Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 20.03.2020 - B1-1414-11-17

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Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration wandte sich in einem Schreiben vom 20.03.2020 - B1-1414-11-17 - über die Regierungen an Landratsämter, Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Bezirke, um Hinweise zu Sitzungen der Gemeinderäte, Kreistage, Bezirkstage und ihrer Ausschüsse unter den Bedingungen der Corona-Krise zu geben:

"1. Sitzungen dieser nach den Kommunalgesetzen vorgesehenen kommunalen Gremien sind keine Veranstaltungen im Sinn der nach § 28 Abs. 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erlassenen Allgemeinverfügung. Die Allgemeinverfügung zielt nicht auf die Einschränkung der Tätigkeit der Organe staatlicher oder kommunaler Behörden. Die Handlungsfähigkeit der staatlichen, aber auch der kommunalen Ebenen muss gerade auch im Interesse eines wirksamen Infektionsschutzes und der Bewältigung der Auswirkungen infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen grundsätzlich aufrecht erhalten bleiben. Dies erfordert es, die Entscheidungsfähigkeit staatlicher und kommunaler Stellen auch in der gegenwärtigen Situation grundsätzlich aufrecht zu halten.

2. Dessen ungeachtet bitten wir, Sitzungen dieser kommunalen Gremien bis auf weiteres auf ein Mindestmaß zu beschränken und den rechtlichen Rahmen, den Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung bieten, zu nutzen, um in der derzeitigen Situation entsprechend der örtlichen Gegebenheiten und der weiteren Entwicklung der Lage flexibel entscheiden zu können. Das heisst:

a) Sitzungen sollten vorerst auf das unbedingt notwendige Mindestmaß beschränkt werden, das erforderlich ist, um unverzichtbare, unaufschiebbare Entscheidungen treffen zu können. Dies gilt auch für Sitzungen, die nach den Regelungen der Geschäftsordnungen turnusmäßig erforderlich wären.

b) Wir empfehlen den Städten und Gemeinden, bis zum Ende der Wahlperiode am 30.04.2020 kurzfristig einen Ferienausschuss nach GO Art. 32 Abs. 4 einzusetzen bzw. die Ferienzeiten eines bestehenden Ferienausschusses hieran anzupassen. Der Ferienausschuss kann alle Aufgaben, für die sonst der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuss zuständig ist, erledigen, ohne dass die für beschließende Ausschüsse geltenden Einschränkungen nach Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO greifen. Dem Ferienausschuss ist insbesondere auch eine Beschlussfassung über die Haushaltssatzung und den Finanzplan sowie eine etwaig erforderliche Nachtragshaushaltssatzung eröffnet.

Die Landkreisordnung enthält zwar keine Regelungen zu Ferienausschüssen. Dies beruht aber nur auf der gesetzgeberischen Annahme, dass Kreistage seltener tagen als Stadt- und Gemeinderäte und in den Ferienzeiten regelmäßig bereits kein Anlass für kurzfristige Entscheidungen der Kreistage besteht. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Situation halten wir es für vertretbar, Art. 32 Abs. 4 GO auch für Kreistage analog anzuwenden, so dass auch Kreistage bis zum Ablauf der Wahlperiode am 30.04.2020 Ferienausschüsse bilden können. Soweit die Einrichtung eines Ausschusses oder die Anpassung der in der Geschäftsordnung geregelten Ferienzeiten einen Beschluss des Gemeinderates, Stadtrates oder Kreistages erfordert, halten wir es auf Grund der gegenwärtigen Situation ungeachtet des für Sitzungen geltenden Öffentlichkeitsgrundsatzes ausnahmsweise für zulässig, diesen Beschluss im Umlaufverfahren zu fassen. Der jeweilige Übertragungs- bzw. Einsetzungsbeschluss sollte aber in der nächsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates, Stadtrates oder Kreistages rückwirkend bestätigt werden. Wir bitten die Bezirke zu prüfen, ob für Bezirkstage gegebenenfalls ein entsprechendes Bedürfnis besteht.

c) GO Art. 37 Abs. 3, Vorlage:LKrO 34 Abs. 3 und Vorlage:BezO 33 Abs. 3 bleiben im Übrigen unberührt: Der erste Bürgermeister trifft anstelle des Gemeinderates oder Ausschusses dringliche Anordnungen und besorgt unaufschiebbare Geschäfte. Gleiches gilt für den Landrat und Bezirkstagspräsidenten. Bei Verhinderung trifft der jeweilige Vertreter erforderliche Eilentscheidungen.

d) Für die Sitzungen gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit (GO Art. 52 Abs. 1 und 2, Art. 46 Abs. 1 und 2 LKrO, Art. 43 Abs. 1 und 2 BezO), soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen (Art. 52 Abs. 2 GO, Art. 46 Abs. 2 LKrO, Art. 43 Abs. 2 BezO). Diese Ausnahmeregelungen stellen aber ausschließlich auf etwaige auf den Beratungsgegenstand bezogene Geheimhaltungsinteressen ab. Sie rechtfertigen keinen Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit, der allenfalls von den Gesundheitsbehörden aus infektionsschutzrechtlichen Gründen angeordnet werden könnte. Allerdings ist bei öffentlichen Sitzungen mittels der Sitzungsorganisation dem Interesse der Vermeidung von Ansteckungen Rechnung zu tragen. Hierbei sind die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zu beachten, das gilt vor allem für die Einhaltung eines ausreichenden Mindestabstands von 1,5 m aller Teilnehmer. Dies kann dazu führen, dass abweichend von den normalen Kapazitäten des Sitzungsraums der Zugang von Zuhörern zahlenmäßig beschränkt werden muss, um ausreichenden Abstand zwischen den Zuhörern zu gewährleisten. Gegebenenfalls ist die Nutzung alternativer, größerer Räumlichkeiten (z. B. Sporthallen) in Erwägung zu ziehen. Weiter sind die Empfehlungen des Robert Koch-Institutes zum Schutz vor Ansteckungen zu beachten. Insbesondere kann Personen, die erkrankt oder von infektionsschutzrechtlichen Anordnungen oder Quarantäne-Empfehlungen betroffen sind, der Zugang bereits aus diesem Grund verwehrt werden.

e) Der Sitzungszwang und der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit schließen Umlaufbeschlüsse im schriftlichen oder elektronischen Verfahren in kommunalrechtlicher Hinsicht grundsätzlich aus. Eine Ausnahme halten wir in kommunalrechtlicher Hinsicht nur für den unter Buchstaben b) angesprochenen Fall für zulässig. Wie auch der Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit könnte daher ein Umlaufbeschlussverfahren allenfalls von den Gesundheitsbehörden aus infektionsschutzrechtlichen Gründen angeordnet werden.

3. Am 1. Mai 2020 beginnt die Wahlzeit der neu gewählten Stadt- und Gemeinderäte sowie Kreistage, Art. 23 Abs. 1 GLKrWG. Für die konstituierenden Sitzungen dieser Gremien werden wir rechtzeitig weitere Hinweise geben.

4. Mit Ausnahme von Nr. 2 Buchstabe b) gelten die Ausführungen für Gemeinschaftsversammlungen der Verwaltungsgemeinschaften entsprechend. Nr. 2 Buchstabe b) ist hier nicht anwendbar, da die Gemeinschaftsversammlung einer Verwaltungsgemeinschaft keine beschließenden Ausschüsse bilden kann."<ref>Schreiben vom 20.03.2020 - B1-1414-11-17 - Sitzungen der Gemeinderäte, Kreistage, Bezirkstage und ihrer Ausschüsse; Allgemeinverfügung des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16.03.2020 zu Veranstaltungsverboten, Az. 51-G8000-2020/122-67,geändert durch Allgemeinverfügung vom 17.03.2020, Az. Z6a-G8000-2020/122-83</ref><ref>Datei:B1-1414-11-17.pdf</ref>

Siehe auch

Fußnoten

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