Strafvereitelung
Rechtsgut und Garantenpflicht
"Rechtsgut des § 258 StGB ist die staatliche Strafrechtspflege<ref>(h.M., Lackner/Kühl, StGB 21. Aufl. § 258 Rdn. 1; Ruß in LK 11. Aufl. § 258 Rdn. 1, jeweils m.w.N.)</ref>. Eine Garantenpflicht trifft mithin nur solche Personen, denen das Recht die Aufgabe zuweist, Belange der Strafrechtspflege wahrzunehmen oder zumindest zu fördern. Das bedeutet für das Delikt der Strafverfolgungsvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB), dass für die Abwendung des Vereitelungserfolgs nur einstehen muß, wer von Rechts wegen dazu berufen ist, an der Strafverfolgung mitzuwirken, also in irgendeiner Weise dafür zu sorgen oder dazu beizutragen, daß Straftäter nach Maßgabe des geltenden Rechts ihrer Bestrafung oder sonstigen strafrechtlichen Maßnahmen zugeführt werden<ref>(Lackner/Kühl a.a.0. Rdn. 7a)</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 30.04.1997 - 2 StR 670/96 Abs. 13</ref>
Zum Kreis derjenigen, denen die Strafverfolgung als amtliche Aufgabe anvertraut ist, zählen
- Strafrichter,
- Staatsanwälte,
- Polizeibeamte,
- Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft, vgl. §§ 160, 161, 163 Abs. 1 StPO, § 152 GVG.<ref>BGH, Urteil vom 30.04.1997 - 2 StR 670/96 Abs. 14</ref>
"Anders als diese Amtsträger, für die im übrigen mit § 258 a StGB (Strafvereitelung im Amt) ein Sondertatbestand gilt, haben Strafvollzugsbeamte keine Aufgaben der Strafverfolgung wahrzunehmen. Daran ändert es nichts, daß sie ebenfalls mit Strafe "befaßt sind" und das Strafvollzugswesen Teil der Strafrechtspflege ist<ref>(zur Systematik vgl. Kaiser/Kerner/Schöch, Strafvollzug 4. Aufl. § 2 Rdn. 92 ff)</ref>. Die dadurch vermittelte Sachnähe beider Bereiche begründet keine übergreifenden Zuständigkeiten<ref>(so auch Volckart, Anm. zu OLG Hamburg StV 1996, 606, 608 ff)</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 30.04.1997 - 2 StR 670/96 Abs. 14</ref>
"Außerhalb des Bereichs, der den Amtsträgern der Strafverfolgung zugewiesen ist, besteht für Beamte keine allgemeine Pflicht, ihnen bekanntgewordene Straftaten anzuzeigen<ref>(allgemeine Meinung, Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 258 Rdn. 19; Jakobs, Strafrecht AT 2. Aufl. 29. Abschn. Rdn. 77; Wache in KK StPO 2. Aufl. § 158 Rdn. 26; Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 158 Rdn. 2, 4; Roxin, Strafverfahrensrecht 24. Aufl. § 37 Rdn. 6; Schlüchter, Strafverfahren 2. Aufl. Rdn. 392)</ref>.<ref>BGH, Urteil vom 30.04.1997 - 2 StR 670/96 Abs. 15</ref> Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz.<ref>BGH, Urteil vom 30.04.1997 - 2 StR 670/96 Abs. 15</ref>
Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Dienstvorgesetzte verpflichtet sind, Straftaten ihrer Untergebenen bei Meidung des Vorwurfs der Strafvereitelung anzuzeigen, ist im einzelnen umstritten<ref>(str., im Grundsatz ablehnend für Beamte, soweit sie nicht polizeiliche Aufgaben wahrnehmen: RGZ 134, 162; RGSt 73, 265; 74, 178; ausführlich dazu Rudolphi a.a.O., auch Els RiA 1993, 229; vgl. im übrigen Sangenstedt a.a.O.; Tröndle, StGB 48. Aufl. § 258 Rdn. 6; Lackner/Kühl, Stree, Samson jeweils a.a.O., Ruß a.a.O. § 258 Rdn. 18; Welzel, Strafrecht 11. Aufl. § 76 III 1 b; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT Teilbd. 2, 7. Aufl. § 100 Rdn. 28; Wache a.a.O. Rdn. 30; KMR-Müller 7. Aufl. § 158 Rdn. 9 f und Rieß a.a.O.)</ref>.<ref>BGH, Urteil vom 30.04.1997 - 2 StR 670/96 Abs. 20</ref>
"Zutreffend ist allerdings die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretene Ansicht, daß der Dienstvorgesetzte Strafanzeige erstatten muß, wenn jede andere Entscheidung ermessensmißbräuchlich wäre, ihm also für den rechtsfehlerfreien Gebrauch seines Ermessens keine andere Wahl bleibt<ref>(Ermessensreduzierung auf Null, vgl. dazu BVerwGE 11, 95, 97; BVerwG DVBl. 1969, 586; BVerwG NVwZ 1988, 525 f; Erichsen in Erichsen/Martens, Allg. VerwR, 9. Aufl. § 10 Rdn. 22)</ref>. ... Die ihm daraus erwachsende Pflicht "schlägt" aber nicht in eine Verpflichtung zur Wahrnehmung oder Förderung von Strafverfolgungsbelangen "um"."<ref>BGH, Urteil vom 30.04.1997 - 2 StR 670/96 Abs. 20</ref>
Normen
Rechtsprechung
- BGH, Urteil vom 30.04.1997 - 2 StR 670/96: Strafvollzugsbeamte einer Justizvollzugsanstalt begehen keine Strafvereitelung durch Unterlassen, wenn sie Straftaten, die Anstaltsbedienstete an Gefangenen verübt haben, nicht bei den Strafverfolgungsbehörden anzeigen.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
Siehe auch
Fußnoten
<references/>