Wissenszurechnung

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"Das Wissen schon eines Mitglieds des in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organs ist das Wissen der Gesellschaft<ref>RG JW 1935, 2044; BGH WM 1955, 830, 832; 1956, 859; 1959, 81; 1959, 869</ref>".<ref>BGH, Urteil vom 06.04.1964 - II ZR 75/62 = BGHZ 41, 282 Abs. 20</ref>

Eine juristische Person<ref>für eine fiskalisch handelnde Gemeinde gilt insoweit grundsätzlich nichts anderes, vgl. RGZ 59, 400, 408; 131, 343, 354</ref> muss sich "das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organwalter zurechnen lassen. Das Wissen schon eines in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als Wissen des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen<ref>BGHZ 20, 149, 153; 41, 282, 287 m. w. Nachw.; BAG DB 1985, 237 f.</ref>. Dies gilt auch dann, wenn das Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt hat<ref>RG JW 1935, 2044; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 166 Rdn. 5</ref>. Die Wissenszurechnung kommt selbst dann in Betracht, wenn der Organvertreter von dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft nichts gewußt hat<ref>vgl. BGH Urt. vom 1. März 1984, IX ZR 34/83, NJW 1984, 1953, 1954 [BGH 01.03.1984 - IX ZR 34/83] - Kenntnis des unterbevollmächtigten Kassierers einer Bankfiliale</ref>. Auch das Ausscheiden des Organvertreters aus dem Amt steht dem Fortdauern der Wissenszurechnung nicht entgegen<ref>BGH Urt. vom 23. Oktober 1958, II ZR 127/57, WM 1959, 81, 84; h. M., vgl. etwa BGB-RGRK/Steffen aaO; Soergel/Leptien, BGB 12. Aufl. § 166 Rdn. 5</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 08.12.1989 - V ZR 246/87 = BGHZ 109, 327 Abs. 13</ref>

Soweit im Schrifttum hiergegen Bedenken erhoben wurden<ref>vgl. etwa Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 1. Bd. 2. Teil § 11 IV, S. 398 ff.; Baumann, ZGR 1973, 284, 295; Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht (1983), S. 127 ff., 138 f.; vgl. auch schon Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 1. Halbband (1959) S. 658 Fn. 27 im Anschluß an RG SA Bd. 77 Nr. 65</ref>, hielt der BGH diese nicht für durchschlagend.<ref>BGH, Urteil vom 08.12.1989 - V ZR 246/87 = BGHZ 109, 327 Abs. 13</ref>

"Die Frage der Wissenszurechnung von Organvertretern läßt sich nicht mit logisch-begrifflicher Stringenz<ref>so freilich RG SA Bd. 77, Nr. 65</ref>, sondern nur in wertender Beurteilung entscheiden. Speziell in der allgemeinen Organisationslehre des öffentlichen Rechts ist die Unterscheidung zwischen dem Organ als einem institutionellen Subjekt und den wechselnden Organvertretern anerkannt<ref>grundlegend H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person - Theorie der Vertretung S. 228 f.; zur begrifflichen Kontinuität des Organs als eines organisatorischen Gefüges über den Wechsel der Organperson hinweg: Böckenförde, Festschrift für H. J. Wolff S. 269, 271</ref>. Daher ist es denklogisch nicht ausgeschlossen, in der Zurechnungskette vom Organvertreter über das Organ zur juristischen Person als dem »Zurechnungsendsubjekt«<ref>Wolff aaO S. 261, 279</ref> der juristischen Person einmal zugerechnete Kenntnisse über die Amtsdauer des kenntnisvermittelnden Organvertreters hinaus auch weiterhin zuzurechnen."<ref>BGH, Urteil vom 08.12.1989 - V ZR 246/87 = BGHZ 109, 327 Abs. 14</ref>

"Hat einer von mehreren Gesamtvertretern einer Genossenschaft von dem Inhalt eines an die Genossenschaft gerichteten Bestätigungsschreibens Kenntnis erlangt, so ist diese Kenntnis der Genossenschaft auch dann zuzurechnen, wenn der Vertreter das Schreiben unterschlagen hat."<ref>BGH, 03.03.1956 - IV ZR 314/55 = BGHZ 20, 149 Amtlicher Leitsatz</ref>

Risikoverteilung bei Grundstücksgeschäften einer Gemeinde

"Jedenfalls für die Frage der Risikoverteilung bei Grundstücksgeschäften ..." erscheint es dem BGH "im Interesse des Verkehrsschutzes geboten, der Gemeinde das ihr durch Organvertreter einmal vermittelte, typischerweise aktenmäßig festgehaltene, Wissen auch weiterhin<ref>hier: bis zum Abschluß des zu beurteilenden Vertrages</ref> zuzurechnen. Nur so läßt sich die strukturelle Besonderheit der organisatorischen Aufspaltung gemeindlicher Funktionen in personeller und zeitlicher Hinsicht (Wechsel der Amtsträger) ausgleichen. Der Bürger, der mit der Gemeinde einen wirtschaftlich bedeutsamen Vertrag schließt und ihr dabei im Zweifel sogar erhöhtes Vertrauen entgegenbringt, darf im Prinzip nicht schlechter gestellt werden, als wenn er es, nur, mit einer einzigen natürlichen Person zu tun hätte."<ref>BGH, Urteil vom 08.12.1989 - V ZR 246/87 = BGHZ 109, 327 Abs. 14</ref>

Vereinsrecht

Ist eine Willenserklärung gegenüber einem Verein abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Vorstands (BGB § 26 Abs. 2 Satz 2, (Einzelvertretungsmacht bei Passivvertretung). Die Regelung des BGB § 26 Abs. 2 Satz 2 ist nach BGB § 40 zwingendes Recht.

Wissenszurechnung bei Personengesellschaften

"Während für juristische Personen überwiegend angenommen wird, daß die Kenntnis auch nur eines ihrer organschaftlichen Vertreter von einer nachteiligen Tatsache gemäß § 31 BGB der juristischen Person schadet<ref>vgl. BGHZ 109, 327, 330 f m.w.N.; Staudinger/Gursky, BGB 13. Aufl. § 892 Rdnr. 132; Soergel/Leptien, BGB 12. Aufl. § 166 Rdnr. 5; einschränkend Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 16. Aufl. § 35 Rdnr. 85 ff m.w.N.; H. Baumann ZGR 1973, 284, 290 ff</ref>, wird dasselbe bei Personengesellschaften nur für die Fälle der Gesamtvertretung allgemein anerkannt<ref>RGZ 90, 21, 23; Staudinger/Gursky aaO; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB 5. Aufl. § 125 Rdnr. 50 m.w.N.</ref>. Ist dagegen eine Einzelvertretungsberechtigung nicht ausgeschlossen, so ist für die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft umstritten, ob die Kenntnis jedes handelnden Gesellschafters der Gesellschaft zuzurechnen ist<ref>bejahend aufgrund von § 166 Abs. 1 BGB Soergel/Stürner aaO § 892 Rdnr. 33; vgl. auch BGHZ 34, 293, 297; RGZ 43, 104, 106; verneinend A. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. § 19 III. Fußn. 16, S. 274; offengelassen von BGH, Urt. v. 17. Mai 1995 - VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2160 m.w.N.</ref>. Mit Bezug auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts besteht ein vergleichbarer Meinungsstreit jedenfalls dann, wenn sie Unternehmensträger sind<ref>für eine Wissenszurechnung entsprechend § 31 BGB K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl. § 10 V., S. 295 und § 60 III 2, S. 1787 ff; einschränkend auf der Grundlage des § 166 BGB Schilken, Wissenszurechnung im Zivilrecht S. 105 ff</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 12.11.1998 - IX ZR 145/98 = NJW 1999, 284 Abs. 13</ref>

Nach Ansicht des BGH "ist der schuldtilgenden BGB-Gesellschaft das Wissen eines anderen als des konkret handelnden, vertretungsbefugten Gesellschafters jedenfalls dann zuzurechnen, wenn die unterlassene Weitergabe dieses Wissens an den handelnden Gesellschafter eine Verletzung der der Gesellschaft obliegenden Organisationspflichten darstellt<ref>ebenso Staub/Habersack, Großkommentar zum HGB 4. Aufl. § 125 Rn. 24</ref>.

Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muß unter anderem sicherstellen, daß die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muß es deshalb so einrichten, daß ihre Repräsentaten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen<ref>Wissensvertreter, vgl. BGHZ 117, 104, 106 f</ref>, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten<ref>ebenso Grunewald in: Festschrift für Karl Beusch, 1993, S. 301, 304 ff; Taupitz VersR Beilage "Karlsruher Forum 1994" S. 16, 25 ff; JZ 1996, 734, 735; vgl. auch Medicus VersR Beilage "Karlsruher Forum 1994" S. 4, 10 ff; Bohrer DNotZ 1991, 124, 129 f</ref>. Maßgeblich ist also, ob unter den Umständen des konkreten Einzelfalls ein Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Vertretern möglich und geboten gewesen wäre<ref>BGHZ 109, 30, 36 ff</ref>. Ob unter dieser Voraussetzung die Zurechnung auf der Grundlage des § 31 BGB erfolgt<ref>so Staub/Habersack aaO Rdnr. 20 bis 24</ref> oder auf einer ausdehnenden Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB beruht<ref>vgl. Schilken aaO S. 106 ff; Grunewald aaO S. 305 ff; Taupitz "Karlsruher Forum 1994" aaO S. 26; Staudinger/Gursky aaO</ref>, braucht hier nicht entschieden zu werden."<ref>BGH, Urteil vom 12.11.1998 - IX ZR 145/98 = NJW 1999, 284 Abs. 14</ref>

Normen

Rechtsprechung

Siehe auch

Fußnoten

<references/>