Nicht rechtsfähiger Verein

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Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden nach BGB § 54 Satz 1 die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde nach BGB § 54 Satz 2 persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner.

Vorverein

Der Vorverein ist ein nicht rechtsfähiger Verein.<ref>BayObLG, Beschluss vom 26.01.1972 - BReg. 2 Z 135/71</ref> Als Vorstufe kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehen.<ref>Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005 § 21 Rn. 12</ref>

Anwendbarkeit von Vereinsrecht auf den nicht rechtsfähigen Verein


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Die Vorschrift des BGB § 54 Satz 1 ist vor dem historischen Hintergrund des Misstrauens gegenüber Gewerkschaften überholt. Der Gesetzgeber verfolgte seinerzeit das voreinspolizeiliche Ziel, auch über das Zivilrecht Komntrolle über die aufstrebenden Gewerkschaften auszuüben. Die nichtrechtsfähigen Vereine unterstellte der Gesetzgeber dem Gesellschaftsrecht (BGB § 54), obwohl dies ihrer körperschaftlichen Struktur und ihren Bedürfnissen nicht entspricht. Dadurch erstrebte er, sie am Erwerb eines größeren Vermögens zu hindern und ihre gesellschaftliche Einflußmöglichkeit zu schwächen.<ref>(Mugdan, Materialien zum BGB I S. 401, 637, 640; Staudinger-Coing BGB 11. Aufl. § 54 Rz. 1; Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Teil II 2 S. 168 ff; Habscheid AcP 155 S. 375, 379 ff; Stoll, Die Reichsgerichtspraxis im Deutschen Rechtsleben II, 1929, S. 50 ff; Enneccerus-Nipperdey, BGB Allgemeiner Teil I 15. Aufl. § 116; Fabricius, Relativität der Rechtsfälligkeit, 1963 S. 187 ff)</ref>. Haftungsrechtlich hat die herrschende Lehre in entsprechender Anwendung des BGB § 31 dem nichtrechtsfähigen Verein als solchen die Handlungen seiner Organe und Hilfspersonen zugerechnet und die Mitglieder von der im Gesellschaftsrecht vorgesehenen gesamtschuldnerischen Haftung freigestellt<ref>(Schumann, Zur Haftung der nichtrechtsfähigen Vereine, 1956 S. 33 ff, 58; Habscheid AcP 155, 407 ff, Denecke in RGR-Kommentar 11. Aufl. § 54 Anm. 15; Soergel-Siebert a.a.O. § 54 Rd. Nr. 54; Fabricius a.a.O. S. 192; Enneccerus-Nipperdey aaO, § 116 S. 708 ff; Wapler NJW 1961, 439 [BGH 21.12.1960 - VIII ZR 214/59]; vgl. auch BGHZ 42, 216 [BGH 06.10.1964 - VI ZR 176/63]; a.A. Palandt-Danckelmann, BGB, 27. Aufl. § 54 Anm. 2) A) im Anschluß an RGZ 143, 212)</ref>. Die veränderte, nunmehr bejahende Haltung von Staat und Gesellschaft zu den Gewerkschaften hat vor allem auch im Grundgesetz Ausdruck gefunden, nämlich in Art. 9 Abs. 3 GG, der das Grundrecht der Koalitionsfreiheit normiert<ref>(vgl. dazu BVerfGE 4, 96, 101 f, 106 [BVerfG 18.11.1954 - 1 BvR 629/52]; 17, 319, 329, 333 [BVerfG 14.04.1964 - 2 BvR 69/62]; 18, 26 [BVerfG 06.05.1964 - 1 BvR 79/62]; 19, 303, 312 [BVerfG 30.11.1965 - 2 BvR 54/62]; 20, 312, 317 [BVerfG 19.10.1966 - 1 BvL 24/65]; BGHZ 42, 210, 216 [BGH 06.10.1964 - VI ZR 176/63]-217)</ref>. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG erklärt ferner alle Maßnahmen für rechtswidrig, welche das Recht der Koalitionsfreiheit einzuschränken oder zu behindern suchen. Der BGH entschied in , dass eine Beschränkung der Gewerkschaften auf die passive Parteifähigkeit mit dem Wertsystem der geltenden materiellen Rechtsordnung nicht mehr vereinbar ist. Sie wird der seit Anfang dieses Jahrhunderts fortschreitend vollzogenen sozialen und vor allem Rechtsentwicklung nicht mehr gerecht.<ref>(vgl. auch BGHZ 26, 349; 35, 363, 367 [BGH 19.09.1961 - VI ZR 259/60]; 39, 124, 131 [BGH 05.03.1963 - VI ZR 55/62]; dazu Hauß LM Nr. 18 und 23 zu § 847 BGB)</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 11.07.1968 - VII ZR 63/66 = BGHZ 50, 325 Abs. 9 ff.</ref> Die Frage, ob die volle Parteifähigkeit etwa nicht nur für Gewerkschaften, sondern für alle nichtrechtsfähigen Vereine, oder jedenfalls für solche mit sehr großer Mitgliederzahl ("Massenorganisationen") zu bejahen ist (vgl. dazu Wapler, NJW 1961, 439 [BGH 21.12.1960 - VIII ZR 214/59]; Fabricius a.a.O. S. 187 ff;. 216-217), ließ der BGH<ref>BGH, Urteil vom 11.07.1968 - VII ZR 63/66 = BGHZ 50, 325 Abs. 9 ff.</ref> zunächst offen.

Seit BGH, Urteil vom 02.07.2007 - II ZR 111/05 = NJW 2008, 69 ist in der BGH-Rechtsprechung anerkannt, dass der nicht rechtsfähige Verein aktiv parteifähig ist. Dies wurde mit dem Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen vom 24.09.2009 auch in ZPO § 50 Abs. 2 ausdrücklich verankert.

Normen

Grundgesetz (GG)

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Zivilprozessordnung (ZPO)

  • ZPO § 50 Abs. 2: Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Rechtsprechung

Reichsgericht (RG)

  • RG, Urteil vom 18.01.1934 - IV 369/33 = RGZ 143, 213: "1. Haftet die Gesamtheit der Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Vereins, wenn sie sich zur Erfüllung einer gegenüber einem Mitglied bestehenden Vereinsverpflichtung des Vorstandes bedient, für dessen fahrlässige Nichtbeachtung der im Verkehr erforderlichen oder nur der Sorgfalt, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt? 2. Kann § 708 BGB. durch die Vereinssatzung auch stillschweigend ausgeschlossen werden?"<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>

Bundesgerichtshof (BGH)

Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG)

Landgerichte

Siehe auch

Fußnoten

<references/>