Umweltgesichtspunkte bei der Eignungsprüfung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 2. Dezember 2020, 21:04 Uhr

Bei der Eignungsprüfung können Umweltgesichtspunkte zulässig sein. Eignungskriterien müssen nach GWB § 122 Abs. 4 Satz 1 mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers oder Bieters kann der öffentliche Auftraggeber nach VgV § 46 Abs. 3 je nach Art, Verwendungszweck und Menge oder Umfang der zu erbringenden Liefer- oder Dienstleistungen ausschließlich die Vorlage von einer oder mehreren der in VgV § 46 Abs. 3 Nrn. 1 ff. genannten Unterlagen verlangen. Nach Ziffer 7. kann er die Angabe der Umweltmanagementmaßnahmen verlangen, die das Unternehmen während der Auftragsausführung anwendet. Dies setzt voraus, dass die Ausführung in den Bereich der nach der EMAS-Verordnung<ref>Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 761/2001</ref> erfassten Arbeitsabläufe und Tätigkeiten fällt.<ref>Jan Ziekow /Uwe-Carsten Völlink, Vergaberecht, 4., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. 2020, Verlag C.H. Beck, München, ISBN 9783406747113 § 122 Rn. 34</ref>

Umweltorientierte Beschaffung

"Umweltorientierte Auftragsvergabe (Green Public Procurement, GPP) ist ein wichtiges Instrument zum Erreichen der umweltpolitischen Ziele im Zusammenhang mit dem Klimawandel, der Ressourcennutzung sowie der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch, und zwar insbesondere angesichts der Bedeutung der Ausgaben des öffentlichen Sektors für Waren und Dienstleistungen in Europa"<ref>Handbuch für ein umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen der Europäischen Union (Stand: Februar 2016) © Europäische Union, 2016, Nachdruck mit Quellenangabe gestattet , Seite 4</ref>

Die umweltorientierte Beschaffung („Green Public ProcurementGPP”) kann aufgefasst werden als

"…ein Prozess, in dessen Rahmen die staatlichen Stellen versuchen,

zu beschaffen, die während ihrer gesamten Lebensdauer geringere Folgen für die Umwelt haben als vergleichbare Produkte mit der gleichen Hauptfunktion."<ref>Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Umweltorientiertes Öffentliches Beschaffungswesen - Ziffer 3.1</ref>

Nach GWB § 97 Abs. 3 werden bei der Vergabe Aspekte der

nach Maßgabe des vierten Teils des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)) berücksichtigt.

Entgegen dem Wortlaut ist GWB § 97 Abs. 3 nicht zwingend.<ref>Jan Ziekow /Uwe-Carsten Völlink, Vergaberecht, 4., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. 2020, Verlag C.H. Beck, München, ISBN 9783406747113 § 97 Rn. 61</ref> Verpflichtende Vorschriften finden sich Im Rahmen der

Eignungsprüfung

Der Auftraggeber überprüft die Eignung der Bewerber oder Bieter anhand von Eignungskriterien.

Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit

Der öffentliche Auftraggeber kann nach VgV § 45 Abs. 1 Satz 1 im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Bewerber oder Bieter über die erforderlichen wirtschaftlichen und finanziellen Kapazitäten für die Ausführung des Auftrags verfügen. Zu diesem Zweck kann er insbesondere Folgendes verlangen:

  1. einen bestimmten Mindestjahresumsatz, einschließlich eines bestimmten Mindestjahresumsatzes in dem Tätigkeitsbereich des Auftrags,
  2. Informationen über die Bilanzen der Bewerber oder Bieter; dabei kann das in den Bilanzen angegebene Verhältnis zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten dann berücksichtigt werden, wenn der öffentliche Auftraggeber transparente, objektive und nichtdiskriminierende Methoden und Kriterien für die Berücksichtigung anwendet und die Methoden und Kriterien in den Vergabeunterlagen angibt, oder
  3. eine Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung in bestimmter geeigneter Höhe.

Sofern ein Mindestjahresumsatz verlangt wird, darf dieser nach VgV § 45 Abs. 2 Satz 1 das Zweifache des geschätzten Auftragswerts nur überschreiten, wenn aufgrund der Art des Auftragsgegenstands spezielle Risiken bestehen. Der öffentliche Auftraggeber hat eine solche Anforderung in den Vergabeunterlagen oder im Vergabevermerk hinreichend zu begründen (VgV § 45 Abs. 2 Satz 2).

Ist ein öffentlicher Auftrag in Lose unterteilt, finden nach VgV § 45 Abs. 3 Satz 1 die Absätze 1 und 2 auf jedes einzelne Los Anwendung. Der öffentliche Auftraggeber kann jedoch für den Fall, dass der erfolgreiche Bieter den Zuschlag für mehrere gleichzeitig auszuführende Lose erhält, nach VgV § 45 Abs. 3 Satz 2 einen Mindestjahresumsatz verlangen, der sich auf diese Gruppe von Losen bezieht.

Als Beleg der erforderlichen wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit des Bewerbers oder Bieters kann der öffentliche Auftraggeber nach VgV § 45 Abs. 4 in der Regel die Vorlage einer oder mehrerer der folgenden Unterlagen verlangen:

  1. entsprechende Bankerklärungen,
  2. Nachweis einer entsprechenden Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung,
  3. Jahresabschlüsse oder Auszüge von Jahresabschlüssen, falls deren Veröffentlichung in dem Land, in dem der Bewerber oder Bieter niedergelassen ist, gesetzlich vorgeschrieben ist,
  4. eine Erklärung über den Gesamtumsatz und gegebenenfalls den Umsatz in dem Tätigkeitsbereich des Auftrags; eine solche Erklärung kann höchstens für die letzten drei Geschäftsjahre verlangt werden und nur, sofern entsprechende Angaben verfügbar sind.

Kann ein Bewerber oder Bieter aus einem berechtigten Grund die geforderten Unterlagen nicht beibringen, so kann er seine wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit durch Vorlage anderer, vom öffentlichen Auftraggeber als geeignet angesehener Unterlagen belegen (VgV § 45 Abs. 5).

Normen

EU

Richtlinien

Aufgehoben (außer Kraft)

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

  • GWB § 122 Eignung
  • GWB § 124 Abs. 1 Nr. 1: Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat, ...

Vergabeverordnung (VgV)

  • VgV § 46 Abs. 3 Nr. 7: Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers oder Bieters kann der öffentliche Auftraggeber je nach Art, Verwendungszweck und Menge oder Umfang der zu erbringenden Liefer- oder Dienstleistungen ausschließlich die Vorlage von einer oder mehreren der folgenden Unterlagen verlangen: ... 7. Angabe der Umweltmanagementmaßnahmen, die das Unternehmen während der Auftragsausführung anwendet, ...
  • VgV § 49 Abs. 2: Verlangt der öffentliche Auftraggeber als Beleg dafür, dass Bewerber oder Bieter bestimmte Systeme oder Normen des Umweltmanagements erfüllen, die Vorlage von Bescheinigungen unabhängiger Stellen, so bezieht sich der öffentliche Auftraggeber
  1. entweder auf das Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung EMAS der Europäischen Union oder
  2. auf andere nach Artikel 45 der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 761/2001, sowie der Beschlüsse der Kommission 2001/681/EG und 2006/193/EG (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 1) anerkannte Umweltmanagementsysteme oder
  3. auf andere Normen für das Umweltmanagement, die auf den einschlägigen europäischen oder internationalen Normen beruhen und von akkreditierten Stellen zertifiziert sind.

Rechtsprechung

Oberlandesgerichte

  • OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.5.2014 - VII-Verg 46/13 = ZfBR 2014, 785, IBR 2014, 566: "Allerdings ist dem öffentlichen Auftraggeber verwehrt, bei zusätzlichen Anforderungen gemäß § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB im Vergabeverfahren in der Art von Eignungsbelegen von Bietern zum Beispiel Nachweise darüber zu verlangen, dass ihr Unternehmen vor Erteilung des Zuschlags bereits über die erforderliche Anzahl umweltfreundlicher Abschleppfahrzeuge verfügt. Als eine durch einen Nachweis (z.B. durch eine Fotokopie des Fahrzeugscheins) mit dem Angebot oder sonst im Vergabeverfahren zu belegende Eignungsanforderung wäre dies unangemessen (vgl. Art. 58 Abs. 1 Satz 4 Richtlinie 2014/24), weil die für die Ausführung des Vertrags erforderliche technische Ausrüstung den Bietern nicht schon im Vergabeverfahren, sondern erst bei Beginn der Auftragsausführung zur Verfügung stehen muss.
Hat der öffentliche Auftraggeber zum Beispiel umweltbezogene Anforderungen für die Ausführung gestellt, können Nachweise bezüglich einer voraussichtlichen Erfüllung solcher Anforderungen indes bereits im rechtlichen Ansatz von ihm nicht gefordert werden. Der Auftraggeber ist darauf beschränkt, von den Bietern entsprechende (ggf. verbindliche) Verpflichtungserklärungen des Inhalts zu verlangen, dass sie die an die Ausführung gerichteten zusätzlichen Anforderungen im Fall eines Zuschlags einhalten werden. Zwar weist Erwägungsgrund 40 der Richtlinie 2014/24 darauf hin, dass die Überprüfung der Einhaltung dieser umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen in den relevanten Phasen des Vergabeverfahrens erfolgen (sollte), also bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze für die Auswahl der Teilnehmer und die Auftragsvergabe, bei der Anwendung der Ausschlusskriterien und bei der Anwendung der Bestimmungen bezüglich ungewöhnlich niedriger Angebote. Die zu diesem Zweck erforderliche Überprüfung sollte im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie, insbesondere der Bestimmungen zu Nachweisen und Eigenerklärungen, durchgeführt werden.
Doch sehen die Vorschriften der Richtlinie 2014/24 (einschließlich der Erwägungsgründe 40 und 97 bis 99, genauso die Vorschriften der Richtlinie 2004/18 oder § 97 Abs. 4 GWB), mit denen übereinstimmend eine Überprüfung allein stattfinden kann, nicht vor, dass der öffentliche Auftraggeber zum Beleg für die Einhaltung von zusätzlichen Anforderungen (Bedingungen) an die Ausführung im Vergabeverfahren - wie bei Eignungskriterien - von Bietern die Vorlage von Erklärungen oder Nachweisen verlangen darf. Das deutsche und das unionsrechtliche Vergaberecht lassen eine präventive Kontrolle durch den Auftraggeber darüber, ob Bieter zusätzliche Anforderungen an die Ausführung einhalten können oder dies wahrscheinlich tun werden, nicht zu. Dies verbietet sich auch deshalb, weil zusätzliche Anforderungen nicht betriebs- oder unternehmensbezogen sind, sondern allein die Auftragsausführung betreffen. Demzufolge kann der Auftraggeber die Einhaltung zusätzlicher Anforderungen lediglich bei der Auftragsausführung überprüfen - wobei er gut beraten ist, im Liefer- oder Leistungsvertrag ein praktikables Instrumentarium, das Verstöße effektiv ahnden lässt, vorzusehen (wie vorstehend auch Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl., § 97 GWB Rn. 144).
Im Ergebnis kann die Antragsgegnerin zum Beleg der Einhaltung von Umweltanforderungen bei der Ausführung im Vergabeverfahren von Bietern nicht die Vorlage von Fotokopien der Fahrzeugscheine oder von Ausnahmegenehmigungen fordern.
Auch die an die Ausführung gestellte Anforderung, wonach Bieter über eine bestimmte, für erforderlich gehaltene Zahl von Abschleppfahrzeugen zu verfügen haben, ist von ihnen im Vergabeverfahren durch eine Erklärung oder einen Nachweis nicht zu belegen gewesen."<ref>Abs. 42 ff.</ref>

Vergabekammern

Publikationen

Kommentare

Fachartikel

  • Opitz, Das Legislativpaket: Die neuen Regelungen zur Berücksichtigung umwelt- und sozialpolitischer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, VergabeR 2004, 421 ff.

Siehe auch

Fußnoten

<references/>