Religionsfreiheit
"Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet." (GG Art. 4 Abs. 1 und 2)
Schutzbereich
Persönlicher Schutzbereich
- Jede(r):
- natürliche Personen, u.U. auch Minderjährige, s. KErzG § 5 Satz 1
- auch juristische Personen, soweit auf sie anwendbar
"Die Glaubensfreiheit ist nicht nur den Mitgliedern anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern auch den Angehörigen anderer religiöser Vereinigungen gewährleistet. Auf die zahlenmäßige Stärke einer derartigen Gemeinschaft oder ihre soziale Relevanz kommt es nicht an. Das folgt aus dem für den Staat verbindlichen Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität<ref>BVerfGE 18, 385 [386]; 19, 206 [216]; 24, 236 [246]</ref> und dem Grundsatz der Parität der Kirchen und Bekenntnisse<ref>BVerfGE 19, 1 [8]; 24, 236 [246])</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971 - 1 BvR 387/65</ref>
Sachlicher Schutzbereich
"In einem Staat, in dem die menschliche Würde oberster Wert ist, und in dem der freien Selbstbestimmung des Einzelnen zugleich ein gemeinschaftsbildender Wert zuerkannt wird, gewährt die Glaubensfreiheit dem Einzelnen einen von staatlichen Eingriffen freien Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht. Insofern ist die Glaubensfreiheit mehr als religiöse Toleranz, d. h. bloße Duldung religiöser Bekenntnisse oder irreligiöser Überzeugungen<ref>BVerfGE 12, 1 [3]</ref>. Sie umfaßt daher nicht nur die (innere) Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten<ref>vgl. BVerfGE 24, 236 [245]</ref>. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Dabei sind nicht nur Überzeugungen, die auf imperativen Glaubenssätzen beruhen, durch die Glaubensfreiheit geschützt. Vielmehr umspannt sie auch religiöse Überzeugungen, die für eine konkrete Lebenssituation eine ausschließlich religiöse Reaktion zwar nicht zwingend fordern, diese Reaktion aber für das beste und adäquate Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung zu bewältigen. Andernfalls würde das Grundrecht der Glaubensfreiheit sich nicht voll entfalten können."<ref>BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971 - 1 BvR 387/65</ref>
Religion
Weltanschauung
Normen
Grundrechte
- GG Art. 4 Abs. 1 und 2
- GG Art. 140 i.V.m. Art. 136 ff. WRV
- EMRK Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
- Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 10
Konkurrenzen
Bundesgesetze
- Gesetz über die religiöse Kindererziehung - (§ 5: Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden.)
Publikationen
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
- BVerfG, Urteil vom 01.12.2009 - 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07 - Sonntag
- BVerfG, Urteil vom 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02 - Kopftuch
- BVerfG, Beschluss vom 26.06.2002 - 1 BvR 670/91 - Osho I
- BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 - Kruzifix
- BVerfG, Beschluss vom 05.02.1991 - 2 BvR 263/86 - Bahá'í
- BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 - Gesundbeter
- BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 - Sammlung Aktion Rumpelkammer
- BVerfG, Beschluss vom 08.11.1960 - 1 BvR 59/56 - Ludendorff - Bund für Gotteserkenntnis
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
- BVerwG, Urteil vom 11.09.2013 - 6 C 25.12 - Schwimmunterricht
- Leitsätze:
- 1. Der einzelne Schüler kann gestützt auf von ihm für maßgeblich erachtete religiöse Verhaltensgebote nur in Ausnahmefällen die Befreiung von einer Unterrichtsveranstaltung verlangen.
- 2. Einer Schülerin muslimischen Glaubens ist die Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht in einer Badebekleidung zumutbar, die muslimischen Bekleidungsvorschriften entspricht.
- BVerwG, Urteil vom 11.09.2013 - 6 C 12.12 - Krabat
- Leitsätze:
- 1. Die Eltern können gestützt auf religiöse Erziehungsvorstellungen nur in Ausnahmefällen die Befreiung ihrer Kinder von einer Unterrichtsveranstaltung verlangen.
- 2. Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas ist es zumutbar, dass ihre Kinder in der Schule an der Vorführung eines Spielfilms teilnehmen, in dem das Praktizieren schwarzer Magie dargestellt wird.
- BVerwG, Urteil vom 30.11.2011 - 6 C 20.10 - Gebet in der Schule
- BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 7 C 20.04 - Scientology
- BVerwG, Urteil vom 06.11.1997 - 1 C 18.95 - Scientology