Berücksichtigung mittelständischer Interessen (Vergabegrundsatz)

Aus Kommunalwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Mittelständische Interessen sind nach GWB § 97 Abs. 4 Satz 1 bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind demzufolge nach GWB § 97 Abs. 4 Satz 2 grundsätzlich in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben.<ref>Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (GWB § 97 Abs. 4 Satz 3).</ref> KMU haben Anspruch darauf, dass diese Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden (GWB § 97 Abs. 6).

Grundsätze der Vergabe

Für den Oberschwellenbereich regelt GWB § 97 folgende Grundsätze der Vergabe:

Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden nach GWB § 97 Abs. 1 Satz 1

Dabei werden die Grundsätze

gewahrt (GWB § 97 Abs. 1 Satz 2).

Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

Bei der Vergabe werden

sind nach GWB § 97 Abs. 4 Satz 1 bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

UVgO § 2 und VOB/A § 2 enthalten entsprechende Regelungen für den Unterschwellenbereich.

Losbildung

"Nach GWB § 97 Abs. 3 Satz 1 sind mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind gemäß § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern, § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB. Eine wortgleiche Regelung enthält § 2 Abs. 2 VOL/A-EG.

Die genannten Vorschriften zum Gebot der Losbildung bei öffentlichen Aufträgen dienen nicht nur dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen und effektiven Verwendung öffentlicher Mittel, sondern zugleich dem wirtschaftspolitischen Ziel der Mittelstandsförderung, da es hierdurch auch kleineren und stärker spezialisierten Unternehmen ermöglicht wird, sich an dem Wettbewerb der Bieter zu beteiligen. Wie sich schon aus dem Wortlaut der genannten Bestimmungen ergibt, bildet die Vergabe nach Losen die Regel, von der nur im Einzelfall aufgrund sachgerechter Überlegungen abgewichen werden darf. Bei der Prüfung, ob ein vergaberechtlicher Ausnahmetatbestand („wirtschaftliche oder technische Gründe“) von hinreichendem Gewicht vorliegt, steht dem öffentlichen Auftraggeber zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Die angeführten Gründe müssen jedoch einzelfallspezifisch und objektiv nachprüfbar sein, da es die öffentlichen Auftraggeber anderenfalls in der Hand hätten, von dem Grundsatz der Losvergabe schon aufgrund allgemeiner und rein spekulativer Erwägungen abzuweichen. Ein Vorhabensträger, der das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ausnahme i. S. v. § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB für sich in Anspruch nimmt, trägt insoweit im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen einen Teilwiderruf einer staatlichen Zuwendung die Darlegungs- und Beweislast. Allgemeine wirtschaftliche Vorteile einer (jeden) einheitlichen Vergabe an nur ein Unternehmen - wie z. B. eine zweifelsfreie und umfassende Mängelgewährleistung, einheitliche Verjährungsfristen, ein geringerer Koordinierungsaufwand und die daraus resultierende Möglichkeit einer schnelleren Realisierung des Vorhabens oder auch die geringeren Kosten der Ausschreibung - sind von vornherein ungeeignet, eine einzelfallbezogene Ausnahme i. S. v. § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB zu begründen, denn ansonsten dürfte vom Grundsatz der Losvergabe bei jedem größeren Vorhaben beliebig abgewichen werden. Die Behauptung von bei einer Gesamtvergabe an einen Generalunternehmer gegenüber einer Einzellosvergabe niedrigeren Gesamtkosten bedarf der tatsächlichen Glaubhaftmachung durch den öffentlichen Auftraggeber, etwa im Wege einer vorab durchgeführten summarischen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, bei der die beiden Vergabemodelle verglichen werden, oder einer nachträglichen Angabe hinreichender einzelfallspezifischer Umstände<ref>(vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 22.10.2014 - 4 ZB 14.1260 - juris Rn. 8-10; VG Regensburg, U.v. 13.3.2014 - RO 7 K 13.279 - S. 7 des Entscheidungsumdrucks)</ref>."<ref>VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - Au 3 K 15.1070 Abs. 33 und 34</ref>

"Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs für die seinerzeitige GWB-Novellierung 2009 bezweckte die Bundesregierung mit der Neufassung der Mittelstandsklausel eine Stärkung des Mittelstandsschutzes<ref>(vgl. BT-Drucksache 16/10117 vom 13.08.2008, zu Nr. 2 (§ 97) a; Kus in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 2. Auflage, § 97, Rdnr. 48 ff., 54)</ref>. In der bis zum 23.04.2009 geltenden Fassung war in § 97 Abs. 3 GWB lediglich geregelt, dass mittelständische Interessen vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Sach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen sind. Ausweislich der Begründung der Bundesregierung beklagten trotz dieser Regelung in der Altfassung mittelständische Unternehmen die vielfach wenig mittelstandsgerechte Ausgestaltung der Auftragsvergabe. Die Bündelung von Nachfragemacht und die Zusammenfassung teilbarer Leistungen seien zunehmende Praxis. Die Mittelstandsklausel des § 97 Abs. 3 GWB sollte daher lt. Begründung des Gesetzesentwurfs vom 13.08.2008 in ihrer Wirkung verstärkt werden. Dies sollte dadurch verwirklicht werden, dass eine Losvergabe grundsätzlich stattzufinden hat. Nur in begründeten Ausnahmefällen könne davon abgewichen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Sofern öffentliche Auftraggeber nach dieser Vorschrift verfahren, haben sie aktenkundig zu begründen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind<ref>(vgl. BT-Drucksache 16/10117 vom 13.08.2008, zu Nr. 2 (§ 97) a)</ref>."<ref>VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.08.2014 - VgK-22/2014</ref>

"GWB § 97 Abs. 3 "enthält keinen bloß allgemein gehaltenen Programmsatz, sondern ein konkretes Gebot an den Auftraggeber mit einem korrespondierenden, subjektiven Bieterrecht auf Beachtung der Losvergabe<ref>(vgl. Kus, a. a. O., § 97 GWB, Rdnr. 65)</ref>."<ref>VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.08.2014 - VgK-22/2014</ref>

Unternehmen haben nach GWB § 97 Abs. 6 Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Mittelstand

Die Größenklasse der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) setzt sich nach Artikel 2 Abs. 1 der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003<ref>Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2003) 1422)</ref> aus Unternehmen zusammen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. EUR beläuft.

Normen

Rechtsprechung

Bundesgerichtshof (BGH)

  • BGH, Beschluss vom 08.02.2011 – X ZB 4/10: "Das vorlegende Oberlandesgericht meint, die Vergabe des gesamten S-Bahn-Netzes ohne Losaufteilung verstoße gegen § 97 Abs. 1, Abs. 3 GWB und § 5 VOL/A (aF). Sachlich gegen diese Auffassung sprechende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Auf ein Vergabeverfahren werden aus gegenwärtiger Sicht die Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 2009 (VOL/A 2009) anzuwenden sein (§ 4 Abs. 4 VgV). In dieser Fassung ist nur noch bestimmt, dass Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben sind und darauf nur aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen verzichtet werden kann (§ 2 Abs. 2; § 2 Abs. 2 VOL/A-EG). Der in § 5 Nr. 1 VOL/A aF enthaltene funktionale Hinweis auf die mit der Losvergabe bezweckte Ermöglichung der Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen ist entfallen. Soweit in § 2 Abs. 2 VOL/A-EG vorangestellt ist, mittelständische Interessen seien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen, soll damit lediglich betont werden, dass der Mittelstand gerade auch bei den gemeinschaftsweiten Vergaben über eine Losvergabe vornehmlich berücksichtigen werden soll (vgl. Kus/Marx in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A, 2. Aufl., § 3 Rn. 62 f.). Daraus folgt jedenfalls nicht, dass sich nur mittelständische Unternehmen – wie auch immer dieser Begriff vergaberechtlich in diesem Zusammenhang zu verstehen sein mag – auf eine Losvergabe berufen können. Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner vertieften Erörterung, ob die Regelung in § 97 Abs. 3 Satz 1 GWB, wonach "mittelständische Interessen" bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen sind, speziell auf kleine und mittlere Unternehmen zu beziehen ist und unter welchen Gesichtspunkten insoweit eine Abgrenzung von anderen Unternehmen vorzunehmen ist. Wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend und unter Hinweis auf die Materialien zu § 4 Abs. 3 VgV (BR-Drucks. 727/02), das Sondergutachten 55 der Monopolkommission und das Schrifttum ausführt, kann Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr nur im Wege der Bildung von Losen gefördert werden (vgl. zur Auslegung von § 97 Abs. 3 GWB speziell unter ökonomischen Gesichtspunkten Kirchner, VergabeR 2010, 725, 730 f.)."<ref>Abs. 68</ref>

Oberlandesgerichte

  • OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.04.2011 - 15 Verg 3/11: Losgröße bei mittelstandskonformer Ausschreibung von Unterhaltsreinigungsdienstleistungen
  • OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2008 - Verg W 15/08: "1. Von einem Bieter, der die unterbliebene Aufteilung des Auftrages in Lose rügt, kann nicht die Darlegung eines beabsichtigten Angebotes auf einen Auftrag oder ein Los verlangt werden, das der Auftraggeber nicht ausgeschrieben hat, sondern erst noch ausschreiben soll. Er muss jedoch schlüssig darlegen, dass er in der Lage ist, den Auftrag auszuführen, den der Auftraggeber ausschreiben soll und um den sich der Bieter bewerben will. 2. Der Auftraggeber darf einen Auftrag zur Errichtung sicherheitstechnischer Anlagen wegen des legitimen Interesses, Sicherheitsrisiken zu vermeiden, einheitlich ohne weitere Unterteilung in Lose vergeben. 3. Der Auftraggeber kann mittelständische Interessen auch durch die Einräumung der Möglichkeit zur Bildung von Bietergemeinschaften und die Einbeziehung interessierter Unternehmen als Nachunternehmer fördern."<ref>Amtliche Leitsätze</ref>

Fußnoten

<references/>