Meinungsfreiheit: Unterschied zwischen den Versionen
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"Die Meinungsfreiheit [ist] als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte; schon das verleiht ihr besonderes Gewicht. Darüber hinaus ist das Grundrecht für die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend, indem es den geistigen Kampf, die freie Auseinandersetzung der Ideen und Interessen gewährleistet, die für das Funktionieren dieser Staatsordnung lebensnotwendig ist<ref>vgl. BVerfGE 5, 85 [205]; 7, 198 [208]</ref>. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlich demokratischen Staat notwendig "pluralistisch" im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen, vor allem in Rede und Gegenrede vollzieht. Jedem Staatsbürger ist durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht gewährleistet, an dieser öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Die Presse ist neben Rundfunk und Fernsehen das wichtigste Instrument der Bildung der öffentlichen Meinung; die Pressefreiheit genießt deshalb gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spezifischen Grundrechtsschutz. | "Die Meinungsfreiheit [ist] als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte; schon das verleiht ihr besonderes Gewicht. Darüber hinaus ist das Grundrecht für die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend, indem es den geistigen Kampf, die freie Auseinandersetzung der Ideen und Interessen gewährleistet, die für das Funktionieren dieser Staatsordnung lebensnotwendig ist<ref>vgl. BVerfGE 5, 85 [205]; 7, 198 [208]</ref>. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlich demokratischen Staat notwendig "pluralistisch" im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen, vor allem in Rede und Gegenrede vollzieht. Jedem Staatsbürger ist durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht gewährleistet, an dieser öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Die Presse ist neben Rundfunk und Fernsehen das wichtigste Instrument der Bildung der öffentlichen Meinung; die Pressefreiheit genießt deshalb gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spezifischen Grundrechtsschutz. |
Version vom 17. Februar 2015, 22:19 Uhr
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten... (GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1)
Schutzbereich
Übersicht
"Die Meinungsfreiheit [ist] als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte; schon das verleiht ihr besonderes Gewicht. Darüber hinaus ist das Grundrecht für die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend, indem es den geistigen Kampf, die freie Auseinandersetzung der Ideen und Interessen gewährleistet, die für das Funktionieren dieser Staatsordnung lebensnotwendig ist<ref>vgl. BVerfGE 5, 85 [205]; 7, 198 [208]</ref>. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlich demokratischen Staat notwendig "pluralistisch" im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen, vor allem in Rede und Gegenrede vollzieht. Jedem Staatsbürger ist durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht gewährleistet, an dieser öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Die Presse ist neben Rundfunk und Fernsehen das wichtigste Instrument der Bildung der öffentlichen Meinung; die Pressefreiheit genießt deshalb gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spezifischen Grundrechtsschutz.
Die Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit muß gerade auf die in § 193 StGB gebotene Güterabwägung zwischen Ehre und Meinungsfreiheit - falls Gesichtspunkte der öffentlichen Meinungsbildung eine Rolle spielen - einen wesentlichen Einfluß ausüben. Der Bundesgerichtshof trägt dem Rechnung, indem er den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB als eine "Ausprägung" des Grundrechts der freien Meinungsäußerung wertet und die Bedeutung der Bildung öffentlicher Meinung bei seiner Anwendung berücksichtigt<ref>BGHSt 12, 287 [293 f.]</ref> und indem er - abweichend von der früheren Judikatur - die Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die Presse im Hinblick auf deren Funktion im demokratischen Staat als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB anerkennt<ref>BGHZ 31, 308 [312]</ref>.
Aus dem Gesichtspunkt einer Gegenwirkung, die der in der öffentlichen Meinung erzielten Wirkung entspricht, bestimmt sich auch die dem Grundgesetz gemäße Abgrenzung des strafbaren Exzesses." <ref>BVerfG, Beschluss vom 25.01.1961 - 1 BvR 9/57 = BVerfGE 12, 113; NJW 1961, 819</ref>
Meinung
Begriff
"Konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als Äußerung einer "Meinung" vom Schutz des Grundrechts umfaßt wird, ist das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung; auf den Wert, die Richtigkeit, die Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an.
Abgrenzung von Meinung und Tatsachenmitteilung
Die Mitteilung einer Tatsache ist im strengen Sinne keine Äußerung einer "Meinung", weil ihr jedes Element fehlt. Durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt ist sie nur, soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen ist, welche Art 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet<ref>BVerfGE 61, 1 [8 f.]</ref>. Demgegenüber sind Angaben im Rahmen statistischer Erhebungen wie denen des Volkszählungsgesetzes 1983 reine Tatsachenmitteilungen, die mit Meinungsbildung nichts zu tun haben."<ref>BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83; 1 BvR 269/83; 1 BvR 362/83; 1 BvR 420/83; 1 BvR 440/83; 1 BvR 484/83 - Volkszählung</ref>
Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen
"Geschützt sind damit von Art. 5 Abs. 1 GG auch Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind. Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien. Dementsprechend fällt selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts als radikale Infragestellung der geltenden Ordnung nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG heraus. Den hierin begründeten Gefahren entgegenzutreten, weist die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes primär bürgerschaftlichem Engagement im freien politischen Diskurs sowie der staatlichen Aufklärung und Erziehung in den Schulen gemäß Art. 7 GG zu."<ref>BVerfG, Beschluss vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 - Wunsiedel</ref>
Polemik
"Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, [gehört] zum Kernbereich der Meinungsfreiheit und deren Gewicht [ist] insofern besonders hoch zu veranschlagen." <ref>BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 Abs. 22 mit Hinweis auf BVerfGE 93, 266 [293]</ref>
Normen
- AEMR Art. 19 Meinungs- und Informationsfreiheit
- GG Art. 5
- EMRK Art. 10
- Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 11
Rechtsprechung
- BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 - Strafrechtliche Verurteilung von Mitarbeitern einer Flüchtlingsorganisation wegen Kritik an Ausländerbehörde verstößt gegen Meinungsfreiheit - siehe auch üble Nachrede
- BVerfG, Beschluss vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 - Wunsiedel
- BVerfG, Beschluss vom 05.12.2008 - 1 BvR 1318/07 = NJW 2009, 749 Bezeichnung eines Stadtrats durch einen anderen Stadtrat in der Stadtratssitzung als "Dummschwätzer" nach vorangeganger unsachlicher Kritik
- BVerfG, Beschluss vom 18.10.1991 - 1 BvR 1377/91 = AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 - Flugblatt
- BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83; 1 BvR 269/83; 1 BvR 362/83; 1 BvR 420/83; 1 BvR 440/83; 1 BvR 484/83 - Volkszählung
- BVerfG, Teilurteil vom 05.08.1966 - 1 BvR 586/62; 1 BvR 610/63; 1 BvR 512/64 - Spiegel
- BVerfG, Beschluss vom 25.01.1961 - 1 BvR 9/57 = BVerfGE 12, 113; NJW 1961, 819
- BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 - Lüth
Publikationen
- Volker Epping/Sebastian Lenz, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG), Jura 2007, 881-889
- Dieter Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, 1697-1705
- Sascha Sajuntz, Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts in den Jahren 2008 bis 2010, NJW 2010, 2992
- Ralph Zimmermann, Die Meinungsfreiheit in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJ 2011, 145
Pressemitteilungen
Siehe auch
Fußnoten
<references />