Grundrechte aktuell

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Stadtratssitzung am 7.6.2016

Stadtratssitzung am 03.05.2016: Betretungsrecht der Wohnung

In der Stadtratssitzung am 03.05.2016 hat die Fraktion des Bürgervereins der Neufassung der Entwässerungssatzung wegen des darin enthaltenen § 20 (Betretungsrecht) nicht zugestimmt:

Dr. Dinglreiter führte aus:

"Die Regelung in § 20 stellt nach unserer Lesart eine anlasslose, verdachtsunabhängige Überwachung unserer Bürger dar. Nach dem Wortlaut müsste jeder Bürger damit rechnen, dass seine Toiletten z.B. - ohne dass auch nur der Ansatz eines Anfangsverdachts vorliegt - von einem Mitarbeiter der Stadt auf unzulässige Stoffe wie z.B. Medikamente kontrolliert werden. Die Stadt räumt sich damit mehr Befugnisse ein als sie etwa Polizei und Staatsanwaltschaften haben. Das wäre etwa so, als würde ein Polizist an der Türe irgendeines Bürgers dieser Stadt klingeln und sagen, er wolle nur mal schnell den Rechner des Bürgers kontrollieren, dass da keine illegalen Kopien drauf sind. Weigert sich der Bürger, muss er eine Strafe zahlen und macht sich ggf. noch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar.

GG Art. 13 Abs. 1 erklärt die „Wohnung“ für unverletzlich (entsprechend BV Art. 106 Abs. 3). Diese Verfassungsnormen sollen die Privatsphäre in räumlicher Hinsicht schützen. In diese dürfen der Staat oder von ihm ermächtigte Dritte grundsätzlich nicht gegen den Willen der Bewohner eindringen. Im Interesse eines wirksamen Schutzes hat das Bundesverfassungsgericht den Begriff der „Wohnung“ weit ausgelegt. Er umfasst auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume<ref>(vgl. BVerfGE 32, 54 <68 ff.>; 76, 83 <88>; 97, 228 <265>)</ref>.

Rechtsgrundlage des in § 20 geregelten Betretungsrechts ist GO Art. 24 Abs. 3. Der BayVerfGH, Entscheidung vom 10.10.2007 - 15-VII-06 fordert für eine sog. verfassungskonforme Auslegung dieser Norm:

GG Art. 13 Abs. 7 ist für die Fälle des Betretungsrechts in GO Art. 24 Abs. 3 - soweit er Wohnungen betrifft - in verfassungskonformer Auslegung um die Einschränkungen zu ergänzen, die sich aus dem unmittelbar anzuwendenden GG Art. 13 Abs. 7 ergeben.

Diese sind:

"Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden."

Keine einzige dieser Einschränkungen ist im Entwurf der EWS neu § 20 genannt. Das Landratsamt als Rechtsaufsicht hat sich mit keinem einzigen unserer obigen Argumente auseinandergesetzt, sondern lediglich auf eine Aussage des Innenministeriums verwiesen, aus der sich ebenfalls keine Widerlegung unserer Argumente ergibt.

Ich halte die Regelung des § 20 für einen eindeutigen Verstoß gegen bayerisches und bundesdeutsches Verfassungsrecht. Die Fraktion des Bürgervereins stimmt ihr daher nicht zu."

Bauausschussitzung am 5.4.2016: Petitionsrecht

Im Vorfeld der Bauausschussitzung am 5.4.2016 wurde den einzelnen Mitgliedern des Bauausschusses, nicht aber der Bürgermeisterin/Stadtverwaltung ein Schreiben von Anwohnern zugleitet, in welchem diese einzelne Bedenken gegen die beantragte Anlage vortrugen. Wenn man unterstellt, dass es sich hierbei um eine Petition (GG Art. 17) bzw. Eingabe oder Beschwerde i.S.d. GO Art. 56 Abs. 3 handelte, so hätten die Petenten diese wohl an die Bürgermeisterin als die behördliche Stelle, die für den Stadtrat als Kollegialorgan Erklärungen entgegennehmen kann, leiten müssen. Die Zusendung nur an einzelne Stadträte machte die Petition wohl unzulässig, da der einzelne Stadtrat wohl nicht einmal als (wenn auch unzuständige) "Stelle" im Sinne des GG Art. 17 bzw. als empfangsbevollmächtigt für den Stadtrat im Sinen des GO Art. 56 Abs. 3 angesehen werden kann. Ein einzelner Stadtrat hat keinen Behördencharakter und ist auch nicht gleichzusetzen mit dem Stadtrat als "Volksvertretung".

Für den Fall der Adressierung an eine, wenn auch unzuständige "Stelle", hätte dann wohl Folgendes gegolten:

Hätte die Stadt wie in der öffentlichen Diskussion die Auffassung vertreten, dass sie gar nicht die zuständige "Stelle" sei, sondern das Landratsamt Lichtenfels, hätte die Stadt das Schreiben wohl dorthin weiterleiten müssen. In jedem Falle hätten die Petenten dann wohl einen grundrechtlich verbürgten Anspruch auf Information (ggf. über die Weiterleitung) und Befassung und Beantwortung durch die zuständige Stelle gehabt.

Fußnoten

<references/>