Nichtigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung: Unterschied zwischen den Versionen
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Mängel von Vereinsbeschlüssen sind mit Hilfe der allgemeinen [[Feststellungsklage]] zu verfolgen."<ref>{{BGH II ZR 111/05}} Abs. 70</ref> "Die [[Beschlussanfechtung]] setzt auch im Vereinsrecht grundsätzlich voraus, dass das klagende Mitglied dem Verein sowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung als auch dem der [[Rechtshängigkeit]] angehört."<ref>{{BGH II ZR 111/05}} Leitsatz 2a) Satz 2</ref> | Mängel von Vereinsbeschlüssen sind mit Hilfe der allgemeinen [[Feststellungsklage]] zu verfolgen."<ref>{{BGH II ZR 111/05}} Abs. 70</ref> "Die [[Beschlussanfechtung]] setzt auch im Vereinsrecht grundsätzlich voraus, dass das klagende Mitglied dem Verein sowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung als auch dem der [[Rechtshängigkeit]] angehört."<ref>{{BGH II ZR 111/05}} Leitsatz 2a) Satz 2</ref> | ||
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+ | "Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse sind gültig oder ungültig, es bedarf nicht zur Beseitigung eines ungültigen Beschlusses einer nur befristet zulässigen [[Anfechtungsklage]]. Gleiches gilt für die Entscheidungen von Vereinsgerichten. Die seitens eines betroffenen Vereinsmitglieds zu erhebende [[Feststellungsklage]] gegen beeinträchtigende Vereinsmaßnahmen ist grundsätzlich nicht fristgebunden. All dies entspricht auch der herrschenden Meinung in der Literatur<ref>(Palandt-Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 32, 9-11; Sauter-Schweyer, Der eingetragene Verein, 15; Aufl., Rdnr. 108; Reichert/van Look, Handbuch des Vereins und Verbandsrechts, 6. Aufl., Rdnr. 1155)</ref>. | ||
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+ | Aus diesen Grundsätzen ergibt sich aber nicht, daß eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit von disziplinarischen Vereinsmaßnahmen, auch solchen von Vereinsgerichten, gemäß {{ZPO 256}} zeitlich unbegrenzt mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Das legitime Interesse des Vereins an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, das auch für jedes Vereinsmitglied erkennbar ist und aufgrund der Treuepflicht von ihm berücksichtigt werden muß, läßt es deshalb als sachgerecht erscheinen, daß die rechtliche Wirksamkeit von Vereinsmaßnahmen innerhalb angemessener, jedenfalls aber beschränkter Zeit einer Klärung zugeführt wird<ref>(BGH NJW 73, 235; KG OLGZ 1971, 480, 483)</ref>. Die [[Treuepflicht des Mitglieds]] gebietet ihm deshalb, eine beabsichtigte Klage gegen Vereinsmaßnahmen mit zumutbarer Beschleunigung zu erheben. Unterläßt das Vereinsmitglied dies, kann der Verein annehmen, daß das Mitglied die Vereinsmaßnahme akzeptieren und nicht mehr klageweise dagegen vorgehen will. Einer gleichwohl später erhobenen Klage steht dann der Einwand der [[Verwirkung]] des Klagerechts entgegen. Die Klage ist unbegründet<ref>(Reichert/van Look, a.a.O., Rdnr. 1155 und 1703; für die Genossenschaft: OLG Frankfurt WM 88, 1162, 1163)</ref>."<ref>{{OLG Hamm 8 U 150/95}} Abs. 25</ref> | ||
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Version vom 20. Mai 2020, 07:16 Uhr
Ladungsmängel bei der Einberufung der Mitgliederversammlung können zur Nichtigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung führen. Dies kann der Fall sein bei Nichtladung von Mitgliedern eines Vereins zur Mitgliederversammlung, oder wenn
- durch ein unzuständiges Organ<ref>BayObLG, Beschluss vom 13.07.1989 - BReg. 3 Z 85/89 = BayObLGZ 1989, 298 zum Notvorstand; BGH, Urteil vom 26.10.1955 - VI ZR 90/54 = BGHZ 18, 334 zur Genossenschaft, BGH, Urteil vom 07.02.1983 - II ZR 14/82 = BGHZ 87,1, NJW 1983, 1677 zur Befugnis zum Einberufen der Gesellschafterversammlung einer GmbH
</ref>,
- zur Unzeit<ref>vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2006 - II ZR 200/04 = NJW-RR 2006, 831</ref>,
- an einem unzumutbaren Ort,
- ohne ordnungsgemäße Mitteilung der Tagesordnung<ref>"Ist der Gegenstand der Beschlussfassung nicht oder so ungenau bestimmt, dass den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung der Versammlung und eine Entscheidung, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen, nicht möglich ist, so sind die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB nichtig."(Sen. Urt. v. 17. November 1986 – II ZR 304/85, NJW 1987, 1811 f.; Waldner in Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein 18. Aufl. Rdn. 213; Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl. § 32 Rdn. 15)</ref><ref>BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69 Abs. 73</ref>,
- ohne ordnungsgemäßen Vorstandsbeschluss oder
- als unzulässige Eventualeinberufung<ref>BayObLG, Beschluss vom 18.09.2002 - 3Z BR 148/02 = NJW-RR 2002, 1612</ref>
geladen wird. Weitere Nichtigkeitsgründe<ref>vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005 § 32 Rn. 9</ref> können sein:
- Teilnahme von Nichtmitgliedern an der Beschlussfassung der Mitgliederversammlung<ref>BGH, Urteil vom 18.12.1967 - II ZR 211/65 = BGHZ 49, 209, NJW 1968, 543</ref>
- Unbefugte Leitung der Mitgliederversammlung<ref>KG, Urteil vom 30.10.1987 - 13 U 1111/87 = NJW 1988, 3159</ref>
- Satzungswidrige Blockwahl des Vorstands<ref>OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.06.2013 - 3 W 41/13 = FGPrax 2013, 276, Rpfleger 2014, 209</ref>.
Ein Beschluss ist ferner dann nichtig, wenn er
- gegen die guten Sitten
- gegen ein gesetzliches Verbot oder
- gegen die Vereinssatzung verstößt.
Mängel von Vereinsbeschlüssen sind mit Hilfe der allgemeinen Feststellungsklage zu verfolgen."<ref>BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69 Abs. 70</ref>
Nichtladung von Mitgliedern eines Vereins zur Mitgliederversammlung
Der BGH hält für den Fall, daß einzelne Vereinsmitglieder infolge einer vom Verein zu vertretenden Nachlässigkeit keine Einladung erhalten haben, einen ohne ihre Teilnahme zustande gekommenen Vereinsbeschluss - jedenfalls soweit keine weiteren Umstände (wie z.B. eine unlautere Wahlbeeinflussung) hinzukommen - für wirksam, sofern einwandfrei feststeht, daß der Beschluß bei ordnungsmäßiger Ladung ebenso ausgefallen wäre. Hierfür genügt allerdings nicht die bloße Wahrscheinlichkeit des gleichen Ergebnisses. Vielmehr muß der Verein den sicheren Nachweis führen, daß der beanstandete Beschluß nicht auf dem Mangel beruhen kann<ref>(vgl. für die Beschlußanfechtung bei Kapitalgesellschaften BGH NJW 1972, 1320 f m.w.N.; für § 51 GenG RGZ 119, 243, 246)</ref>. Dieser Beweis ist z.B. schon dann gescheitert, wenn eine der Abstimmung vorausgehende Aussprache vorgesehen war und sich im Einzelfall nicht ausschließen läßt, daß die nicht eingeladenen Mitglieder, wären sie erschienen, die Stimmabgabe auch der anderen Mitglieder in einer dem tatsächlichen Ergebnis entgegengesetzten Richtung wesentlich beeinflußt hätten<ref>(vgl. RGZ 110, 194, 196 ff; 103, 6)</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 09.11.1972 - II ZR 63/71 = BGHZ 59, 369 Abs. 9 ff.</ref>
Eventualeinberufung
"Die Zulassung der Eventualeinberufung einer Wiederholungsversammlung mit geringeren Anforderungen an ihre Beschlussfähigkeit im Anschluss an eine beschlußunfähige Mitgliederversammlung durch die Satzung eines eingetragenen Vereins verstößt weder gegen unabdingbares Gesetzesrecht noch gegen übergeordnete zwingende allgemeine Grundsätze des Vereinsrechts."<ref>BGH, Urteil vom 10.10.1988 - II ZR 51/88 = NJW-RR 1989, 376 Amtlicher Leitsatz</ref> "Die in einer nicht durch die Satzung zugelassenen Eventualeinberufung gefassten Beschlüsse der Mitgliederversammlung sind grundsätzlich nichtig. Derartige Beschlüsse darf das Registergericht nicht im Vereinsregister eintragen."<ref>BayObLG, Beschluss vom 18.09.2002 - 3Z BR 148/02 = NJW-RR 2002, 1612 Amtlicher Leitsatz</ref>
Blockwahl
"Bei einer Blockwahl handelt es sich um eine besondere Form der Listenwahl: Hier werden die Kandidaten nicht in einzelnen Wahlgängen gewählt, sondern als "Block" für ein gesamtes Gremium. Die Vergabe von Stimmen auf einzelne Kandidaten ist hier nicht möglich."<ref>Quelle: https://www.polyas.de/wahllexikon/blockwahl - abgerufen am 18.05.2020 um 11:44 Uhr</ref> Eine Blockwahl ist nur zulässig, wenn sie in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist (BGB § 40)<ref>BGH, Urteil vom 17.12.1973 - II ZR 47/71 = NJW 1974, 183; BayObLG, Beschluss vom 13.12.2000 - 3Z BR 340/00 = NJW-RR 2001, 537, FGPrax 2001, 82, Rpfleger 2001, 242; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.04.1984 - 20 W 861/83 = Rpfleger 1984, 360; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13.04.1992 - AnwZ (B) 2/92 = BGHZ 118, 121, NJW 1992, 1962, MDR 1992, 908, AnwBl 1992, 391, S. 124; BayObLG FGPrax 1996, 74</ref>. "Eine Satzungsdurchbrechung durch Beschluss der Mitglieder ist unwirksam."<ref>OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.06.2013 - 3 W 41/13 = FGPrax 2013, 276, Rpfleger 2014, 209 Amtlicher Leitsatz 2</ref>
Prozessrecht
Mängel von Vereinsbeschlüssen sind mit Hilfe der allgemeinen Feststellungsklage zu verfolgen."<ref>BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69 Abs. 70</ref> "Die Beschlussanfechtung setzt auch im Vereinsrecht grundsätzlich voraus, dass das klagende Mitglied dem Verein sowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung als auch dem der Rechtshängigkeit angehört."<ref>BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69 Leitsatz 2a) Satz 2</ref>
"Fehlerhafte Vereinsbeschlüsse sind gültig oder ungültig, es bedarf nicht zur Beseitigung eines ungültigen Beschlusses einer nur befristet zulässigen Anfechtungsklage. Gleiches gilt für die Entscheidungen von Vereinsgerichten. Die seitens eines betroffenen Vereinsmitglieds zu erhebende Feststellungsklage gegen beeinträchtigende Vereinsmaßnahmen ist grundsätzlich nicht fristgebunden. All dies entspricht auch der herrschenden Meinung in der Literatur<ref>(Palandt-Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 32, 9-11; Sauter-Schweyer, Der eingetragene Verein, 15; Aufl., Rdnr. 108; Reichert/van Look, Handbuch des Vereins und Verbandsrechts, 6. Aufl., Rdnr. 1155)</ref>.
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich aber nicht, daß eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit von disziplinarischen Vereinsmaßnahmen, auch solchen von Vereinsgerichten, gemäß ZPO § 256 zeitlich unbegrenzt mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Das legitime Interesse des Vereins an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, das auch für jedes Vereinsmitglied erkennbar ist und aufgrund der Treuepflicht von ihm berücksichtigt werden muß, läßt es deshalb als sachgerecht erscheinen, daß die rechtliche Wirksamkeit von Vereinsmaßnahmen innerhalb angemessener, jedenfalls aber beschränkter Zeit einer Klärung zugeführt wird<ref>(BGH NJW 73, 235; KG OLGZ 1971, 480, 483)</ref>. Die Treuepflicht des Mitglieds gebietet ihm deshalb, eine beabsichtigte Klage gegen Vereinsmaßnahmen mit zumutbarer Beschleunigung zu erheben. Unterläßt das Vereinsmitglied dies, kann der Verein annehmen, daß das Mitglied die Vereinsmaßnahme akzeptieren und nicht mehr klageweise dagegen vorgehen will. Einer gleichwohl später erhobenen Klage steht dann der Einwand der Verwirkung des Klagerechts entgegen. Die Klage ist unbegründet<ref>(Reichert/van Look, a.a.O., Rdnr. 1155 und 1703; für die Genossenschaft: OLG Frankfurt WM 88, 1162, 1163)</ref>."<ref>OLG Hamm, Urteil vom 10.06.1996 - 8 U 150/95 = NJW-RR 1997, 989 Abs. 25</ref>
Normen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- BGB § 32 Abs. 1
Zivilprozessordnung (ZPO)
- ZPO § 256 Abs. 1
Rechtsprechung
Bundesgerichtshof (BGH)
- BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69: "Nach der Rechtsprechung des Senats kommt im Vereinsrecht bei der Behandlung fehlerhafter Beschlüsse eine entsprechende Anwendung der AktG § 241} ff. wegen der Vielgestaltigkeit vereinsrechtlicher Zusammenschlüsse und der darum anders gelagerten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht in Betracht<ref>BGH, Urteil vom 09.11.1972 - II ZR 63/71 = BGHZ 59, 369, 371 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 3. März 1971 – KZR 5/70, NJW 1971, 879 f., insoweit bei BGHZ 55, 381 ff. nicht abgedruckt</ref>. An dieser Rechtsprechung ist trotz im Schrifttum geäußerter Kritik<ref>vgl. etwa MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 32 Rdn. 56 m. w. Nachw.</ref> insbesondere mit Rücksicht auf die geringeren Förmlichkeiten des Vereinsrechts, das gerade nicht zwischen rechtsgestaltender Beschlussanfechtung und deklaratorischer Feststellung der Nichtigkeit unterscheidet, festzuhalten. Mängel von Vereinsbeschlüssen sind daher mit Hilfe der allgemeinen Feststellungsklage zu verfolgen."<ref> Abs. 70</ref>
- BGH, Urteil vom 09.11.1972 - II ZR 63/71 = BGHZ 59, 369
- BGH, Urteil vom 18.12.1967 - II ZR 211/65 = BGHZ 49, 209, NJW 1968, 543 (Teilnahme an einer Abstimmung durch einen Unberechtigten)
Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG)
- BayObLG, Beschluss vom 10.07.1996 - 3Z BR 78/96 = NJW-RR 1997, 289
- BayObLG, Beschluss vom 13.07.1989 - BReg. 3 Z 85/89 = BayObLGZ 1989, 298
Oberlandesgerichte
- OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.06.2013 - 3 W 41/13 = FGPrax 2013, 276, Rpfleger 2014, 209
- OLG Hamm, Urteil vom 10.06.1996 - 8 U 150/95 = NJW-RR 1997, 989
- KG, Urteil vom 30.10.1987 - 13 U 1111/87 = NJW 1988, 3159
Landgerchte
- LG Frankfurt/Main, Urteil vom 06.02.1997 - 2/23 O 374/96, 2-23 O 374/96 = NJW-RR 1998, 396: Feststellung der Nichtigkeit des Mitgliederversammlungsbeschlusses eines eingetragenen Vereins
Publikationen
- Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005 § 32 Rn. 9
Siehe auch
Fußnoten
<references/>