Rechtliches Gehör: Unterschied zwischen den Versionen
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==Schutzbereich== | ==Schutzbereich== |
Version vom 8. Mai 2020, 08:31 Uhr
Nach GG Art. 103 Abs. 1 hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. GG Art. 103 Abs. 1 schützt nur das rechtliche Gehör vor staatlichen Gerichten.
Rechtliches Gehör bedeutet nicht, dass das Gericht den Verurteilten gehört haben muss, sondern nur, daß ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss<ref>RG JW 1937, 555</ref>.<ref>BGH, Urteil vom 26.02.1959 - II ZR 137/57 = BGHZ 29, 352 Abs. 11</ref>
Schutzbereich
Persönlicher Schutzbereich
- "jedermann" (GG Art. 103 Abs. 1)
- auch: ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts<ref>vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.02.2003 - 2 BvQ 3/03 = BVerfGK 1, 32 - Antrag der Republik Argentinien auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Staatsnotstands ohne Erfolg</ref>
Sachlicher Schutzbereich
Ausprägungen<ref>Volker Epping, Grundrechte (eBook), Springer Verlag Berlin, 6. Aufl. 2015, ISBN 9783642546587 Kapitel 18 (Rdnr. 950 ff./Pos. 13605)</ref>:
Recht auf Information<ref>Volker Epping, Grundrechte (eBook), Springer Verlag Berlin, 6. Aufl. 2015, ISBN 9783642546587 Kapitel 18 (Rdnr. 951 /Pos. 13605)</ref>
Recht auf Äußerung<ref>Volker Epping, Grundrechte (eBook), Springer Verlag Berlin, 6. Aufl. 2015, ISBN 9783642546587 Kapitel 18 (Rdnr. 952 /Pos. 13605)</ref>
Recht auf Berücksichtigung<ref>Volker Epping, Grundrechte (eBook), Springer Verlag Berlin, 6. Aufl. 2015, ISBN 9783642546587 Kapitel 18 (Rdnr. 953 /Pos. 13605)</ref>
Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet GG Art. 103 Abs. 1 die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt - auch bei Kenntnisnahme des Vorbringens durch den Tatrichter - dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat<ref>BGH, Beschluss vom 20.11.2019 - VII ZR 213/18 mit Verweis auf st. Rspr., s. nur BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17 Rn. 7, NJW 2019, 607</ref>.
Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist dabei schlüssig und als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; es ist dann vielmehr Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme Einzelheiten zu klären, die für ihn im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlich erscheinen<ref>BGH, Beschluss vom 20.11.2019 - VII ZR 213/18 mit Verweis auf st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17 Rn. 8, NJW 2019, 607</ref>.
Normen
Grundgesetz (GG)
- GG Art. 103 Abs. 1
Europäische Menschenrechtskonvention (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten)
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
- BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010 - 1 BvR 216/07
- BVerfG, Beschluss vom 25.04.2005 - 1 BvR 644/05
- BVerfG, Beschluss vom 07.10.2003 - 1 BvR 10/99 = BVerfGE 108, 341 - Rechtsschutz gegen den Richter II
- BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02
- BVerfG, Beschluss vom 13.02.2003 - 2 BvQ 3/03 = BVerfGK 1, 32 - Antrag der Republik Argentinien auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Staatsnotstands ohne Erfolg
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.09.1995 - 1 BvR 632/94 = NJW-RR 1996, 253 - Überraschungsentscheidung - fehlender Hinweis auf entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt
- BVerfG, Beschluss vom 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90 = BVerfGE 84, 188: Es verstößt gegen Art. 103 I GG, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Prozeßverlauf nicht zu rechnen brauchte.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
- BVerfG, 09.07.1980 - 2 BvR 701/80 = BVerfGE 55, 1 - Planfeststellungsbeschluss Flughafen München II
- BVerfG, Beschluss vom 08.01.1959 - 1 BvR 396/55 = BVerfGE 9, 89 - Rechtliches Gehör bei Haftbefehl
Bundesgerichtshof (BGH)
- BGH, Beschluss vom 29.06.1993 - X ZB 21/92 = NJW 1994, 392 - Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Zurückweisung der Berufung ohne Anhörung
Publikationen
Lehrbücher
- Volker Epping, Grundrechte (eBook), Springer Verlag Berlin, 6. Aufl. 2015, ISBN 9783642546587 Kapitel 18 (Rdnr. 943 ff./Pos. 13556)
Fachaufsätze
- Ino Augsberg, / Christian M. Burkiczak, Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 I GG als Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, JA 2008, 59
- Sebastian Lenz, Die verfassungsrechtliche Perspektive der Präklusionsvorschriften, NJW 2013, 2551
- Karl-Georg Zierlein, Die Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, DVBl. 1989, 1169
Siehe auch
Fußnoten
<references/>