Insolvenzantragspflicht

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Der Vorstand hat nach BGB § 42 Abs. 2 im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner.

Normen

Rechtsprechung

Bundesgerichtshof (BGH)

  • BGH, Urteil vom 10.12.2007 - II ZR 239/05 = BGHZ 175, 12, WM 2008, 358
  • BGH, Urteil vom 06.06.1994 - II ZR 292/91 = BGHZ 126, 181: "Die (Neu-)Gläubiger, die ihre Forderungen gegen die GmbH nach dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem Konkursantrag hätte gestellt werden müssen, haben gegen den insoweit schuldhaft pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer einen Anspruch auf Ausgleich des vollen - nicht durch den "Quotenschaden" begrenzten - Schadens, der ihnen dadurch entsteht, daß sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen GmbH getreten sind<ref>(insoweit Aufgabe von BGHZ 29, 100)</ref>."<ref>Amtlicher Leitsatz 2</ref>
  • BGH, Urteil vom 16.12.1958 - VI ZR 245/57 = BGHZ 29, 100: "a) § 64 Abs. 1 GmbHG ist ein Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft. b) Den Schutz des Gesetzes genießen auch Personen, die erst nach dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens hätte gestellt werden müssen, Gläubiger der Gesellschaft mit beschränkter Haftung geworden sind. c) Das Gesetz will verhindern, daß das zur Befriedigung der Gläubiger erforderliche Gesellschaftsvermögen diesem Zweck entzogen wird. Sein Schutzbereich geht aber nicht soweit, daß jedermann vor allen Gefahren bewährt werden soll, die sich aus dem Fortbestehen einer überschuldeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung ergeben."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>

Oberlandesgerichte

  • OLG Hamburg, Urteil vom 05.02.2009 - 6 U 216/07 = ZIP 2009, 757: "Eine entsprechende Anwendung der §§ 64 Abs. 2 GmbHG ((a.F.) jetzt § 64 GmbHG), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m § 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs.2 i.V.m. § 34 Abs. 3 Nr.4 GenG auf Vereinsvorstände ist zur Überzeugung des Senats nicht gerechtfertigt. Sie scheidet bereits mangels einer planwidrigen Regelungslücke aus. Außerdem fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage. a) Ob die Vereinsvorstände analog §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F., 93 Abs. 3 Nr.6 i.V.m § 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 i.V.m. § 34 Abs. 3 Nr.4 GenG auf Ersatz aller Zahlungen nach Insolvenzreife haften, ist von der Rechtsprechung bisher nicht entschieden. In der Literatur ist diese Frage umstritten. Die Erstreckung wird teilweise befürwortet (MünchKommBGB/Reuter, 5. Aufl. § 42 Rz.17; Wischemeyer DZWIR 2005, 230; für eine analoge Anwendung der §§ 92 Abs. 3, 93 Abs. 3 Nr.6 AktG auch Passarge ZInsO 2005, 176), von anderen indes abgelehnt (Koza DZWIR 2008, 98). b) Eine Analogie setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Unvollständigkeit des Gesetzes muss "planwidrig" sein. Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan ist aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen und es ist zu fragen, ob das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, planwidrig unvollständig ist (BGH NJW 2007, 992 Rz. 15 mit weiteren Rspr.- u. Literaturnachweisen). Diese Planwidrigkeit muss aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden können, weil sonst jedes Schweigen des Gesetzgebers – und das ist der Normallfall, wenn er etwas nicht regeln will – als planwidrige Lücke im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden könnte (BGH NJW 2006, 2997 Rz. 18 unter Hinweis auf Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. S. 51). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, eine den §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F., 93 Abs. 3 Nr.6 i.V.m § 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs.2 i.V.m. § 34 Abs. 3 Nr.4 GenG entsprechende Haftung für Vereinsvorstände zu regeln. § 42 BGB hat seine heutige Fassung im Zuge der Reform des Insolvenzrechts durch Art. 33 Nr.1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5.Oktober 1994 (BGBl I 2911) erhalten und ist am 1. Januar 1999 in Kraft getreten (vgl. Staudinger/Weick (2005), § 42 Rz.1). Während die alte Fassung des § 42 BGB an die Konkurseröffnung nur den Verlust der Rechtsfähigkeit, nicht jedoch die Auflösung des Vereins knüpfte, wird mit der heutigen Fassung (§ 42 Abs. 1 S.1 BGB), ebenso wie bei Handelsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts und eingetragenen Genossenschaften, als Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausdrücklich die Auflösung bestimmt, was nach zum Teil in der Literatur vertretener Auffassung allerdings auch schon nach der alten Fassung anzunehmen war (vgl. Staudinger/Weick, a.a.O. mit entspr. Nachweisen, Gesetzesbegründung zum EGInsO, BT-Drucks.12/3803, S. 75). Parallel zum Recht der Handelsgesellschaften (§ 144 Abs.1 HGB, § 274 Abs. 1, 2 Nr. 1, AktG, § 60 Abs. 1 Nr.4 GmbHG) wurde außerdem für den Fall der auf Schuldnerantrag erfolgten Verfahrenseinstellung oder Verfahrensaufhebung nach Bestätigung eines Insolvenzplans der Mitgliederversammlung das Recht eingeräumt, die Fortsetzung des Vereins zu beschließen (§ 42 Abs. 1 S. 2 BGB) (BT-Drucks.12/3803, S. 75). Ferner wurde die Insolvenzantragspflicht in § 42 Abs. 2 S. 1 BGB auf den Fall der Zahlungsunfähigkeit erweitert. Wegen dieser sehr sorgfältigen Anpassung des Vereinsrechts an das Recht der (Kapital-)Gesellschaften kann die Nichtnormierung einer vereinsrechtlichen Ersatzpflicht entsprechend §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F., 92 Abs. 3, 93 Abs. 3 Nr.6 AktG, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG nicht als unbeabsichtigtes Versehen qualifiziert werden, zumal mit der Reform des Insolvenzrechts Anlass für entsprechende Überlegungen bestanden hätte und eine solche Regelung in systematischem Zusammenhang zu § 42 BGB steht (so zutreffend Koza DZWIR 2008, 98). Insbesondere spricht nicht die in § 42 Abs. 2 S. 1 BGB vorgenommene Erweiterung der Insolvenzantragspflicht auf den Fall der Zahlungsunfähigkeit für eine planwidrige Regelungslücke (so aber Passarge ZInsO 2005, 176 (179)). Denn nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks.12/3803, S. 76) wird mit dieser Erweiterung eine Unklarheit des geltenden Rechts beseitigt. Der fehlende Wille zur Haftungserweiterung wird rückblickend aus einer von der Bundesregierung 2001 beantworteten Großen Anfrage mehrerer Abgeordneter und der CDU/CSU-Fraktion bestätigt (vgl. Koza, a.a.O., S. 99 unter Hinweis auf die Antwort der Bundesregierung BT-Drucks.14/5445, S. 7). Denn die Fragen, ob ehrenamtliche Vereinsvorstände wie hauptamtliche GmbH-Geschäftsführer bei Versäumung der Insolvenzantragspflicht haften und aus welchem Grund die persönlichen Haftungsrisiken erhöht worden seien, hat die Bundesregierung wie folgt beantwortet: „Nach § 42 Absatz 2 Satz 1 BGB (alt) war der Vorstand schon bisher verpflichtet, im Falle der Überschuldung die Eröffnung eines Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit ergab sich diese Pflicht aus der organschaftlichen Stellung des Vorstands. Wurde die Stellung dieses Antrags verzögert, waren nach § 42 Absatz 2 Satz 2 (alt) die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fiel, den Gläubigern für den daraus entstandenen Schaden verantwortlich. Nichts anderes bestimmt der geltende § 42 Absatz 2 Satz 2 BGB, der wörtlich unverändert beibehalten wurde. Da die geänderte Vorschrift des §42 Absatz 2 Satz 1 BGB die Antragsplichten nicht erweitert, ist insgesamt keine den Fragen 9 bis 11 unterstellte Verschärfung der Haftung ehrenamtlich tätiger Vorstände festzustellen. Die ausdrückliche Aufnahme der Zahlungsunfähigkeit als Grund für die erforderliche Beantragung des Insolvenzverfahrens sollte lediglich eine Unklarheit der Vorschrift beseitigen.“ c) Auch die für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage liegt nicht vor. Soweit die Analogiebefürworter, die eine Analogie nach dem „Gebot der Gleichbehandlung des Gleichartigen“ bejahen (so MünchKommBGB/Reuter, 5. Aufl. § 42 Rz. 17), darauf abstellen, dass diese zum Schutze der Gläubiger und zur Begründung eines effektiven und rechtlich durchsetzbaren Schadensersatzanspruchs erforderlich sei, zumal auch den Vereinsgläubigern ausschließlich das Vereinsvermögen verhaftet sei (Wischemeyer DZWIR 2005, 230 (233)), und argumentieren, die Interessenlage der Vertragspartner einer insolvenzreifen GmbH, AG oder e.G. und eines insolvenzreifen Vereins seien aneinander so ähnlich, dass eine haftungsrechtliche Gleichbehandlung der gesetzlichen Vertreter sachgerecht sei (Passarge ZInsO 2005, 176(178f)), berücksichtigen sie nicht hinreichend, dass eine ähnliche Interessenlage allein nicht ausreicht, sondern, wie dargelegt, eine Interessenabwägung erforderlich ist (BGH NJW 2006, 2997 Rz.18). Der Senat stimmt zwar insoweit mit den Befürwortern einer Analogie überein, dass die Interessenlage der Vertragspartner einer insolvenzreifen GmbH, AG oder e.G. und eines insolvenzreifen Vereins einander ähneln. Andererseits aber ist zu berücksichtigen, dass es zwischen Vereinen und Kapitalgesellschaften erhebliche Unterschiede gibt. So ist der ideelle Verein anders als eine Kapitalgesellschaft am Markt nicht unternehmerisch tätig, sondern übt im Rahmen seines ideellen Hauptzwecks einen Geschäftsbetrieb nur als Nebenzweck aus (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 21 Rz 2 ff). Im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften ist daher auch der Gläubigerschutz weniger weitgehend, was sich daran zeigt, dass neben dem Vereinsregister keine zwingenden Publizitäts-, Bilanzierungs- oder Prüfpflichten bestehen (vgl. Koza, a.a.O., S. 99). Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Vereinsvorstände in der Regel ehrenamtlich tätig sind. Schließlich ist zu beachten, dass die Neuregelung des § 42 BGB erst vor knapp 10 Jahren in Kraft getreten ist. Da mit dieser Reform eine den §§ 64 Abs.2 GmbHG (a.F.), 92 Abs.3, 93 Abs.3 Nr. 6 AktG, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG entsprechende Regelung nicht verbunden war, können Vereinsvorstände darauf vertrauen, dass für sie ein Zahlungsverbot nicht besteht. Eine analoge Anwendung der §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F., 92 Abs. 3, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 34 Abs. 3 Nr.4 GenG auf Vereinsvorstände wäre mit dem Anspruch des Bürgers auf Rechtssicherheit mithin nicht vereinbar."<ref>Abs. 35 ff.</ref>

Fußnoten

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