Transparenz (Vergabegrundsatz)
Öffentliche Auftraggeber beschaffen Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren (GWB § 97 Abs. 1). Das Vergabegrundsatz der Transparenz in seiner Ausprägung als Gebot der Klarheit der Vergabeunterlagen ist grundsätzlich bieterschützend<ref>Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht (Stand: 14.09.2015), Rdnr. 218/1 mit Verweis auf OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.05.2013 - 11 Verg 6/13; OLG München, Beschluss vom 20.03.2014 - Verg 17/13; VK Nordbayern, Beschluss vom 19.02.2014 - 21.VK-3194-58/13</ref>. Das Transparenzgebot soll die Gefahr von Günstlingswirtschaft oder von willkürlichen Entscheidungen des Auftraggebers ausschließen.<ref>EuGH, Urteil vom 02.05.2019 - C-309/18 Rz. 19</ref>
Grundsätze der Vergabe
Für den Oberschwellenbereich regelt GWB § 97 folgende Grundsätze der Vergabe:
Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden nach GWB § 97 Abs. 1 Satz 1
- im Wettbewerb und
- im Wege transparenter Verfahren vergeben.
Dabei werden die Grundsätze
- der Wirtschaftlichkeit und
- der Verhältnismäßigkeit
gewahrt (GWB § 97 Abs. 1 Satz 2).
Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind
- gleich zu behandeln<ref>Siehe auch Nichtdiskriminierung</ref>, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet (GWB § 97 Abs. 2).
Bei der Vergabe werden
- Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt (GWB § 97 Abs. 3).
sind nach GWB § 97 Abs. 4 Satz 1 bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
- Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen (GWB § 97 Abs. 5).
- Unternehmen haben nach GWB § 97 Abs. 6 Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden<ref>Siehe auch Öffentlichkeit</ref>.
UVgO § 2 und VOB/A § 2 enthalten entsprechende Regelungen für den Unterschwellenbereich.
Normen
- GWB § 97 Allgemeine Grundsätze
- VOB/A § 20 Abs. 1 Dokumentation
Rechtsprechung
Europäischer Gerichtshof (EuGH)
- EuGH, Urteil vom 02.05.2019 - C-309/18: "Insoweit verlangt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zum einen der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass die Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben müssen, was voraussetzt, dass die Angebote aller Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen. Zum anderen soll das damit einhergehende Transparenzgebot die Gefahr von Günstlingswirtschaft oder von willkürlichen Entscheidungen des Auftraggebers ausschließen. Es verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder im Lastenheft klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt deren genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (Urteil vom 2. Juni 2016, Pizzo, C‑27/15, EU:C:2016:404, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung)."<ref>Rz. 19</ref>
- EuGH, Urteil vom 07.04.2016 - Rs. C-324/14: "Somit müssen die Bieter zum einen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen. Zum anderen soll das Transparenzgebot die Gefahr einer Günstlingswirtschaft oder willkürlicher Entscheidungen des Auftraggebers ausschließen. Dieses Gebot verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2014, Cartiera dell’Adda, C‑42/13, EU:C:2014:2345, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung)."<ref>Abs. 61</ref>
- EuGH, Urteil vom 10.05.2012 - C-368/10: "Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2004/18/EG – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge – Öffentlicher Auftrag für die Lieferung, Installierung und Wartung von Automaten zur Ausgabe von Heißgetränken und für die Lieferung von Tee, Kaffee und anderen Zutaten – Art. 23 Abs. 6 und 8 – Technische Spezifikationen – Art. 26 – Bedingungen für die Auftragsausführung – Art. 53 Abs. 1 – Zuschlagskriterien – Wirtschaftlich günstigstes Angebot – Erzeugnisse aus ökologischer Landwirtschaft und fairem Handel – Verwendung von Gütezeichen im Zusammenhang mit der Formulierung technischer Spezifikationen und Zuschlagskriterien – Art. 39 Abs. 2 – Begriff 'zusätzliche Auskünfte' – Art. 2 – Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen – Grundsatz der Transparenz – Art. 44 Abs. 2 und Art. 48 – Überprüfung der Eignung und Auswahl der Teilnehmer -Mindestanforderungen an die technische oder berufliche Leistungsfähigkeit – Einhaltung der 'Kriterien der Nachhaltigkeit der Einkäufe und des gesellschaftlich verantwortlichen Verhaltens'"
Bundesgerichtshof (BGH)
- BGH, Beschluss vom 10.5.2016 - X ZR 66/15: "Ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, bedarf es im Unterschwellenbereich auch bei der Zulassung von Nebenangeboten nicht in jedem Fall der Festlegung von Kriterien zur Angebotswertung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien das wirtschaftlichste Angebot nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten bestimmt werden kann (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 109/96, BGHZ 139, 273, 278)."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
- BGH, Beschluss vom 01.02.2005 - X ZB 27/04
Oberlandesgerichte
- OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2015 - VII-Verg 31/14
- OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.05.2013 - 11 Verg 6/13
- OLG München, Beschluss vom 20.03.2014 - Verg 17/13
Vergabekammern
Publikationen
- Martin Burgi, Die Bedeutung der allgemeinen Vergabegrundsätze Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung, NZBau 2008, 29
Fußnoten
<references/>