Meinungsfreiheit: Unterschied zwischen den Versionen

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"Fragen unterscheiden sich von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen dadurch, daß sie keine Aussage machen, sondern eine Aussage herbeiführen wollen. Sie sind auf Antwort gerichtet. Diese kann in einem Werturteil oder einer Tatsachenmitteilung bestehen. Dagegen lassen sich Fragen keinem der beiden Begriffe zuordnen, sondern bilden eine eigene semantische Kategorie. Sie fallen deswegen aber nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts heraus. Das ergibt sich aus dessen Schutzzweck. Die freie Meinungsäußerung wird vom Grundgesetz garantiert, weil sie sowohl unmittelbarer Ausdruck der menschlichen Person als auch unerläßliche Voraussetzung einer demokratischen Ordnung ist<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 (208) {{BVerfG 1 BvR 400/51}}</ref>. Daher erschöpft sich das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG auch nicht im Schutz einzelner Äußerungen, sondern will die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung insgesamt sichern<ref>vgl. BVerfGE 57, 295 (319) {{BVerfG 1 BvL 89/78}}</ref>. Für den Meinungsbildungsprozeß spielen Fragen aber eine wichtige Rolle. Indem sie die Aufmerksamkeit auf Probleme lenken und Antworten hervorrufen, tragen sie zur Bildung von Meinungen bei, die dann ihrerseits wieder geäußert werden können. Das ist um so wichtiger, als in vielen Bereichen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen oder berühren, der Einzelne nicht über die für seine Meinungsbildung erforderlichen Informationen verfügt, so daß ihm nur die Möglichkeit kritischer oder nachforschender Fragen bleibt. Fehlte der Grundrechtsschutz für Fragen, so wäre der Kommunikationsprozeß, den Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit schützen will, nur unzureichend gesichert.
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"Fragen unterscheiden sich von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen dadurch, daß sie keine Aussage machen, sondern eine Aussage herbeiführen wollen. Sie sind auf Antwort gerichtet. Diese kann in einem Werturteil oder einer Tatsachenmitteilung bestehen. Dagegen lassen sich Fragen keinem der beiden Begriffe zuordnen, sondern bilden eine eigene semantische Kategorie. Sie fallen deswegen aber nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts heraus. Das ergibt sich aus dessen Schutzzweck. Die freie Meinungsäußerung wird vom Grundgesetz garantiert, weil sie sowohl unmittelbarer Ausdruck der menschlichen Person als auch unerläßliche Voraussetzung einer demokratischen Ordnung ist<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 (208) {{BVerfG 1 BvR 400/51}}</ref>. Daher erschöpft sich das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG auch nicht im Schutz einzelner Äußerungen, sondern will die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung insgesamt sichern<ref>[[{{BVerfG 1 BvL 89/78}}|vgl. BVerfGE 57, 295 (319) ]]</ref>. Für den Meinungsbildungsprozeß spielen Fragen aber eine wichtige Rolle. Indem sie die Aufmerksamkeit auf Probleme lenken und Antworten hervorrufen, tragen sie zur Bildung von Meinungen bei, die dann ihrerseits wieder geäußert werden können. Das ist um so wichtiger, als in vielen Bereichen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen oder berühren, der Einzelne nicht über die für seine Meinungsbildung erforderlichen Informationen verfügt, so daß ihm nur die Möglichkeit kritischer oder nachforschender Fragen bleibt. Fehlte der Grundrechtsschutz für Fragen, so wäre der Kommunikationsprozeß, den Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit schützen will, nur unzureichend gesichert.
  
 
Neben Werturteilen und Tatsachenbehauptungen sind daher auch Fragen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen können Fragen aber nicht unrichtig sein<ref>vgl. J. Walther, Logik der Fragen, 1985, S. 30 ff.</ref>. Zwar enthält jede Frage, indem sie sich auf einen bestimmten Gegenstand bezieht, ausgesprochen oder unausgesprochen Annahmen tatsächlicher oder wertender Art, die der Fragende einer Verifizierung oder Klärung zuführen will. Insofern gibt es keine reinen Fragen, denen jeder Aussagegehalt fehlt. Da der Fragende aber gerade wissen will, was richtig oder falsch, wahr oder unwahr ist, und dabei für verschiedene Antworten offen bleibt, kann die Frage selber nicht an den Kriterien von Wahrheit oder Unwahrheit gemessen werden. Das gilt auch, wenn sich eine Frage auf Tatsachen bezieht, die sich anschließend als nicht gegeben herausstellen. Unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit stehen Fragen daher Werturteilen gleich.
 
Neben Werturteilen und Tatsachenbehauptungen sind daher auch Fragen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen können Fragen aber nicht unrichtig sein<ref>vgl. J. Walther, Logik der Fragen, 1985, S. 30 ff.</ref>. Zwar enthält jede Frage, indem sie sich auf einen bestimmten Gegenstand bezieht, ausgesprochen oder unausgesprochen Annahmen tatsächlicher oder wertender Art, die der Fragende einer Verifizierung oder Klärung zuführen will. Insofern gibt es keine reinen Fragen, denen jeder Aussagegehalt fehlt. Da der Fragende aber gerade wissen will, was richtig oder falsch, wahr oder unwahr ist, und dabei für verschiedene Antworten offen bleibt, kann die Frage selber nicht an den Kriterien von Wahrheit oder Unwahrheit gemessen werden. Das gilt auch, wenn sich eine Frage auf Tatsachen bezieht, die sich anschließend als nicht gegeben herausstellen. Unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit stehen Fragen daher Werturteilen gleich.

Version vom 18. Februar 2015, 07:33 Uhr

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten... (GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1)

Schutzbereich

Übersicht

"Die Meinungsfreiheit [ist] als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte; schon das verleiht ihr besonderes Gewicht. Darüber hinaus ist das Grundrecht für die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend, indem es den geistigen Kampf, die freie Auseinandersetzung der Ideen und Interessen gewährleistet, die für das Funktionieren dieser Staatsordnung lebensnotwendig ist<ref>vgl. BVerfGE 5, 85 [205]; 7, 198 [208]</ref>. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlich demokratischen Staat notwendig "pluralistisch" im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen, vor allem in Rede und Gegenrede vollzieht. Jedem Staatsbürger ist durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht gewährleistet, an dieser öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Die Presse ist neben Rundfunk und Fernsehen das wichtigste Instrument der Bildung der öffentlichen Meinung; die Pressefreiheit genießt deshalb gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spezifischen Grundrechtsschutz.

Die Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit muß gerade auf die in § 193 StGB gebotene Güterabwägung zwischen Ehre und Meinungsfreiheit - falls Gesichtspunkte der öffentlichen Meinungsbildung eine Rolle spielen - einen wesentlichen Einfluß ausüben. Der Bundesgerichtshof trägt dem Rechnung, indem er den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB als eine "Ausprägung" des Grundrechts der freien Meinungsäußerung wertet und die Bedeutung der Bildung öffentlicher Meinung bei seiner Anwendung berücksichtigt<ref>BGHSt 12, 287 [293 f.]</ref> und indem er - abweichend von der früheren Judikatur - die Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die Presse im Hinblick auf deren Funktion im demokratischen Staat als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB anerkennt<ref>BGHZ 31, 308 [312]</ref>.

Aus dem Gesichtspunkt einer Gegenwirkung, die der in der öffentlichen Meinung erzielten Wirkung entspricht, bestimmt sich auch die dem Grundgesetz gemäße Abgrenzung des strafbaren Exzesses." <ref>BVerfG, Beschluss vom 25.01.1961 - 1 BvR 9/57 = BVerfGE 12, 113; NJW 1961, 819</ref>

Meinung

Begriff

"Gegenstand des grundrechtlichen Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sind Meinungen. Auf sie bezieht sich die Freiheit der Äußerung und Verbreitung. Meinungen sind durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt<ref>vgl. BVerfGE 33, 1 [14]</ref>. Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 [210]; 61, 1 [8]</ref>. Insofern lassen sie sich auch nicht als wahr oder unwahr erweisen. Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne daß es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird<ref>vgl. BVerfGE 33, 1 [14 f.]</ref>. Der Schutz des Grundrechts erstreckt sich auch auf die Form der Aussage. Eine Meinungsäußerung verliert den grundrechtlichen Schutz nicht dadurch, daß sie scharf oder verletzend formuliert ist<ref>vgl. BVerfGE 54, 129 [136 ff.]; 61, 1 [7]</ref>. In dieser Hinsicht kann die Frage nur sein, ob und inwieweit sich nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 2 GG Grenzen der Meinungsfreiheit ergeben."<ref>BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 Rdnr. 26 - Auschwitzlüge</ref>

"Konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als Äußerung einer "Meinung" vom Schutz des Grundrechts umfaßt wird, ist das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung; auf den Wert, die Richtigkeit, die Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an."<ref>BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83; 1 BvR 269/83; 1 BvR 362/83; 1 BvR 420/83; 1 BvR 440/83; 1 BvR 484/83 - Volkszählung</ref>

Abgrenzung von Meinung und Tatsachenbehauptung

"Die Mitteilung einer Tatsache ist im strengen Sinne keine Äußerung einer "Meinung", weil ihr jedes Element fehlt. Durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt ist sie nur, soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen ist, welche Art 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet<ref>BVerfGE 61, 1 [8 f.]</ref>. Demgegenüber sind Angaben im Rahmen statistischer Erhebungen wie denen des Volkszählungsgesetzes 1983 reine Tatsachenmitteilungen, die mit Meinungsbildung nichts zu tun haben."<ref>BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83; 1 BvR 269/83; 1 BvR 362/83; 1 BvR 420/83; 1 BvR 440/83; 1 BvR 484/83 - Volkszählung</ref>

"Tatsachenbehauptungen sind ... im strengen Sinn keine Meinungsäußerungen. Im Unterschied zu diesen steht bei ihnen die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund. Insofern sind sie auch einer Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt zugänglich. Tatsachenbehauptungen fallen deswegen aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG heraus. Da sich Meinungen in der Regel auf tatsächliche Annahmen stützen oder zu tatsächlichen Verhältnissen Stellung beziehen, sind sie durch das Grundrecht jedenfalls insoweit geschützt, als sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind, welche Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet<ref>vgl. BVerfGE 61, 1 [8]</ref>.

Infolgedessen endet der Schutz von Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die bewußt oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfaßt wird<ref>vgl. BVerfGE BVerfGE 90, 241 (247)BVerfGE 90, 241 (248)54, 208 [219]; 61, 1 [8]</ref>. Allerdings dürfen die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, daß darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet und auch zulässige Äußerungen aus Furcht vor Sanktionen unterlassen werden<ref>vgl. BVerfGE 54, 208 [219 f.]; 61, 1 [8]; 85, 1 [22])</ref>.

Die Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen kann freilich schwierig sein, weil beide häufig miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In diesem Fall ist eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird. Wo das nicht möglich ist, muß die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen und in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte<ref>vgl. BVerfGE 61, 1 [9]; 85, 1 [15 f.]</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 Rdnr. 27-29</ref>

Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen

"Geschützt sind damit von Art. 5 Abs. 1 GG auch Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind. Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien. Dementsprechend fällt selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts als radikale Infragestellung der geltenden Ordnung nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG heraus. Den hierin begründeten Gefahren entgegenzutreten, weist die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes primär bürgerschaftlichem Engagement im freien politischen Diskurs sowie der staatlichen Aufklärung und Erziehung in den Schulen gemäß Art. 7 GG zu."<ref>BVerfG, Beschluss vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 - Wunsiedel</ref>

Polemik

"Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, [gehört] zum Kernbereich der Meinungsfreiheit und deren Gewicht [ist] insofern besonders hoch zu veranschlagen." <ref>BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 Abs. 22 mit Hinweis auf BVerfGE 93, 266 [293]</ref>

Fragen

"Fragen unterscheiden sich von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen dadurch, daß sie keine Aussage machen, sondern eine Aussage herbeiführen wollen. Sie sind auf Antwort gerichtet. Diese kann in einem Werturteil oder einer Tatsachenmitteilung bestehen. Dagegen lassen sich Fragen keinem der beiden Begriffe zuordnen, sondern bilden eine eigene semantische Kategorie. Sie fallen deswegen aber nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts heraus. Das ergibt sich aus dessen Schutzzweck. Die freie Meinungsäußerung wird vom Grundgesetz garantiert, weil sie sowohl unmittelbarer Ausdruck der menschlichen Person als auch unerläßliche Voraussetzung einer demokratischen Ordnung ist<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 (208) BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51</ref>. Daher erschöpft sich das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG auch nicht im Schutz einzelner Äußerungen, sondern will die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung insgesamt sichern<ref>[[BVerfG, Urteil vom 16.06.1981 - 1 BvL 89/78|vgl. BVerfGE 57, 295 (319) ]]</ref>. Für den Meinungsbildungsprozeß spielen Fragen aber eine wichtige Rolle. Indem sie die Aufmerksamkeit auf Probleme lenken und Antworten hervorrufen, tragen sie zur Bildung von Meinungen bei, die dann ihrerseits wieder geäußert werden können. Das ist um so wichtiger, als in vielen Bereichen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen oder berühren, der Einzelne nicht über die für seine Meinungsbildung erforderlichen Informationen verfügt, so daß ihm nur die Möglichkeit kritischer oder nachforschender Fragen bleibt. Fehlte der Grundrechtsschutz für Fragen, so wäre der Kommunikationsprozeß, den Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit schützen will, nur unzureichend gesichert.

Neben Werturteilen und Tatsachenbehauptungen sind daher auch Fragen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen können Fragen aber nicht unrichtig sein<ref>vgl. J. Walther, Logik der Fragen, 1985, S. 30 ff.</ref>. Zwar enthält jede Frage, indem sie sich auf einen bestimmten Gegenstand bezieht, ausgesprochen oder unausgesprochen Annahmen tatsächlicher oder wertender Art, die der Fragende einer Verifizierung oder Klärung zuführen will. Insofern gibt es keine reinen Fragen, denen jeder Aussagegehalt fehlt. Da der Fragende aber gerade wissen will, was richtig oder falsch, wahr oder unwahr ist, und dabei für verschiedene Antworten offen bleibt, kann die Frage selber nicht an den Kriterien von Wahrheit oder Unwahrheit gemessen werden. Das gilt auch, wenn sich eine Frage auf Tatsachen bezieht, die sich anschließend als nicht gegeben herausstellen. Unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit stehen Fragen daher Werturteilen gleich.

Allerdings ist nicht jeder in Frageform gekleidete Satz als Frage zu betrachten. Insofern muß zwischen Fragen und Fragesätzen unterschieden werden<ref>vgl. Walther, a.a.O., S. 24 ff.; D. Wunderlich, Studien zur Sprechakttheorie, 1976, S. 181 ff.</ref>. Einerseits können Fragen in Aussagesätze, andererseits Aussagen in Fragesätze gekleidet sein. Ferner kann es vorkommen, daß in einem Fragesatz Behauptungen aufgestellt werden, auf die sich das Klärungsbegehren des Fragenden nicht bezieht. Ist ein Fragesatz nicht auf eine Antwort durch einen Dritten gerichtet oder nicht für verschiedene Antworten offen, so handelt es sich ungeachtet der geläufigen Bezeichnung als "rhetorische Frage" in Wahrheit nicht um eine Frage<ref>vgl. Walther, a.a.O., S. 26 ff.</ref>. Fragesätze oder Teile davon, die nicht um einer - inhaltlich noch nicht feststehenden - Antwort willen geäußert werden, bilden vielmehr Aussagen, die sich entweder als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung darstellen und rechtlich wie solche zu behandeln sind.

Die Unterscheidung zwischen echten und rhetorischen Fragen kann freilich Schwierigkeiten bereiten, weil die sprachliche Form allein keine zuverlässigen Schlüsse erlaubt. Die Zuordnung muß daher gegebenenfalls mit Hilfe von Kontext und Umständen der Äußerung erfolgen. Da vom Ergebnis der Zuordnung das Maß des Grundrechtsschutzes abhängt, verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG insoweit, daß für die Einstufung eines Fragesatzes als rhetorische Frage Gründe angegeben werden. Ist ein Fragesatz mehreren Deutungen zugänglich, von denen ihn eine als echte, die andere als rhetorische Frage erscheinen läßt, müssen die Gerichte beide Deutungen erwägen und ihre Wahl begründen. Dabei genügt der hohe Konkretisierungsgrad einer Frage für sich genommen nicht, um diese als rhetorisch auszuweisen. Je detailreicher eine Frage ist, desto höher ist zwar der Anteil von Aussagen, die sie enthält und auf die sich das Klärungsbegehren des Fragenden bezieht. Ein hoher Tatsachenanteil macht eine Frage aber noch nicht zur Tatsachenbehauptung. Auch bei hochgradig konkreten Fragesätzen hängt die Einordnung als echte oder rhetorische Frage nur davon ab, ob die Frage auf eine inhaltlich noch nicht feststehende Antwort zielt oder ob der Fragende den Zweck seiner Äußerung bereits mit der Stellung der Frage erreicht hat. Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes - ebenso wie von einem weiten Meinungsbegriff<ref>vgl. BVerfGE 61, 1 (9) BVerfG, Beschluss vom 22.06.1982 - 1 BvR 1376/79</ref> - von einem weiten Fragebegriff auszugehen.

Die Meinungsfreiheit ist vom Grundgesetz jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Allerdings müssen diese Bestimmungen ihrerseits wieder im Lichte des eingeschränkten Grundrechts ausgelegt werden, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.) BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51; st. Rspr.</ref>. Das führt in der Regel zu einer fallbezogenen Abwägung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem vom grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Rechtsgut.

So verhält es sich auch bei Fragen. Insbesondere besteht die Möglichkeit, daß Fragen Dritte in ihrer persönlichen Ehre verletzen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn die in einer Frage vorausgesetzten oder ausgesprochenen tatsächlichen Annahmen ehrenrührig sind. Insoweit kann es wie bei Meinungsäußerungen, in denen sich Werturteile und Tatsachenbehauptungen unauflösbar vermengen, darauf ankommen, ob der Fragende für den tatsächlichen und ehrenrührigen Gehalt seiner Frage Anhaltspunkte besaß oder ob dieser aus der Luft gegriffen war (vgl. den Beschluß vom heutigen Tag - 1 BvR 1555/88 -). Dabei dürfen jedoch keine Anforderungen gestellt werden, die sich abschreckend auf den Gebrauch des Grundrechts auswirken können. Es wäre mit dem Schutzzweck von Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage ein Bürger, der die Klärung und Überprüfung möglicher Mißstände erstrebt, vor die Alternative gestellt würde, entweder die Untersuchung selbst vorzunehmen oder die Nachfrage ganz zu unterlassen. Die Vermutung zugunsten der freien Rede<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 (212) BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51</ref> gilt deswegen auch für Fragen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 - 1 BvR 221/90 - Rhetorische Fragen</ref>"

Normen

Rechtsprechung

Publikationen

Lehrbücher

  • Volker Epping, Grundrechte (eBook), Springer Verlag Berlin, 6. Aufl. 2015, ISBN 9783642546587

Fachaufsätze

  • Volker Epping/Sebastian Lenz, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG), Jura 2007, 881-889
  • Dieter Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, 1697-1705
  • Sascha Sajuntz, Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts in den Jahren 2008 bis 2010, NJW 2010, 2992
  • Ralph Zimmermann, Die Meinungsfreiheit in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJ 2011, 145

Pressemitteilungen

Siehe auch

Fußnoten

<references />