Abwägungsverfahren im Rahmen der Bauleitplanung

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Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (BauGB § 1 Abs. 7).

Das in BauGB § 1 Abs. 7 enthaltene Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind.<ref>BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 = BVerwGE 107, 215 Amtlicher Leitsatz 2</ref>

Katalog von Belangen (§ 1 Abs. 6 BauGB)

Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind nach BauGB § 1 Abs. 6 insbesondere zu berücksichtigen:

1. die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,

2. die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,

3. die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,

4. die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,

5. die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,

6. die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,

7. die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere

a) die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,

b) die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,

c) umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,

d) umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,

e) die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,

f) die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,

g) die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,

h) die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden, i) die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a, c und d,

8. die Belange

a) der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,

b) der Land- und Forstwirtschaft,

c) der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,

d) des Post- und Telekommunikationswesens,

e) der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,

f) der Sicherung von Rohstoffvorkommen,

9. die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,

10. die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,

11. die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,

12. die Belange des Hochwasserschutzes,

13. die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung.

Abwägungsvorgang

Die Abwägung erfolgt nach folgendem Vorgang:

  1. Ermittlung der für die Abwägung beachtlichen Belange, BauGB § 2 Abs. 3 Alt. 1<ref>Quelle: Franz Dirnberger / Andrea Gehler / Emil Schneider / Roland Wölfel, Praxiswissen für Kommunalpolitiker - Erfolgreich handeln als Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Bezirksrat, Jehle Verlag, 4. Auflage 2014, ISBN 9783782505475 Pos. 9979 Teil 4 Ziffer 4.2.3</ref>
  2. Korrekte Bewertung der Belange, BauGB § 2 Abs. 3 Alt. 2<ref>Quelle: Franz Dirnberger / Andrea Gehler / Emil Schneider / Roland Wölfel, Praxiswissen für Kommunalpolitiker - Erfolgreich handeln als Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Bezirksrat, Jehle Verlag, 4. Auflage 2014, ISBN 9783782505475 Pos. 9979 Teil 4 Ziffer 4.2.3</ref>
  3. Ausgleich der Belange nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, BauGB § 1 Abs. 7<ref>Quelle: Franz Dirnberger / Andrea Gehler / Emil Schneider / Roland Wölfel, Praxiswissen für Kommunalpolitiker - Erfolgreich handeln als Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Bezirksrat, Jehle Verlag, 4. Auflage 2014, ISBN 9783782505475 Pos. 9979 Teil 4 Ziffer 4.2.3</ref>

Abwägungsfehler

Man unterscheidet folgende Abwägungsfehler:

Abwägungsausfall

Von Abwägungsausfall spricht man, wenn der Planungsträger von seiner ihm gebotenen planerischen Gestaltungsfreiheit keinen Gebrauch macht<ref>Quelle: Seite „Abwägungsfehler“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. November 2013, 14:27 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Abw%C3%A4gungsfehler&oldid=124358196 (Abgerufen: 9. Juli 2016, 14:28 UTC) </ref>.

Abwägungsdefizit

Von Abwägungsdefizit spricht man, wenn der Planungsträger von seiner planerischen Gestaltungsfreiheit Gebrauch gemacht hat, aber nicht alle abwägungsrelevanten Belange ermittelt und berücksichtigt hat.<ref>Quelle: Seite „Abwägungsfehler“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. November 2013, 14:27 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Abw%C3%A4gungsfehler&oldid=124358196 (Abgerufen: 9. Juli 2016, 14:30 UTC) </ref>

Abwägungsüberschreitung

Von Abwägungsüberschreitung spricht man, wenn der Planungsträger planfremde Ziele oder Belange herangezogen hat.<ref>Quelle: Seite „Abwägungsfehler“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. November 2013, 14:27 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Abw%C3%A4gungsfehler&oldid=124358196 (Abgerufen: 9. Juli 2016, 14:30 UTC) </ref>

Abwägungsfehleinschätzung

Von Abwägungsfehleinschätzung spricht man, wenn der Planungsträger "die Gewichtigkeit der Belange falsch eingeschätzt; betroffen können hier insbesondere die Optimierungsgebote (etwa § 50 BImSchG, § 2 Abs. 3 BNatSchG) sein".<ref>Quelle: Seite „Abwägungsfehler“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. November 2013, 14:27 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Abw%C3%A4gungsfehler&oldid=124358196 (Abgerufen: 9. Juli 2016, 14:30 UTC) </ref>

Abwägungsdisproportionalität

Von Abwägungsdisproportionalität spricht man, wenn der Planungsträger zwischen widerstreitenden Belangen keinen angemessenen Ausgleich hergestellt hat.<ref>Quelle: Seite „Abwägungsfehler“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. November 2013, 14:27 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Abw%C3%A4gungsfehler&oldid=124358196 (Abgerufen: 9. Juli 2016, 14:30 UTC) </ref>

Normen

Rechtsprechung

  • BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 = BVerwGE 107, 215: "1. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 II 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 II VwGO. 2. Das in § 1 VI BauGB enthaltene Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>

Publikationen

  • Franz Dirnberger / Andrea Gehler / Emil Schneider / Roland Wölfel, Praxiswissen für Kommunalpolitiker - Erfolgreich handeln als Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Bezirksrat, Jehle Verlag, 4. Auflage 2014, ISBN 9783782505475 Pos. 9979 Teil 4 Ziffer 4.2.3

Siehe auch

Fußnoten

<references/>