Asylrecht

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Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (GG Art. 16a)

Flüchtlingsrecht.png

Schutzbereich: Politisch Verfolgte

Asylrecht

Asylerhebliche Merkmale

Nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Der Begriff "politisch Verfolgter" läßt sich allein nach dem lapidaren Wortlaut dieser Bestimmung nicht näher abgrenzen. Hierzu muß vielmehr festgestellt werden, was insgesamt als Sinn und Zweck der normativen Festlegung, die mit der gegebenen Formulierung zum Ausdruck gebracht wird, gemeint war und ist, wobei insbesondere die Regelungstradition und die Entstehungsgeschichte des Grundrechts in die Betrachtung einzubeziehen sind<ref>(vgl. BVerfGE 74, 51 [57])</ref>. Allgemein liegt dem Asylgrundrecht die von der Achtung der Unverletzlichkeit der Menschenwürde bestimmte Überzeugung zugrunde, daß kein Staat das Recht hat, Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des Einzelnen aus Gründen zu gefährden oder zu verletzen, die allein in

  • seiner politischen Überzeugung,
  • seiner religiösen Grundentscheidung oder
  • in für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen (asylerhebliche Merkmale); von dieser Rechtsüberzeugung ist das grundgesetzliche Asylrecht maßgeblich bestimmt<ref>(vgl. BVerfGE 76, 143 [157 f.])</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 38 (Aufzählungszeichen durch den Verfasser des Kommunalwiki-Artikels)</ref>

Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung

Das Attribut "politisch" in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG meint nicht einen gegenständlich abgegrenzten Bereich von Politik, sondern kennzeichnet eine Eigenschaft oder Qualität, die Maßnahmen in jedem Sachbereich unter bestimmten Umständen jederzeit annehmen können<ref>(vgl. BVerfGE 76, 143 [157])</ref>. Eine notwendige Voraussetzung dafür, daß eine Verfolgung sich als eine politische darstellt, liegt darin, daß sie im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Gestaltung und Eigenart der allgemeinen Ordnung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen steht, also - im Unterschied etwa zu einer privaten Verfolgung - einen öffentlichen Bezug hat, und von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgeht, der der Verletzte unterworfen ist.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 39</ref>

Politische Verfolgung ist somit grundsätzlich staatliche Verfolgung<ref>(st. Rspr.; vgl. BVerfGE 9, 174 [180]; 54, 341 [356 f., 358]; 76, 143 [157 f., 169])</ref>. Dies ergibt sich aus Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des Grundrechts. Die Entstehungsgeschichte belegt, daß der Parlamentarische Rat wie selbstverständlich davon ausging, daß Asyl gegenüber vom Staat ausgehender Verfolgung zu gewähren sei<ref>(vgl. Parl. Rat, Abg. Wagner und Renner in der 44. Sitzung des Hauptausschusses, 19. Januar 1949, Sten. Ber. S. 581, 582)</ref>. Auch das Völkerrecht knüpfte seinerzeit ohne weitere Infragestellung bei den Staaten als Völkerrechtssubjekten an; Gegenstand des Flüchtlingsvölkerrechts waren und sind besondere Sachgestaltungen im Verhältnis der Staaten zu ihren jeweiligen Staatsangehörigen. Diese Sichtweise fand der Verfassungsgeber vor; er hat sie ins deutsche Verfassungsrecht übernommen<ref>(vgl. Reichel, Das staatliche Asylrecht "im Rahmen des Völkerrechts", 1987, S. 87 ff.)</ref>. Ist politische Verfolgung hiernach grundsätzlich staatliche Verfolgung, so steht dem nicht entgegen, daß die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung dem Staat solche staatsähnlichen Organisationen gleichstellt, die den jeweiligen Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen<ref>(vgl. BVerwG, Urt. v. 3. Dezember 1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 43).</ref><ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 40</ref>

Staaten

Staaten stellen in sich befriedete Einheiten dar, die nach innen alle Gegensätze, Konflikte und Auseinandersetzungen durch eine übergreifende Ordnung in der Weise relativieren, daß diese unterhalb der Stufe der Gewaltsamkeit verbleiben und die Existenzmöglichkeit des Einzelnen nicht in Frage stellen, insgesamt also die Friedensordnung nicht aufheben<ref>(vgl. BVerfGE 76, 143 [159 f.])</ref>. Dazu dient die staatliche Macht. Die Macht, zu schützen, schließt indes die Macht, zu verfolgen, mit ein. Daher hebt die Ratio der Asylgewährleistung im Grundgesetz ganz auf die Gefahren ab, die aus einem bestimmt gearteten Einsatz verfolgender Staatsgewalt erwachsen<ref>(vgl. BVerfGE 9, 174 [180])</ref>.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 41</ref>

Ziel und Intensität der Rechtsverletzungen

Demgemäß ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 42</ref>

Rechtsverletzungen

"Die fragliche Maßnahme muß dem Betroffenen gezielt Rechtsverletzungen zufügen. Daran fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen. So hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, daß das Asylrecht nicht jedem, der in seiner Heimat in materieller Not leben muß, die Möglichkeit eröffnen soll, seine Heimat zu verlassen, um in der Bundesrepublik Deutschland seine Lebenssituation zu verbessern<ref>(BVerfGE 54, 341 [357])</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 43</ref>

"wegen" eines Asylmerkmals

"Nicht jede gezielte Verletzung von Rechten, die etwa nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist, begründet schon eine asylerhebliche politische Verfolgung. Erforderlich ist, daß die Maßnahme den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen soll. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerfGE 76, 143 [157, 166 f.])."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 44</ref>

Intensität

"Schließlich muß die in diesem Sinne gezielt zugefügte Rechtsverletzung von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als - ausgrenzende - Verfolgung darstellt. Das Maß dieser Intensität ist nicht abstrakt vorgegeben. Es muß der humanitären Intention entnommen werden, die das Asylrecht trägt, demjenigen Aufnahme und Schutz zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet<ref>(vgl. BVerfGE 74, 51 [64] und allgemein BVerfGE 54, 341 [357]; 76, 143 [158 ff., 163 f.])</ref>.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 45</ref>

Verfolgungsmaßnahmen Dritter

"Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, daß sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind<ref>(vgl. BVerfGE 54, 341 [358]; 76, 143 [169])</ref>. Hierfür kommt es darauf an, ob der Staat den Betroffenen mit den ihm an sich zur Verfügung stehenden Mitteln Schutz gewährt<ref>(vgl. BVerwGE 74, 41 [43])</ref>. Es begründet die Zurechnung, wenn der Staat zur Schutzgewährung

  • entweder nicht bereit ist
  • oder wenn er sich nicht in der Lage sieht,

die ihm an sich verfügbaren Mittel im konkreten Fall gegenüber Verfolgungsmaßnahmen bestimmter Dritter, insbesondere etwa solchen des staatstragenden Klerus oder der staatstragenden Partei, (hinreichend) einzusetzen<ref>(vgl. BVerfGE 54, 341 [358])</ref>.

Anders liegt es, wenn die Schutzgewährung die Kräfte eines konkreten Staates übersteigt; jenseits der ihm an sich zur Verfügung stehenden Mittel endet seine asylrechtliche Verantwortlichkeit. Ihre Grundlage findet die asylrechtliche Zurechnung von Drittverfolgungsmaßnahmen nicht schon im bloßen Anspruch eines Staates auf das legitime Gewaltmonopol, sondern erst in dessen - prinzipieller - Verwirklichung. Soll die Asylgewährleistung Schutz vor einem bestimmt gearteten Einsatz verfolgender Staatsgewalt bieten<ref>(vgl. BVerfGE 9, 174 [180] und oben 1.c)</ref>, so liegt darin als Kehrseite beschlossen, daß Schutz vor den Folgen anarchischer Zustände oder der Auflösung der Staatsgewalt nicht durch Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG versprochen ist."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 46-47</ref>

Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung

Politische Betätigung

"Auch Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung können asylrechtsbegründend sein. Es ist mit der Asylgewährleistung des Grundgesetzes nicht vereinbar, generell demjenigen Asyl zu versagen, der sich gegen seinen Staat politisch betätigt hat und von diesem Staat deswegen verfolgt wird. Wird der Schutzbereich des Asylgrundrechts unter Verweis auf die Flüchtlingsmerkmale der Genfer Konvention umschrieben, so umfaßt das Merkmal "wegen ihrer politischen Überzeugung" nicht nur die politische Gesinnung als solche und ihre Bekundung, sondern grundsätzlich auch ihre Betätigung.

Dies ergibt sich aus der Regelungstradition des Asylrechts und der Entstehungsgeschichte des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG. Traditionell bildeten die Auslieferungsverbote den Kernbestand des Asylrechts; sie aber galten seit dem 19. Jahrhundert zugunsten der "politischen Straftäter", also solcher Ausländer, die ihre oppositionelle politische Überzeugung betätigt und hierbei gegen Strafgesetze verstoßen hatten, mit denen ihr Heimatstaat seine politische Grundordnung und seine territoriale Integrität verteidigte. Nach dem Deutschen Auslieferungsgesetz vom 23. Dezember 1929 durften Ausländer nicht ausgeliefert werden, die wegen einer politischen Straftat verfolgt wurden, es sei denn, sie hatten sich hierbei außerhalb eines offenen Kampfes eines vorsätzlichen Verbrechens gegen das Leben schuldig gemacht<ref>(§ 3 DAG, RGBl. 1929 I S. 239; vgl. § 6 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 23. Dezember 1982, BGBl. I S. 2071)</ref>. Vor dem Hintergrund dieses Auslieferungsverbots, das der seit dem 19. Jahrhundert allgemein geübten Asylpraxis entsprach, hat der Parlamentarische Rat das Asylgrundrecht diskutiert. Er hat dabei ganz selbstverständlich angenommen, daß politische Straftäter, soweit ihnen Auslieferungsschutz zu gewähren war, grundsätzlich auch asylberechtigt seien<ref>(JöR 1, 1951, S. 165 ff.; Parl. Rat, 18. und 44. Sitzung des Hauptausschusses, Sten. Ber. S. 217 f., 582 ff.)</ref>. Mag auch das traditionelle Verbot der Auslieferung politischer Straftäter sich heute nach Zweck, Voraussetzung und Rechtsfolge grundsätzlich vom Asyl für politisch Verfolgte unterscheiden<ref>(vgl. BVerfGE 60, 348 [359]; 64, 46 [62 f.]),</ref> so bleibt doch der sachliche Zusammenhang zwischen Asylrecht und Nichtauslieferung des politischen Straftäters weiterhin wirksam."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 48-49</ref>

Rechtsgüterschutz

"Liegt mithin die betätigte politische Überzeugung im Schutzbereich des Asylgrundrechts, so kann eine staatliche Verfolgung von Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellen - insbesondere separatistische und politisch-revolutionäre Aktivitäten -, grundsätzlich politische Verfolgung sein, und zwar auch dann, wenn der Staat hierdurch das Rechtsgut des eigenen Bestandes oder seiner politischen Identität verteidigt. Es bedarf einer besonderen Begründung, die sich an bestimmten Abgrenzungskriterien orientiert, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen zu lassen.

Ein solches Kriterium ist zunächst der Rechtsgüterschutz. Politische Verfolgung liegt demnach grundsätzlich dann nicht vor, wenn der Staat Straftaten - seien sie auch politisch motiviert - verfolgt, die sich gegen Rechtsgüter seiner Bürger richten: Die Verfolgung kriminellen Unrechts in diesem Sinne ist keine "politische" Verfolgung.

Zusätzlich sind auch alle weiteren objektiven Umstände in den Blick zu nehmen. So stellt sich die Verfolgung von Taten, die sich gegen politische Rechtsgüter richten, gleichwohl nicht als politische Verfolgung dar, wenn derartige Umstände darauf schließen lassen, daß sie nicht der mit dem Delikt betätigten politischen Überzeugung als solcher gilt, sondern einer in solchen Taten zum Ausdruck gelangenden zusätzlichen kriminellen Komponente, deren Strafwürdigkeit der Staatenpraxis geläufig ist. So ist es beispielsweise dann, wenn Straftaten in einer besonders kritischen, über die Bedrohung der staatlichen Einheit oder bestehenden politischen Ordnung hinausgehenden, die Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar gefährdenden Spannungslage verfolgt werden, um - objektiv nachvollziehbar - die privaten Rechtsgüter der Bürger zu schützen, nicht aber, um die Äußerung oder Betätigung einer politischen Überzeugung zu bestrafen. Das kann der Fall sein, wenn die Äußerung oder Betätigung einer politischen Überzeugung in einer durch terroristische Aktivitäten tiefgreifend verunsicherten Situation derart demonstrativ - also ohne eine gebotene deutliche und glaubwürdige Distanzierung von solchen Aktivitäten - erfolgt, daß sie von der Öffentlichkeit gerade als Unterstützung des Terrorismus verstanden werden muß. Die Äußerung oder Betätigung von kritischen - auch von staatsfeindlichen - politischen Überzeugungen als solche bleibt danach im Schutzbereich des Asylrechts.

Allerdings kann die Verfolgung von Straftaten, die sich nach dem Vorangegangenen nicht als politische Verfolgung darstellt, in politische Verfolgung umschlagen, wenn nämlich objektive Umstände darauf schließen lassen, daß der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird. Das ist insbesondere dann zu vermuten, wenn er eine Behandlung erleidet, die härter ist als die sonst zur Verfolgung ähnlicher - nicht politischer - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat übliche."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 50-53</ref>

Grenzen des Asylrechts bei Terrorismus

"Eine andere Grenze hat die Asylverheißung für politische Straftäter dort, wo - unbeschadet der Neutralität des Asylrechts gegenüber politischen Überzeugungen - das Tun des Asylsuchenden wegen der von ihm eingesetzten Mittel von der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit der von ihr mitgetragenen Völkerrechtsordnung grundsätzlich mißbilligt wird. Schon der Parlamentarische Rat war sich darin einig, daß bestimmte schwere Störungen des öffentlichen Friedens auch asylrechtlich nicht hinzunehmen seien; hierzu wurde auf die "Attentatsklausel" des überkommenden Auslieferungsrechts und § 3 Abs. 3 des Deutschen Auslieferungsgesetzes von 1929 hingewiesen (vgl. Parl. Rat, Abg. Dr. Schmid in der 4. Sitzung des Grundsatzausschusses am 23. September 1948, Sten.Ber. S. 37)."

Die genannte Grenze ist überschritten, wenn der Asylsuchende seine politische Überzeugung unter Einsatz terroristischer Mittel betätigt hat, also insbesondere unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter. Asylbegründend ist die Verfolgung des politischen Feindes, nicht die Abwehr des Terrors. Repressive oder präventive Maßnahmen, die der Staat zur Abwehr des Terrorismus ergreift, sind deshalb keine politische Verfolgung im asylrechtlichen Sinne, wenn sie dem aktiven Terroristen, dem Teilnehmer im strafrechtlichen Sinne oder demjenigen gelten, der im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Aktivitäten vornimmt, ohne sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen. Wenn aber sonstige Umstände - wie etwa die besondere Intensität der Verfolgungsmaßnahmen - darauf schließen lassen, daß der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird, oder wenn die staatlichen Maßnahmen über den bezeichneten Personenkreis hinaus sich etwa auf denjenigen erstrecken, der für die separatistischen oder sonstigen politischen Ziele eintritt, aber terroristische Aktivitäten nicht oder nur gezwungenermaßen unterstützt, so kann asylrelevante politische Verfolgung nach den oben (unter b) entwickelten Grundsätzen insoweit gegeben sein. Dies gilt namentlich für Aktionen eines bloßen Gegenterrors, die zwar der Bekämpfung des Terrorismus und seines ihn aktiv unterstützenden Umfeldes gelten mögen, aber darauf ausgerichtet sind, die an dem bestehenden Konflikt nicht unmittelbar beteiligte zivile Bevölkerung - im Gegenzug zu den Aktionen des Terrorismus - unter den Druck brutaler Gewalt zu setzen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 54-55</ref>

Bürgerkrieg

Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners durch staatliche Kräfte

"Ist Voraussetzung für eine vom Staat ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit, so fehlt es an der Möglichkeit politischer Verfolgung, solange der Staat bei offenem Bürgerkrieg im umkämpften Gebiet faktisch nurmehr die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt, als übergreifende effektive Ordnungsmacht aber nicht mehr besteht. Daher sind in diesem Gebiet etwa Maßnahmen des zur Bürgerkriegspartei gewordenen Staates dann keine politische Verfolgung im asylrechtlichen Sinn, wenn und soweit sie typisch militärisches Gepräge aufweisen und der Rückeroberung eines Gebietes dienen, das zwar de iure (noch) zum eigenen Staatsgebiet gehört, über das der Staat jedoch de facto die Gebietsgewalt an die so bekämpften anderen Kräfte verloren hat. In einer derartigen Lage erscheint die Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners durch staatliche Kräfte im allgemeinen nicht als politische Verfolgung. Anderes gilt freilich dann, wenn die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind, vollends wenn die Handlungen der staatlichen Kräfte in die gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des gesamten aufständischen Bevölkerungsteils umschlagen.

Behauptet hingegen der Staat seine prinzipielle Gebietsgewalt oder erlangt er sie - trotz fortdauernden Bürgerkriegs - in bestimmten Gebieten zurück, so besteht auch die Möglichkeit asylrelevanter politischer Verfolgung aus seiner Überlegenheitsposition fort oder entsteht aufs neue."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 56-57</ref>

Guerilla-Bürgerkrieg

"Neben die sogenannte offene Bürgerkriegslage tritt in den letzten Jahrzehnten häufiger der Guerilla-Bürgerkrieg. Dessen Besonderheit liegt in seiner Asymmetrie, insofern hier die Aufständischen, um keine Angriffsfläche zu bieten, im Verborgenen bleiben, aber das staatliche Gewaltmonopol fortschreitend aushöhlen. Führt dies zu einer nachhaltigen und nicht nur vorübergehenden Infragestellung der staatlichen Gebietsgewalt, so tritt ein Zwischenzustand ein, in dem zwar die staatliche Schutz- und Verfolgungsmächtigkeit teilweise noch besteht, jedoch mit derjenigen starker oder überlegener gegnerischer Kräfte konkurriert. Die staatliche Friedensordnung ist damit prinzipiell aufgehoben. Eine solche Situation liegt etwa dort vor, wo sich terroristische Angriffe verbreitet und wiederholt gegen die staatlichen Sicherheitskräfte und, um Unterstützung zu erzwingen, gegen die eigene Bevölkerungsgruppe richten und diese Angriffe den Staat in der Weise überfordern, daß die herkömmlichen Abwehrmittel des Polizei- und Strafrechts nicht mehr genügen, der Staat vielmehr mit militärisch-kriegerischen Mitteln reagieren muß und dabei auf absehbare Zeit außerstande ist, Leben, Freiheit und Eigentum seiner Bürger verläßlich zu schützen.

Wo eine derartige Krisensituation gegeben ist, gerät der Staat, solange diese Situation besteht, in eine dem offenen Bürgerkrieg vergleichbare Lage: Er verliert zunehmend das Gesetz des Handelns als übergreifende und effektive Ordnungsmacht. Seine Maßnahmen verlieren damit insoweit den Charakter asylrechtlich erheblicher Verfolgung, mögen sie auch - wie nicht selten der Fall - völkerrechtswidrig sein, insbesondere den Genfer Rot-Kreuz-Konventionen von 1949 und den Zusatzprotokollen von 1977 widersprechen.

Allerdings ist auch in derartigen besonderen Lagen politische Verfolgung dann gegeben, wenn die Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte in dem oben (4.a) bezeichneten Sinne über Maßnahmen zur Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners im Interesse der Wiederherstellung der staatlichen Friedensordnung hinausgehen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 58-60</ref>

Keine inländische Fluchtalternative

"Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, ist erst dann politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann (inländische Fluchtalternative)."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 61</ref>

Im Heimatstaat des Verfolgten

"Wie dargelegt, stellt das Asylrecht auf das Verhältnis zwischen dem Verfolgten und dem Staat seiner Staatsangehörigkeit ab. Als Verfolger kommt grundsätzlich nur dieser Staat in Betracht (vgl. oben 1.b). Auch in regionaler Hinsicht ist der Heimatstaat des Verfolgten entscheidend: Erst wer in seinem Heimatstaat aufgrund politischer Verfolgung überall schutzlos ist und deshalb Schutz im Ausland suchen muß, ist asylberechtigt im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG<ref>(vgl. BVerwG, JZ 1984, S. 294; BVerwG, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 72)</ref>.

Zwar mag es im Blick auf den Staat europäischer oder nordamerikanischer Prägung, der sein gesamtes Gebiet unter eine Kultur- und Rechtsordnung faßt, schwer vorstellbar erscheinen, daß derselbe Staat, der in einem Landesteil selbst aktiv verfolgt, den hiervon Betroffenen in einem anderen Landesteil nicht nur nicht behelligt, sondern ihn sogar vor dortiger Drittverfolgung in Schutz nimmt. In nicht wenigen Ländern tritt der Staat jedoch zwei- oder mehrgesichtig auf; er verfolgt für verschiedene Regionen unterschiedliche Ziele, errichtet unterschiedliche Kultur- oder Rechtsordnungen oder läßt solche zu. Dies zeigt sich in den vorliegenden Verfahren: Erscheint der Staatsleistung die Abwehr einer separatistischen Bewegung im einen Landesteil nur unter Einsatz von Mitteln erfolgversprechend, die als politische Verfolgung zu qualifizieren sein können, so bedarf es des Einsatzes dieser Mittel in anderen Landesteilen, in denen derartige Bestrebungen fehlen, naturgemäß nicht.

Aus diesem Phänomen des mehrgesichtigen Staates folgt für das Asylrecht, daß nicht jeder, der in einem Landesteil unmittelbarer oder mittelbar-staatlicher Verfolgung ausgesetzt ist, notwendig des Schutzes im Ausland bedarf, sich mithin in einer die AsylgewähBVerfGE 80, 315 (342)BVerfGE 80, 315 (343)rung rechtfertigenden Notlage befindet. Er kann unter Umständen auf verfolgungsfreie Teile seines Heimatstaates verwiesen werden. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, daß auch dieser mehrgesichtige Staat immer ein und derselbe Staat ist. Bei Prüfung der Frage, ob jemand in verfolgungsfreie Landesteile ausweichen kann, darf dieser Umstand nicht außer Betracht bleiben."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 62-64</ref>

Subsidiarität des Asyls im Ausland gegenüber der Schutzgewährung durch den eigenen Staat

"Die Subsidiarität des Asyls im Ausland gegenüber der Schutzgewährung durch den eigenen Staat kennzeichnet auch das Flüchtlingsvölkerrecht. Nach Art. 1 Abschnitt A Nr. 2 GFK ist Flüchtling nur der Verfolgte, der den Schutz des Landes seiner Staatsangehörigkeit nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen begründeter Verfolgungsfurcht nicht in Anspruch nehmen will. Der Verfolgte soll sich mithin zunächst an den Staat seiner Staatsangehörigkeit wenden, ehe er im Ausland Schutz sucht<ref>(vgl. Nehemiah Robinson, Convention Relating to the Status of Refugees - Its History, Contents and Interpretation, 1953, S. 46)</ref>. Dieser Gedanke setzt sich im partikulären Völkerrecht fort: Art. 1 Nr. 2 der Konvention der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) setzt für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus bei einer nur regionalen Verfolgung voraus, daß diese den Zwang begründet, das eigene Land zu verlassen, um im Ausland Zuflucht zu suchen<ref>(Association for the Study of the World Refugee Problem-Bulletin, 1970, S. 86 (87); vgl. Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 1983, S. 26 ff., 42)</ref>. Einen anderen Inhalt hat das völkerrechtliche Institut der Asylgewährung auch zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes nicht gehabt. Geht man aber davon aus, daß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG dasjenige zum Rechtsanspruch erheben wollte, was seinerzeit im Völkerrecht als Asyl oder Asylgewährung begriffen wurde<ref>(vgl. BVerfGE 74, 51 [57, 63]; 76, 143 [156 f.])</ref>, so ist das Grundrecht auf Asyl nach dem Grundgesetz, wenn dafür keine besonderen Anhaltspunkte vorliegen, jedenfalls nicht großzügiger auszulegen als das Flüchtlingsvölkerrecht nach der Genfer Konvention."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 65</ref>

Keine ausweglose Lage

"Eine inländische Fluchtalternative besteht in anderen Landesteilen, wenn der Betroffene dort nicht in eine ausweglose Lage gerät. Das setzt voraus, daß er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen<ref>(vgl. BVerfGE 54, 341 [357])</ref>, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 66</ref>

Nachfluchttatbestände

"Das Asylrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG beruht, wie der Senat hervorgehoben hat, auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl<ref>(vgl. BVerfGE 74, 51 [60])</ref>. Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrt und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt<ref>(sog. Nachfluchttatbestände, vgl. a.a.O., S. 64 ff.).</ref>

Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 67-68</ref>

Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe

"Ergibt die rückschauende Betrachtung, daß der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, daß der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war (vgl. oben 5.c). Das ist, wie dargelegt, der Fall, wenn er in den anderen Landesteilen vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher war oder mit dem Ausweichen dorthin aus anderen als asylerheblichen Gründen in eine ausweglose Lage zu geraten drohte. Hinsichtlich der Sicherheit vor politischer Verfolgung in anderen Landesteilen ist mithin - geht man von den beiden Wahrscheinlichkeitsmaßstäben aus, die die verwaltungsgerichtliche Praxis herausgebildet hat - schon für die Rückschau der "herabgestufte" Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen. Dies trägt auch den oben (5.a) zum mehrgesichtigen Staat dargestellten Erwägungen Rechnung. Eine vergleichbare Besserstellung auch hinsichtlich der verfolgungsunabhängigen Nachteile und Gefahren, die mit einem Ausweichen innerhalb des Heimatstaates möglicherweise verbunden gewesen wären, ist nicht geboten. Der Betroffene ist demnach unverfolgt ausgereist (vgl. unten b), wenn festgestellt werden kann, daß er in anderen Landesteilen vor politischer Verfolgung sicher war, und sich nicht feststellen läßt, daß ihm in diesen Landesteilen die erwähnten Nachteile und Gefahren drohten.

Steht hingegen fest, daß der Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und daß ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinne unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muß sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann<ref>(vgl. BVerfGE 54, 341 [360])</ref>. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet. Dies setzt voraus, daß der vor Verfolgung Geflohene in diesen Landesteilen nicht nur vor politischer Verfolgung, sondern auch vor denjenigen Nachteilen und Gefahren hinreichend sicher ist, die ihm im Zeitpunkt seiner Flucht ein Ausweichen unzumutbar machten, und daß ihm auch keine sonstigen Nachteile und Gefahren drohen, durch die er in eine ausweglose Lage geriete."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 69-70</ref>

Asylsuchende hat seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen

"Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen, die nach Maßgabe der Entscheidung vom 26. November 1986<refY(BVerfGE 74, 51 [64 ff.])</ref> beachtlich sind, politische Verfolgung droht. Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere nach den oben unter 5.c) dargelegten Grundsätzen unzumutbare Nachteile und Gefahren."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 71</ref>

Schutz ohne Asylanspruch bei "de-facto-Flüchtlingen"

"Kann ein Verfolgter nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG kein Asyl beanspruchen, so braucht er nicht schutzlos zu sein. Die Bundesrepublik Deutschland gestattet ebenso wie andere Staaten in Westeuropa Flüchtlingen, die durch Bürgerkriege oder schwere innere Unruhen zur Flucht veranlaßt worden sind (sog. "de-facto-Flüchtlinge"), aus humanitären Gründen den Aufenthalt, obwohl die Voraussetzungen für eine Anerkennung als politisch verfolgter Flüchtling nicht gegeben sind. Darüber hinaus gewähren § 14 Abs. 1 AuslG, Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention und Art. 3 EMRK einen Schutz gegen Ausweisung und Abschiebung, wenn das Leben oder die Freiheit wegen bestimmter, das Anderssein begründender Merkmale bedroht ist oder die konkrete Gefahr menschenunwürdiger Behandlung besteht.

Dieser humanitäre Schutz läßt sich durch vertragliche Abstimmungen zwischen den Aufnahmeländern, insbesondere auch denen, die in der Nähe der jeweiligen Heimatstaaten liegen, ausgestalten; hierbei kann auch die gleichmäßige Nutzung der Aufnahmekapazitäten aller schutzgewährenden Länder vereinbart werden. Darüber hinaus kann die Bundesrepublik Deutschland auf das Unterlassen menschenrechtswidriger und inhumaner Handlungen in einem fremden Staat hinwirken und im Rahmen der Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen und der Europäischen Menschenrechtskonvention Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte treffen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 72-73</ref>

Individuelle Verfolgungsbetroffenheit

Siehe Hubert Heinhold, Recht für Flüchtlinge, Ein Leitfaden durch das Asyl- und Ausländerrecht, Loeper Literaturverlag, 7. Aufl. 2015, Kapitel 2.5., S. 200 f.

Gruppenverfolgung

Anlassgeprägte Einzelverfolgungen

Familienbetroffenheit

Verfolgungsprognose

Vermutung fehlender politischer Verfolgung bei sichererem Herkunftsstaat (GG Art. 16a Abs. 3)

Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird. (GG Art. 16a Abs. 3)

Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Artikels 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Herkunftsstaat) ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 AsylG droht. ([[AsylG 29a}} Abs. 1)

Sichere Herkunftsstaaten sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die in Anlage II des Asylgesetz (AsylG) bezeichneten Staaten. (AsylG § 29a Abs. 2) Dies sind nach dem Stand 24.10.2015

  • Albanien
  • Bosnien und Herzegowina
  • Ghana
  • Kosovo
  • Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik
  • Montenegro
  • Senegal
  • Serbien

Sicherer Drittstaat (GG Art. 16a Abs. 2)

Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des GG Art. 16a Abs. 2 Satz 1 (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1. der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,

2. die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder

3. der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I zu AsylG § 26a bezeichneten Staaten. Diese sind (Stand 19.08.2007)

  • Norwegen und die
  • Schweiz.

In den Fällen des GG Art. 16a Absatz 2 Satz 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden. (GG Art. 16a Absatz 2 Satz 3)

Unzulässige Anträge

Institutionen

Normen

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

EU-Verordnungen

Grundgesetz (GG)

Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)

Asylgesetz (AsylG)

Verwaltungsvorschriften

Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

Oberverwaltungsgerichte

Publikationen

Fachbücher

  • Hubert Heinhold, Recht für Flüchtlinge, Ein Leitfaden durch das Asyl- und Ausländerrecht, Loeper Literaturverlag, 7. Aufl. 2015

Fachaufsätze

  • Christian Biermann, Der „Asylkompromiss“ und das Bundesverfassungsgericht, Jura 1997, 522
  • Friedrich Schoch, Das neue Asylrecht gemäß Art. 16a GG, DVBl. 1993, 1161-1170

Siehe auch

Fußnoten

<references/>