Organisationsverschulden

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"Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muß unter anderem sicherstellen, daß die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muß es deshalb so einrichten, daß ihre Repräsentaten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen<ref>Wissensvertreter, vgl. BGHZ 117, 104, 106 f</ref>, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten<ref>ebenso Grunewald in: Festschrift für Karl Beusch, 1993, S. 301, 304 ff; Taupitz VersR Beilage "Karlsruher Forum 1994" S. 16, 25 ff; JZ 1996, 734, 735; vgl. auch Medicus VersR Beilage "Karlsruher Forum 1994" S. 4, 10 ff; Bohrer DNotZ 1991, 124, 129 f</ref>. Maßgeblich ist also, ob unter den Umständen des konkreten Einzelfalls ein Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Vertretern möglich und geboten gewesen wäre<ref>BGHZ 109, 30, 36 ff</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 12.11.1998 - IX ZR 145/98 = NJW 1999, 284 Abs. 14</ref>

"Nicht nur bei sog Verkehrssicherungspflichten, sondern bei allen Geschäften des täglichen Lebens und des wirtschaftlichen Verkehrs kann ein Organisationsmangel, der zur Haftung der juristischen Person unter Ausschluß des Entlastungsbeweises gemäß BGB § 31 führt, allein schon darin erblickt werden, daß kein verfassungsmäßig berufener Vertreter für den fraglichen Aufgabenkreis bestellt worden ist<ref>RGZ 162, 129 (166); 157, 228 (235); 89, 136</ref>."<ref>BGH, Urteil vom 10.05.1957 - I ZR 234/55 = BGHZ 24, 200 Seite 20 f.</ref>

Normen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Strafgesetzbuch (StGB)

  • StGB § 357 Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat: (1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt. (2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Amtsträger Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft.

Rechtsprechung

  • BGH, Urteil vom 19.06.2012 - II ZR 243/11 = NJW-RR 2012, 1122: "Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560)."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 12.05.2009 - XI ZR 586/07 = NJW 2009, 2298: "Eine Bank muss ihren Geschäftsbetrieb zum Schutz des Rechtsverkehrs so organisieren, dass bei ihr vorhandenes Wissen den Mitarbeitern, die für die betreffenden Geschäftsvorgänge zuständig sind, zur Verfügung steht und von diesen auch genutzt wird (vgl. BGHZ 135, 202, 205 ff.; MünchKommBGB/Schramm, 5. Aufl., § 166 Rn. 26 m. w. N.). Danach ist hier ein vorsätzliches Organisationsverschulden der Beklagten gegeben, wenn sie ihre Verpflichtung zur Aufklärung der Kunden gekannt oder zumindest für möglich gehalten hat (bedingter Vorsatz) und es gleichwohl bewusst unterlassen hat, ihre Anlageberater anzuweisen, die Kunden entsprechend aufzuklären (Nobbe, ZBB 2009, 93, 104; Koller, ZBB 2007, 197, 201)."<ref>Abs. 22</ref>
  • BGH, Urteil vom 24.02.2003 - II ZR 385/99 = BGHZ 154, 88: "Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts muß sich zu Schadensersatz verpflichtendes Handeln ihrer (geschäftsführenden) Gesellschafter entsprechend BGB § 31 zurechnen lassen."<ref>Amtlicher Leitsatz 1</ref>
  • BGH, Urteil vom 12.11.1998 - IX ZR 145/98 = NJW 1999, 284
  • BGH, Urteil vom 05.12.1989 - VI ZR 335/88 = BGHZ 109, 297: "Die von der GmbH zum Schutz absoluter Rechtsgüter zu beachtenden Pflichten können auch ihren Geschäftsführer in einer Garantenstellung aus den ihm übertragenen organisatorischen Aufgaben treffen und bei Verletzung dieser Pflichten seine deliktische Eigenhaftung auslösen<ref>Ergänzung zu BGH vom 14.5.1974 - VI ZR 8/73 - NJW 74, 1371 (1372)</ref>."<ref>Amtlicher Leitsatz 1</ref>
  • BGH, Urteil vom 08.07.1980 - VI ZR 158/78 = NJW 1980, 2810: Zu den Möglichkeiten eines Verlags, sich durch Einschaltung eines Rechtsanwalts in die Inhaltskontrolle eines Sachbuches von seiner Haftung für durch das Buch bewirkte Ehrverletzungen zu entlasten.<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
    • "Grundsätzlich muß daher der Herausgeber und Verleger einen besonders gefährlichen Beitrag entweder selbst überprüfen oder dem damit beauftragten Dritten Organstellung im Sinne von §§ 30, 31 BGB verschaffen, so daß er für sein Verschulden ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen hat<ref>BGHZ 24, 200, 213; 39, 124, 130; Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62 = NJW 1963, 904; vom 8. Dezember 1964 - VI ZR 201/63 = NJW 1965, 685, 686; Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs im Privatrecht, 2. Aufl. S. 186 ff; Löffler, Presserecht 2. Aufl. Bd. I Kap. 14 Rdz. 112; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 2. Aufl. Rdz. 9.49; 9.52 ff</ref>. Zieht er zu dieser Aufgabe gleichwohl eigene Mitarbeiter ohne solche Organstellung oder - wie im Streitfall - einen seinem Unternehmen nicht angehörenden Rechtsanwalt hinzu, so kann er sich dadurch haftungsrechtlich von deren Verschulden nicht freizeichnen, sondern muß sich so behandeln lassen, als habe er den Beauftragten Organstellung eingeräumt (sog. "Fiktionshaftung" für mangelhafte Organisation; vgl. RGRK BGB 12. Aufl. § 31 Rdz. 10)."<ref>Abs. 76</ref>
  • BGH, Urteil vom 10.05.1957 - I ZR 234/55 = BGHZ 24, 200: "Die Aufforderung zum Geschäftsboykott stellt einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Ihre Recht­fertigung durch Wahrnehmung berechtigter Interes­sen kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wobei im Rahmen der erforderlichen Güter- und Pflichten­abwägung von dem Grundsatz der größtmöglichen Schonung fremder Rechte auszugehen ist. Dies gilt auch, wenn von der Presse zur Verteidigung sozia­ler und ethischer Werte zum Boykott aufgerufen wird."<ref>Amtlicher Leitsatz 1</ref>

Publikationen

Wikipedia

Fachaufsätze

  • Gerhard Hassold , Die Lehre vom Organisationsverschulden, JuS 1982, 583

Siehe auch

Fußnoten

<references/>