz gehöre nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung, weil es (formell oder inhaltlich) gegen einzelne Verfassungsbestimmungen oder allgemeine Verfassungsgrundsätze verstoße; deshalb werde sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt."<ref>BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 Abs. 32 und 33</ref>

Rechte anderer

Sittengesetz

Schranken-Schranken

Normen

Grundgesetz (GG)

Verfassung des Freistaates Bayern (BV)

  • BV Art. 101: Jedermann hat die Freiheit, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet.

Verfassungen anderer Länder

Frankreich

Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789
  • Art. 4 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789: "Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen nur die Grenzen, die den anderen Gliedern der Gesellschaft den Genuß der gleichen Rechte sichern. Diese Grenzen können allein durch Gesetz festgelegt werden." (heute noch gültiges Verfassungsrecht Frankreichs)

Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Publikationen

Dissertationen

Lehrbücher

Fachaufsätze

Siehe auch

Fußnoten

<references/>