Politische Verfolgung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 18. Januar 2017, 21:07 Uhr
Politische Verfolgung im Sinne von GG Art. 16 Abs. 2 Satz 2 ist grundsätzlich staatliche Verfolgung.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Amtlicher Leitsatz 1</ref>
Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an
- seine politische Überzeugung,
- seine religiöse Grundentscheidung oder an
- für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen,
gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Amtlicher Leitsatz 2</ref>
Auch eine staatliche Verfolgung von Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellen, kann grundsätzlich politische Verfolgung sein, und zwar auch dann, wenn der Staat hierdurch das Rechtsgut des eigenen Bestandes oder seiner politischen Identität verteidigt. Es bedarf einer besonderen Begründung, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen zu lassen.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Amtlicher Leitsatz 3</ref>
Voraussetzung für eine vom Staat ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung ist die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit. Daher fehlt es an der Möglichkeit politischer Verfolgung, solange der Staat bei offenem Bürgerkrieg im umkämpften Gebiet faktisch nurmehr die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt, als übergreifende effektive Ordnungsmacht aber nicht mehr besteht. Gleiches gilt in bestimmten Krisensituationen eines Guerilla-Bürgerkriegs.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Amtlicher Leitsatz 4 Teil 1</ref>
In allen diesen Fällen ist politische Verfolgung allerdings gegeben, wenn die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind, vollends wenn ihre Handlungen in die gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität eines nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Bevölkerungsteils umschlagen.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Amtlicher Leitsatz 4 Teil 2</ref>
Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, ist erst dann politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann (inländische Fluchtalternative).<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Amtlicher Leitsatz 5a</ref>
Eine inländische Fluchtalternative setzt voraus, daß der Asylsuchende in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde.<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Amtlicher Leitsatz 5b</ref>
Eine Verfolgung stellt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann als politische dar, wenn sie im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Gestaltung und Eigenart der allgemeinen Ordnung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen steht, also - im Unterschied etwa zu einer privaten Verfolgung - einen öffentlichen Bezug hat und von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgeht, der der Verletzte unterworfen ist. Politische Verfolgung ist somit grundsätzlich staatliche Verfolgung. Dem steht nicht entgegen, dass dem Staat solche staatsähnlichen Organisationen gleichstehen, die den jeweiligen Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.08.2000 - 2 BvR 260/98, 2 BvR 1353/98 Abs. 12</ref>
Institutionen
Normen
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Grundgesetz (GG)
Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
- BVerfG, Beschluss vom 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 = NVwZ 2009, 1281 - Griechenland
- BVerfG, Beschluss vom 10.08.2000 - 2 BvR 260/98, 2 BvR 1353/98
- BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93; 2 BvR 2315/93 = BVerfGE 94, 49 - Sichere Drittstaaten
- BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1507/93; 2 BvR 1508/93 = BVerfGE 94, 115 - Sichere Herkunftsstaaten
- BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 = BVerfGE 94, 166 - Flughafenverfahren
- BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 = BVerfGE 80, 315 - Tamilen
- BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 = BVerfGE 54, 341 - Wirtschaftsasyl
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
Publikationen
Fachbücher
- Hubert Heinhold, Recht für Flüchtlinge, Ein Leitfaden durch das Asyl- und Ausländerrecht, Loeper Literaturverlag, 7. Aufl. 2015
Fachaufsätze
- Christian Biermann, Der „Asylkompromiss“ und das Bundesverfassungsgericht, Jura 1997, 522
- Friedrich Schoch, Das neue Asylrecht gemäß Art. 16a GG, DVBl. 1993, 1161-1170
Siehe auch
Fußnoten
<references/>