Transparenz (Vergabegrundsatz): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 11. Dezember 2020, 15:24 Uhr
Öffentliche Auftraggeber beschaffen Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren (GWB § 97 Abs. 1). Das Vergabegrundsatz der Transparenz in seiner Ausprägung als Gebot der Klarheit der Vergabeunterlagen ist grundsätzlich bieterschützend<ref>Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht (Stand: 14.09.2015), Rdnr. 218/1 mit Verweis auf OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.05.2013 - 11 Verg 6/13; OLG München, Beschluss vom 20.03.2014 - Verg 17/13; VK Nordbayern, Beschluss vom 19.02.2014 - 21.VK-3194-58/13</ref>. Das Transparenzgebot soll die Gefahr von Günstlingswirtschaft oder von willkürlichen Entscheidungen des Auftraggebers ausschließen.<ref>EuGH, Urteil vom 02.05.2019 - C-309/18 Rz. 19</ref>
Unternehmen haben nach GWB § 97 Abs. 6 Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Bereich Transparenz eingehalten werden.
Grundsätze der Vergabe
Für den Oberschwellenbereich regelt GWB § 97 folgende Grundsätze der Vergabe:
Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden nach GWB § 97 Abs. 1 Satz 1
- im Wettbewerb und
- im Wege transparenter Verfahren vergeben.
Dabei werden die Grundsätze
- der Wirtschaftlichkeit und
- der Verhältnismäßigkeit
gewahrt (GWB § 97 Abs. 1 Satz 2).
Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind
- gleich zu behandeln<ref>Siehe auch Nichtdiskriminierung</ref>, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet (GWB § 97 Abs. 2).
Bei der Vergabe werden
- Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt (GWB § 97 Abs. 3).
sind nach GWB § 97 Abs. 4 Satz 1 bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
- Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen (GWB § 97 Abs. 5).
- Unternehmen haben nach GWB § 97 Abs. 6 Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden<ref>Siehe auch Öffentlichkeit</ref>.
UVgO § 2 und VOB/A § 2 enthalten entsprechende Regelungen für den Unterschwellenbereich.
Informations- und Wartepflicht
Oberhalb der Schwellenwerte
Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, nach GWB § 134 Abs. 1 Satz 1 über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Dies gilt auch für Bewerber, denen keine Information über die Ablehnung ihrer Bewerbung zur Verfügung gestellt wurde, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist (GWB § 134 Abs. 1 Satz 2).
Ein Vertrag darf nach GWB § 134 Abs. 2 Satz 1 erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information nach Absatz 1 geschlossen werden. Wird die Information auf elektronischem Weg oder per Fax versendet, verkürzt sich die Frist nach GWB § 134 Abs. 2 Satz 2 auf zehn Kalendertage. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber; auf den Tag des Zugangs beim betroffenen Bieter und Bewerber kommt es nicht an (GWB § 134 Abs. 2 Satz 3).
Die Informationspflicht entfällt in Fällen, in denen das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb wegen besonderer Dringlichkeit gerechtfertigt ist. Im Fall verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer Aufträge können öffentliche Auftraggeber beschließen, bestimmte Informationen über die Zuschlagserteilung oder den Abschluss einer Rahmenvereinbarung nicht mitzuteilen, soweit die Offenlegung den Gesetzesvollzug behindert, dem öffentlichen Interesse, insbesondere Verteidigungs- oder Sicherheitsinteressen, zuwiderläuft, berechtigte geschäftliche Interessen von Unternehmen schädigt oder den lauteren Wettbewerb zwischen ihnen beeinträchtigen könnte. (GWB § 134 Abs. 3)
Vergabevermerk
Der öffentliche Auftraggeber fertigt nach VgV § 8 Abs. 2<ref>vgl. auch VOB/A § 20 EU, SektVO § 8, KonzVgV § 6</ref> über jedes Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich einen Vermerk in Textform nach BGB § 126b an. Dieser Vergabevermerk umfasst mindestens Folgendes:
- den Namen und die Anschrift des öffentlichen Auftraggebers sowie Gegenstand und Wert des Auftrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems,
- die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl,
- die nicht berücksichtigten Angebote und Teilnahmeanträge sowie die Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung,
- die Gründe für die Ablehnung von Angeboten, die für ungewöhnlich niedrig befunden wurden,
- den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots sowie, falls bekannt, den Anteil am Auftrag oder an der Rahmenvereinbarung, den der Zuschlagsempfänger an Dritte weiterzugeben beabsichtigt, und gegebenenfalls, soweit zu jenem Zeitpunkt bekannt, die Namen der Unterauftragnehmer des Hauptauftragnehmers,
- bei Verhandlungsverfahren und wettbewerblichen Dialogen die in § 14 Absatz 3 genannten Umstände, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen,
- bei Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb die in § 14 Absatz 4 genannten Umstände, die die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen,
- gegebenenfalls die Gründe, aus denen der öffentliche Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags, den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystems verzichtet hat,
- gegebenenfalls die Gründe, aus denen andere als elektronische Mittel für die Einreichung der Angebote verwendet wurden,
- gegebenenfalls Angaben zu aufgedeckten Interessenkonflikten und getroffenen Abhilfemaßnahmen,
- gegebenenfalls die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben wurden, und
- gegebenenfalls die Gründe für die Nichtangabe der Gewichtung von Zuschlagskriterien.
Normen
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
- GWB § 97 Allgemeine Grundsätze
- GWB § 121 Abs. 1: In der Leistungsbeschreibung ist der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Die Leistungsbeschreibung enthält die Funktions- oder Leistungsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebots erforderlich ist, sowie die Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung.
- GWB § 127 Abs. 5: Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung müssen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden.
- GWB § 134 Informations- und Wartepflicht
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)<ref>Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen</ref>
Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)<ref>Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer-und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte</ref>
Rechtsprechung
Europäischer Gerichtshof (EuGH)
- EuGH, Urteil vom 02.05.2019 - C-309/18: "Insoweit verlangt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zum einen der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass die Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben müssen, was voraussetzt, dass die Angebote aller Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen. Zum anderen soll das damit einhergehende Transparenzgebot die Gefahr von Günstlingswirtschaft oder von willkürlichen Entscheidungen des Auftraggebers ausschließen. Es verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder im Lastenheft klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt deren genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (Urteil vom 2. Juni 2016, Pizzo, C‑27/15, EU:C:2016:404, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung)."<ref>Rz. 19</ref>
- EuGH, Urteil vom 07.04.2016 - Rs. C-324/14: "Somit müssen die Bieter zum einen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Bieter den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen. Zum anderen soll das Transparenzgebot die Gefahr einer Günstlingswirtschaft oder willkürlicher Entscheidungen des Auftraggebers ausschließen. Dieses Gebot verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2014, Cartiera dell’Adda, C‑42/13, EU:C:2014:2345, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung)."<ref>Abs. 61</ref>
- EuGH, Urteil vom 10.05.2012 - C-368/10: "Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2004/18/EG – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge – Öffentlicher Auftrag für die Lieferung, Installierung und Wartung von Automaten zur Ausgabe von Heißgetränken und für die Lieferung von Tee, Kaffee und anderen Zutaten – Art. 23 Abs. 6 und 8 – Technische Spezifikationen – Art. 26 – Bedingungen für die Auftragsausführung – Art. 53 Abs. 1 – Zuschlagskriterien – Wirtschaftlich günstigstes Angebot – Erzeugnisse aus ökologischer Landwirtschaft und fairem Handel – Verwendung von Gütezeichen im Zusammenhang mit der Formulierung technischer Spezifikationen und Zuschlagskriterien – Art. 39 Abs. 2 – Begriff 'zusätzliche Auskünfte' – Art. 2 – Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen – Grundsatz der Transparenz – Art. 44 Abs. 2 und Art. 48 – Überprüfung der Eignung und Auswahl der Teilnehmer -Mindestanforderungen an die technische oder berufliche Leistungsfähigkeit – Einhaltung der 'Kriterien der Nachhaltigkeit der Einkäufe und des gesellschaftlich verantwortlichen Verhaltens'"
Bundesgerichtshof (BGH)
- BGH, Beschluss vom 10.5.2016 - X ZR 66/15: "Ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, bedarf es im Unterschwellenbereich auch bei der Zulassung von Nebenangeboten nicht in jedem Fall der Festlegung von Kriterien zur Angebotswertung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien das wirtschaftlichste Angebot nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten bestimmt werden kann (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 109/96, BGHZ 139, 273, 278)."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
- BGH, Beschluss vom 01.02.2005 - X ZB 27/04
Oberlandesgerichte
- OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2015 - VII-Verg 31/14
- OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.05.2013 - 11 Verg 6/13
- OLG München, Beschluss vom 20.03.2014 - Verg 17/13
Vergabekammern
- VK Bund, Beschluss vom 27.10.2014 - VK 1-80/14: " Zwar hat die Ag die Bieterfragen und ihre Antworten hierauf zu Unrecht nicht sämtlichen Bietern zur Verfügung gestellt und hiermit gegen das Transparenzgebot verstoßen."<ref>Seite 17, II.2.d.</ref>
- VK Nordbayern, Beschluss vom 19.02.2014 - 21.VK-3194-58/13
Publikationen
- Martin Burgi, Die Bedeutung der allgemeinen Vergabegrundsätze Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung, NZBau 2008, 29
Fußnoten
<references/>