Verhandlungsvergabe

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Der Auftraggeber im Geltungsbereich der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)<ref>Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer-und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte</ref> kann gemäß UVgO § 8 Abs. 4 Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn

  1. der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst,
  2. der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden kann,
  3. die Leistung nach Art und Umfang, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vor der Vergabe nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, dass hinreichend vergleichbare Angebote erwartet werden können,
  4. nach Aufhebung einer Öffentlichen oder Beschränkten Ausschreibung eine Wiederholung kein wirtschaftliches Ergebnis verspricht,
  5. die Bedürfnisse des Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können,
  6. es sich um die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zur Erfüllung wissenschaftlich-technischer Fachaufgaben auf dem Gebiet von Forschung, Entwicklung und Untersuchung handelt, die nicht der Aufrechterhaltung des allgemeinen Dienstbetriebs und der Infrastruktur einer Dienststelle des Auftraggebers dienen,
  7. im Anschluss an Entwicklungsleistungen Aufträge im angemessenen Umfang und für angemessene Zeit an Unternehmen, die an der Entwicklung beteiligt waren, vergeben werden müssen,
  8. eine Öffentliche Ausschreibung oder eine Beschränkte Ausschreibung mit oder ohne Teilnahmewettbewerb für den Auftraggeber oder die Bewerber oder Bieter einen Aufwand verursachen würde, der zu dem erreichten Vorteil oder dem Wert der Leistung im Missverhältnis stehen würde,
  9. die Leistung aufgrund von Umständen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, besonders dringlich ist und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzurechnen sind,
  10. die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann,
  11. es sich um eine auf einer Warenbörse notierte und erwerbbare Lieferleistung handelt,
  12. Leistungen des ursprünglichen Auftragnehmers beschafft werden sollen,
a) die zur teilweisen Erneuerung oder Erweiterung bereits erbrachter Leistungen bestimmt sind,
b)bei denen ein Wechsel des Unternehmens dazu führen würde, dass der Auftraggeber eine Leistung mit unterschiedlichen technischen Merkmalen kaufen müsste und
c)bei denen dieser Wechsel eine technische Unvereinbarkeit oder unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung mit sich bringen würde,
13. Ersatzteile und Zubehörstücke zu Maschinen und Geräten vom Lieferanten der ursprünglichen Leistung beschafft werden sollen und diese Stücke in brauchbarer Ausführung von anderen Unternehmen nicht oder nicht unter wirtschaftlichen Bedingungen bezogen werden können,
14. eine vorteilhafte Gelegenheit zu einer wirtschaftlicheren Beschaffung führt, als dies bei Durchführung einer Öffentlichen oder Beschränkten Ausschreibung der Fall wäre,
15. es aus Gründen der Sicherheit oder Geheimhaltung erforderlich ist,
16. der öffentliche Auftrag ausschließlich vergeben werden soll
a) gemäß § 1 Absatz 3 an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder an Unternehmen, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder
b) an Justizvollzugsanstalten oder
17. dies durch Ausführungsbestimmungen eines Bundes- oder Landesministeriums bis zu einem bestimmten Höchstwert (Wertgrenze) zugelassen ist; eine solche Wertgrenze kann auch festgesetzt werden für die Vergabe von Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen einer Auslandsdienststelle im Ausland oder einer inländischen Dienststelle, die im Ausland für einen dort zu deckenden Bedarf beschafft.

Der Auftraggeber kann nach UVgO § 12 Abs. 1 Satz 1 eine Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb durchführen.

Bei Verhandlungen über den Angebotsinhalt, die im Ermessen des Auftraggebers stehen, sind alle Bieter gleich zu behandeln. Begrifflich entspricht die Verhandlungsvergabe der in der VOB/A geregelten Freihändigen Vergabe.<ref>Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration - Az. B3-1512-31-19 über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich vom 31. Juli 2018 (AllMBl. S. 547), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 8. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 787) Ziffer 1.2.5.</ref>

Vergaberechtliche Erleichterungen während der Corona-Krise

Am 6. Dezember beschloss Bayern, die Geltungsdauer der befristet erhöhten Wertgrenzen für Direktaufträge für in der Corona-Krise begründete Beschaffungen über Liefer- und Dienstleistungen bis zu einer Wertgrenze in Höhe von 25.000 Euro netto bis Jahresende 2021 zu verlängern. Gleiches trifft auf Verhandlungsvergaben mit und ohne Teilnahmewettbewerb zu, ebenso für Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb unterhalb des jeweiligen Schwellenwertes.<ref>Quelle: https://www.vergabe24.de/service/news/vergaberechtliche-erleichterungen-in-mehreren-bundeslaendern-verlaengert/</ref>

Arten der Vergabe

Im Vergabeverfahren sind folgende Arten der Vergabe möglich, je nachdem, ob der geschätzte Auftragswert oberhalb oder unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt<ref>vgl. Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086 S. 231</ref>:

Oberschwellenbereich - Verfahrensarten<ref>GWB § 119</ref>: Unterschwellenbereich - Arten der Vergabe<ref>VOB/A § 3;UVgO § 8</ref>:
Offenes Verfahren<ref>GWB § 119 Abs. 3</ref> Öffentliche Ausschreibung<ref>VOB/A § 3 Nr. 1; BHO § 55; UVgO § 8 Abs. 2 Satz 1</ref>
Nichtoffenes Verfahren mit Teilnahmewettbewerb<ref>GWB § 119 Abs. 4</ref> Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb<ref>BHO § 55; UVgO § 8 Abs. 2 Satz 1; VOB/A § 3a Abs. 1 Satz 1</ref> oder ohne Teilnahmewettbewerb<ref>VOB/A § 3 Nr. 2; UVgO § 8 Abs. 3</ref>
Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder ohne Teilnahmewettbewerb<ref>GWB § 119 Abs. 5</ref> Freihändige Vergabe<ref>VOB/A § 3a Abs. 3</ref>/ Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb oder ohne Teilnahmewettbewerb<ref>UVgO § 8 Abs. 4, UVgO § 12</ref>
Wettbewerblicher Dialog<ref>GWB § 119 Abs. 6</ref>
Innovationspartnerschaft<ref>GWB § 119 Abs. 7</ref>
Direktauftrag<ref>UVgO § 14 Satz 1; VOB/A § 3a Abs.4</ref>

Öffentlichen Auftraggebern im Oberschwellenbereich stehen das offene Verfahren und das nicht offene Verfahren, das stets einen Teilnahmewettbewerb erfordert, nach ihrer Wahl zur Verfügung (GWB § 119 Abs. 2 Satz 1). Die anderen Verfahrensarten stehen nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)) gestattet ist (GWB § 119 Abs. 2 Satz 2).

Im Unterschwellenbereich muss dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen eine Öffentliche Ausschreibung oder eine Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen (BHO § 55; UVgO § 8 Abs. 2 Satz 1). Für die Vergabe von Bauleistungen gelten VOB/A § 3, VOB/A § 3a) Abs. 1.

Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb

Bei einer Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb gilt im Anwendungsbetreich der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)<ref>Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer-und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte</ref> UVgO § 10 Absatz 1 und 2 entsprechend (UVgO § 12 Abs. 1 Satz 2).

Der Auftraggeber fordert entsprechend UVgO § 10 Abs. 1 Satz 1 eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag abgeben (UVgO § 10 Abs. 1 Satz 2). Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die vom Auftraggeber geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen (UVgO § 10 Abs. 1 Satz 3).

Nur diejenigen Unternehmen, die vom Auftraggeber nach Prüfung der übermittelten Informationen gemäß UVgO § 37 dazu aufgefordert werden, dürfen ein Angebot abgeben (UVgO § 10 Abs. 2 Satz 1). Der Auftraggeber kann die Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, gemäß UVgO § 36 begrenzen (UVgO § 10 Abs. 2 Satz 2).

Der Auftraggeber teilt seine Absicht, im Wege einer Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb einen öffentlichen Auftrag zu vergeben oder eine Rahmenvereinbarung abzuschließen, in einer Auftragsbekanntmachung mit (UVgO § 27 Abs. 1).

Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb

Bei einer Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb fordert der Auftraggeber im Anwendungsbereich der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)<ref>Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer-und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte</ref> nach UVgO § 12 Abs. 2 Satz 1 mehrere, grundsätzlich mindestens drei Unternehmen zur Abgabe eines Angebots oder zur Teilnahme an Verhandlungen auf. UVgO § 11 Absatz 2 gilt entsprechend (UVgO § 12 Abs. 2 Satz 2). Der Auftraggeber soll zwischen den Unternehmen, die zur Abgabe eines Angebots oder zur Teilnahme an Verhandlungen aufgefordert werden, wechseln (UVgO § 12 Abs. 2 Satz 3).

Verhandlungsvergabe bei kommunalen Vergaben in Bayern unterhalb der EU Schwellenwerte

Eine Verhandlungsvergabe ist bei der Vergabe von kommunalen Bauaufträgen (abweichend von VOB/A § 3a Abs. 3 Satz 2) und bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen bis zu einer Wertgrenze von 50 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) ohne weitere Einzelbegründung zulässig. Für Bauleistungen zu Wohnzwecken ist eine Verhandlungsvergabe bis zu einer Wertgrenze von 100 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) je Gewerk zulässig.<ref>Nr. 1.2.9 Satz 2 tritt gem. Bek. v. 27.2.2019 (BayMBl. Nr. 90) mit Ablauf des 31.12.2021 außer Kraft.</ref><ref>Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration - Az. B3-1512-31-19 über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich vom 31. Juli 2018 (AllMBl. S. 547), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 8. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 787) Ziffer 1.2.9.</ref>

Normen

Rechtsprechung

Siehe auch

Fußnoten

<references/>