Haftung des Vereins für Organe
Der Verein ist nach BGB § 31 für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
Die in BGB § 31 "normierte Haftung knüpft nicht an die Vertretungsmacht, sondern an die Fähigkeit des Organs an, für die juristische Person zu handeln."<ref>RGZ 162, 129, 169; BGH Urteil vom 8. Februar 1952 - I ZR 92/51 - NJW 1952, 537, BGH, 08.07.1986 - VI ZR 47/85 = BGHZ 98, 148 Tz. 10, BGH, Urteil vom 13.01.1987 - VI ZR 303/85 = BGHZ 99, 298 Tz. 9; 538; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Band, 2. Teil (1983) § 11 III 2 S. 387</ref> "Das wird schon daraus deutlich, daß an die Stelle des ursprünglich vorgesehenen Erfordernisses »in Ausübung der Vertretungsmacht« später der Begriff »in Ausübung der ihm zustehenden Verrichtungen« getreten ist<ref>vgl. Motive I S. 102 f.; RG JW 1917, 593, 594; OLG Stuttgart Seuff Arch 82 Nr. 1 S. 3</ref>. Die Einstandspflicht der Juristischen Person setzt deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs nicht voraus, daß sich das für sie handelnde Organ in den Grenzen seiner Vertretungsmacht gehalten hat; entscheidend ist vielmehr allein, ob sein Handeln in den ihm zugewiesenen Wirkungskreis fiel<ref>RGZ 162, 129, 169; 202, 207; RG JW 1913, 587, 589 f.; 1917, 593 f.; 1928, 2433, 2435; BGHZ 49, 19, 23; Senatsurteile vom 5. Dezember 1958 = aaO S. 81 und vom 20. Februar 1979 - VI ZR 256/77 - VersR 1979, 523, 524 = NJW 1980, 115 [BGH 20.02.1979 - VI ZR 256/77] m. w. Nachw.</ref>."<ref>BGH, 08.07.1986 - VI ZR 47/85 = BGHZ 98, 148 Tz. 10, BGH, Urteil vom 13.01.1987 - VI ZR 303/85 = BGHZ 99, 298 Tz. 9</ref>
"Die juristische Person nimmt zwar durch ihr Organ am Rechtsleben teil und wird von der Rechtsordnung als durch das Organ selbsthandelnde Person angesehen<ref>Senatsurteil vom 5. Dezember 1958 - VI ZR 114/57 - WM 1959, 80, 81</ref>. Gleichwohl kann sie nicht Täter oder Gehilfe einer unerlaubten Handlung sein. § 31 BGB ist keine haftungsbegründende, sondern eine haftungszuweisende Norm, die einen Haftungstatbestand voraussetzt<ref>Staudinger/Coing, BGB 12. Aufl. § 31 Rdn. 4; BGB-RGRK 12. Aufl. § 31 Rdn. 1</ref>. Über § 31 BGB wird die unerlaubte Handlung des Organs lediglich der juristischen Person als Haftungsmasse zugerechnet. Unerläßliche Voraussetzung dieser Zurechnung ist es, daß das Organ, also eine natürliche Person, eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat."<ref>BGH, Urteil vom 13.01.1987 - VI ZR 303/85 = BGHZ 99, 298 Tz. 13</ref>
Von BGB § 31 kann nach BGB § 40 nicht durch die Satzung abgewichen werden.
Persönlicher Anwendungsbereich
Vorstand
Mitglied des Vorstands
Verfassungsmäßig berufener Vertreter
Verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.d. BGB § 31 umfasst vor allem den besonderen Vertreter im Sinne des BGB § 30<ref>Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005 § 31 Rn. 5</ref> und ist in etwa deckungsgleich mit dem Begriff "Leitender Angestellter" im Arbeitsrecht<ref>Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005 § 31 Rn. 6</ref>. BGB § 30 ist auch dann anwendbar, "wenn "durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung wesensmäßige Funktionen der Beklagten zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen" worden wären. Das entspricht dem Sinn der §§ 30, 31 BGB, die dem Verkehrsschutz dienen sollen. Entscheidend ist deshalb, ob der "Berufene" für einen Geschäftskreis bestellt ist , der eine dem Vorstand ähnliche Selbständigkeit bzw. Verantwortlichkeit verlangt<ref>vgl. RGRK BGB 12. Aufl. § 31 Rdn. 3</ref>. Am Verkehrsschutz im Außenverhältnis, nicht am internen "Rang" des Berufenen bemessen sich sonach die Voraussetzungen für §§ 30, 31 BGB<ref>RGZ 157, 228, 236 m.Nachw.</ref>; der "besondere Vertreter" kann durchaus im Innenverhältnis weisungsabhängig sein, sofern nur sein Aufgabenkreis nach außen sich als für das Unternehmen "repräsentativ" qualifiziert<ref>so schon RGZ 94, 318, 320; RG JW 1917, 285; 1930 , 2927, 2929 mit Anm. Hoeniger</ref>. Weder Beschränkungen seiner Vertretungsmacht durch Gesamtvertretung noch bloße auf das Innenverhältnis bezogene Handlungsvollmacht stehen seiner Einordnung nach §§ 30, 31 BGB im Wege<ref>RGZ 117, 61; 64, 134; 375, 377; RG JW 1917, 593, 594; 1930, 2927, 2930; Senatsurteil vom 3. Februar 1970 - VI ZR 245/67 - WM 1970, 633</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 12.07.1977 - VI ZR 159/75 = NJW 1977, 2259 Seite 8 f.</ref>
Organisationsverschulden
"Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muß unter anderem sicherstellen, daß die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muß es deshalb so einrichten, daß ihre Repräsentaten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen<ref>Wissensvertreter, vgl. BGHZ 117, 104, 106 f</ref>, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten<ref>ebenso Grunewald in: Festschrift für Karl Beusch, 1993, S. 301, 304 ff; Taupitz VersR Beilage "Karlsruher Forum 1994" S. 16, 25 ff; JZ 1996, 734, 735; vgl. auch Medicus VersR Beilage "Karlsruher Forum 1994" S. 4, 10 ff; Bohrer DNotZ 1991, 124, 129 f</ref>. Maßgeblich ist also, ob unter den Umständen des konkreten Einzelfalls ein Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Vertretern möglich und geboten gewesen wäre<ref>BGHZ 109, 30, 36 ff</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 12.11.1998 - IX ZR 145/98 = NJW 1999, 284 Abs. 14</ref>
"Nicht nur bei sog Verkehrssicherungspflichten, sondern bei allen Geschäften des täglichen Lebens und des wirtschaftlichen Verkehrs kann ein Organisationsmangel, der zur Haftung der juristischen Person unter Ausschluß des Entlastungsbeweises gemäß BGB § 31 führt, allein schon darin erblickt werden, daß kein verfassungsmäßig berufener Vertreter für den fraglichen Aufgabenkreis bestellt worden ist<ref>RGZ 162, 129 (166); 157, 228 (235); 89, 136</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 10.05.1957 - I ZR 234/55 = BGHZ 24, 200 Seite 20 f.</ref>
Normen
- BGB § 30 Besondere Vertreter
- BGB § 31 Haftung des Vereins für Organe
- BGB § 40 Nachgiebige Vorschriften
- BGB § 89 Haftung für Organe; Insolvenz: (1) Die Vorschrift des § 31 findet auf den Fiskus sowie auf die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts entsprechende Anwendung. (2) Das Gleiche gilt, soweit bei Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts das Insolvenzverfahren zulässig ist, von der Vorschrift des § 42 Abs. 2.
Rechtsprechung
- BGH, Urteil vom 24.02.2003 - II ZR 385/99 = BGHZ 154, 88: "Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts muß sich zu Schadensersatz verpflichtendes Handeln ihrer (geschäftsführenden) Gesellschafter entsprechend BGB § 31 zurechnen lassen."<ref>Amtlicher Leitsatz 1</ref>
- BGH, Urteil vom 13.01.1987 - VI ZR 303/85 = BGHZ 99, 298: "Eine GmbH haftet grundsätzlich nicht nach § 31 BGB, wenn ihr Geschäftsführer als ihr Organ nur Vorbereitungen für eine unerlaubte Handlung trifft, die er erst später als Geschäftsführer einer anderen GmbH ausführt."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
- BGH, 08.07.1986 - VI ZR 47/85 = BGHZ 98, 148
- BGH, Urteil vom 20.02.1979 - VI ZR 256/77 = NJW 1980, 115: "a) Zur Anwendung der §§ 31, 89 BGB bei Zuständigkeitsüberschreitungen des Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. b) Eine bayerische Gemeinde hat grundsätzlich für den Vertrauensschaden der Bank nach §§ 31, 89 BGB einzustehen, wenn ihr Erster Bürgermeister unter Vorlage gefälschter Gemeinderatsbeschlüsse und unter der Vorgabe, die erforderlichen Genehmigungen der Rechtsaufsichtsbehörde würden erteilt, einen Kredit für die Gemeinde erschwindelt und ihn für sich verbraucht."<ref>Amtliche Leitsätze 1 und 2</ref>
- BGH, Urteil vom 12.07.1977 - VI ZR 159/75 = NJW 1977, 2259: Zur Haftung einer Berliner Großbank für die Veruntreuung von ihr zur Anlage ausgehändigten Geldern durch den Leiter einer Zweigstelle.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
- BGB § 30 ist auch dann anwendbar, "wenn "durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung wesensmäßige Funktionen der Beklagten zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen" worden wären. Das entspricht dem Sinn der §§ 30, 31 BGB, die dem Verkehrsschutz dienen sollen. Entscheidend ist deshalb, ob der "Berufene" für einen Geschäftskreis bestellt ist , der eine dem Vorstand ähnliche Selbständigkeit bzw. Verantwortlichkeit verlangt<ref>vgl. RGRK BGB 12. Aufl. § 31 Rdn. 3</ref>. Am Verkehrsschutz im Außenverhältnis, nicht am internen "Rang" des Berufenen bemessen sich sonach die Voraussetzungen für §§ 30, 31 BGB<ref>RGZ 157, 228, 236 m.Nachw.</ref>; der "besondere Vertreter" kann durchaus im Innenverhältnis weisungsabhängig sein, sofern nur sein Aufgabenkreis nach außen sich als für das Unternehmen "repräsentativ" qualifiziert<ref>so schon RGZ 94, 318, 320; RG JW 1917, 285; 1930 , 2927, 2929 mit Anm. Hoeniger</ref>. Weder Beschränkungen seiner Vertretungsmacht durch Gesamtvertretung noch bloße auf das Innenverhältnis bezogene Handlungsvollmacht stehen seiner Einordnung nach §§ 30, 31 BGB im Wege<ref>RGZ 117, 61; 64, 134; 375, 377; RG JW 1917, 593, 594; 1930, 2927, 2930; Senatsurteil vom 3. Februar 1970 - VI ZR 245/67 - WM 1970, 633</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 12.07.1977 - VI ZR 159/75 = NJW 1977, 2259 Seite 8 f.</ref>
- BGH, Urteil vom 30.10.1967 - VII ZR 82/65 = BGHZ 49, 19: "Zur Frage, ob der Filialleiter einer Auskunftei "verfassungsmäßig berufener Vertreter" im Sinne des BGB § 31 ist, und ob er bei der Erteilung von falschen Auskünften "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" handelt." (Im gegebenen Fall beides bejaht).<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
- BGH, Urteil vom 28.04.1954 - II ZR 279/53 = BGHZ 13, 198:"Denn die Freizeichnung der Bank von einer Haftung wegen unrichtiger Auskunftserteilung greift nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen dann nicht durch, wenn ein Leiter einer Zweigniederlassung, der verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne von BGB § 30 ist, oder ein diesem gleichzustellender leitender Angestellter vorsätzlich unrichtige Auskunft erteilt<ref>RG Urt. vom 20.8.1937 VII 5/37 in Bank-A 37, 85; RG Urt. vom 3.7.1934 in WarnRspr. 1934, 156 = Bank-A 34, 189 [190]; vgl. ferner RGZ 126, 50 [52]; RG Bank-A 32, 228; RGZ 157, 228 [232]</ref>. Die Beklagte würde infolgedessen für eine dem Filialleiter zur Last fallende vorsätzliche Schädigung der Klägerin nach vertraglichen Grundsätzen haften (BGB § 31 oder BGB § 278). Hierfür bedarf es lediglich der Feststellung, ob der der Klägerin entstandene Schaden auf mitwirkendes Handeln oder Unterlassen des Filialleiters zurückzuführen ist und ob der Filialleiter sich der Möglichkeit einer Schädigung der Klägerin bewußt war, diesen möglichen Erfolg in seinen Willen aufgenommen und ihn gebilligt hat."<ref>Abs. 19</ref>
Siehe auch
Fußnoten
<references/>