Wissenschaftsfreiheit

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Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. (GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1)

Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. (BV Art. 108)


Schutzbereich

Persönlicher Schutzbereich

Jeder, der im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig ist

  • "Zur Garantie der Wissenschaftsfreiheit durch Art. 5 Abs. 3 GG finden sich im Hochschulurteil<ref>BVerfGE 35, 79 [112 ff.]</ref> grundsätzliche Ausführungen. Danach wird jedem, der im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig ist, ein individuelles Freiheitsrecht gewährt, das als Abwehrrecht die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe schützt. Dieser Freiraum des Wissenschaftlers ist grundsätzlich ohne Vorbehalt geschützt. In ihm herrscht Freiheit von jeder Ingerenz öffentlicher Gewalt, und zwar auch im Bereich der Teilhabe am öffentlichen Wissenschaftsbetrieb in den Universitäten. In diesen Freiraum fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihre Deutung und Weitergabe. Jeder, der in Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig ist, hat - vorbehaltlich der Treuepflicht gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG - ein Recht auf Abwehr jeder staatlichen Einwirkung auf den Prozeß der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Damit sich Forschung und Lehre ungehindert an dem Bemühen um Wahrheit ausrichten können, ist die Wissenschaft zu einem von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich persönlicher und autonomer Verantwortung des einzelnen Wissenschaftlers erklärt worden. Damit wird zugleich zum Ausdruck gebracht, daß Art. 5 Abs. 3 GG nicht eine bestimmte Auffassung von der Wissenschaft oder eine bestimmte Wissenschaftstheorie schützen will. Seine Freiheitsgarantie erstreckt sich vielmehr auf jede wissenschaftliche Tätigkeit, d. h. auf alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Dies folgt unmittelbar aus der prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglichen wissenschaftlichen Bemühens. Diese in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene Wertentscheidung beruht auf der Schlüsselfunktion, die einer freien Wissenschaft sowohl für die Selbstverwirklichung des einzelnen als auch für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zukommt."<ref>BVerfG, Beschluss vom 01.03.1978 - 1 BvR 333/75; 1 BvR 174/75; 1 BvR 178/75; 1 BvR 191/75 Abs. 149</ref>
  • "...Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erklärt Wissenschaft, Forschung und Lehre für frei. Damit wird nicht nur eine objektive Grundsatznorm für den Bereich der Wissenschaft aufgestellt. Ebensowenig erschöpft sich das Grundrecht in einer auf wissenschaftliche Institutionen und Berufe bezogenen Gewährleistung der Funktionsbedingungen professionell betriebener Wissenschaft. Als Abwehrrecht sichert es vielmehr jedem, der sich wissenschaftlich betätigt, Freiheit von staatlicher Beschränkung zu<ref>vgl. BVerfGE 15, 256 [263]</ref>. Gegenstand dieser Freiheit sind vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe. Damit sich die Wissenschaft ungehindert an dem für sie kennzeichnenden Bemühen um Wahrheit ausrichten kann, ist sie zu einem von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung erklärt worden<ref>vgl. BVerfGE 35, 79 [112 f.]; 47, 327 [367 f.]</ref>. Jeder, der wissenschaftlich tätig ist, genießt daher Schutz vor staatlichen Einwirkungen auf den Prozeß der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse."<ref>BVerfG, Beschluss vom 11.01.1994 - 1 BvR 434/87 Abs. 48</ref>

Sachlicher Schutzbereich

"Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt aber nicht eine bestimmte Auffassung von Wissenschaft oder eine bestimmte Wissenschaftstheorie. Das wäre mit der prinzipiellen Unvollständigkeit und Unabgeschlossenheit unvereinbar, die der Wissenschaft trotz des für sie konstitutiven Wahrheitsbezugs eignet<ref>vgl. BVerfGE 35, 79 [113]; 47, 327 [367 f.]</ref>. Der Schutz dieses Grundrechts hängt weder von der Richtigkeit der Methoden und Ergebnisse ab noch von der Stichhaltigkeit der Argumentation und Beweisführung oder der Vollständigkeit der Gesichtspunkte und Belege, die einem wissenschaftlichen Werk zugrunde liegen. Über gute und schlechte Wissenschaft, Wahrheit oder Unwahrheit von Ergebnissen kann nur wissenschaftlich geurteilt werden<ref>vgl. BVerfGE 5, 85 [145]</ref>; Auffassungen, die sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt haben, bleiben der Revision und dem Wandel unterworfen. Die Wissenschaftsfreiheit schützt daher auch Mindermeinungen sowie Forschungsansätze und -ergebnisse, die sich als irrig oder fehlerhaft erweisen. Ebenso genießt unorthodoxes oder intuitives Vorgehen den Schutz des Grundrechts. Voraussetzung ist nur, daß es sich dabei um Wissenschaft handelt; darunter fällt alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist<ref>vgl. BVerfGE 35, 79 [113]; 47, 327 [367]</ref>.

Aus der Offenheit und Wandelbarkeit von Wissenschaft, von der der Wissenschaftsbegriff des Grundgesetzes ausgeht, folgt aber nicht, daß eine Veröffentlichung schon deshalb als wissenschaftlich zu gelten hat, weil ihr Autor sie als wissenschaftlich ansieht oder bezeichnet. Denn die Einordnung unter die Wissenschaftsfreiheit, die nicht dem Vorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt<ref>vgl. BVerfGE 35, 79 [112]</ref>, kann nicht allein von der Beurteilung desjenigen abhängen, der das Grundrecht für sich in Anspruch nimmt. Soweit es auf die Zulässigkeit einer Beschränkung zum Zwecke des Jugendschutzes<ref>vgl. BVerfGE 83, 130 [139]</ref> oder eines anderen verfassungsrechtlich geschützten Gutes<ref>vgl. BVerfGE 81, 278 [292]</ref> ankommt, sind vielmehr auch Behörden und Gerichte zu der Prüfung befugt, ob ein Werk die Merkmale des - weit zu verstehenden - Wissenschaftsbegriffs erfüllt.

Einem Werk kann allerdings nicht schon deshalb die Wissenschaftlichkeit abgesprochen werden, weil es Einseitigkeiten und Lücken aufweist oder gegenteilige Auffassungen unzureichend berücksichtigt. All das mag ein Werk als fehlerhaft im Sinn der Selbstdefinition wissenschaftlicher Standards durch die Wissenschaft ausweisen. Dem Bereich der Wissenschaft ist es erst dann entzogen, wenn es den Anspruch von Wissenschaftlichkeit nicht nur im einzelnen oder nach der Definition bestimmter Schulen, sondern systematisch verfehlt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet ist, sondern vorgefaßten Meinungen oder Ergebnissen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung oder Nachweisbarkeit verleiht. Dafür kann die systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen, die die Auffassung des Autors in Frage stellen, ein Indiz sein. Dagegen genügt es nicht, daß einem Werk in innerwissenschaftlichen Kontroversen zwischen verschiedenen inhaltlichen oder methodischen Richtungen die Wissenschaftlichkeit bestritten wird."<ref>BVerfG, Beschluss vom 11.01.1994 - 1 BvR 434/87 Abs. 49 ff.</ref>

Eingriff

Rechtfertigung

Treueklausel, GG Art. 5 Abs. 3 Satz 2

Nach GG Art. 5 Abs. 3 Satz 2 entbindet die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung.

Normen

Grundgesetz (GG)

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Verfassung des Freistaates Bayern (BV)

Rechtsprechung

Bundesverfasungsgericht (BVerfG)

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

Publikationen

  • Nettesheim, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, DVBl 2005, 1072 ff.

Siehe auch

Fußnoten

<references />