Abstandsfläche

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Vor den Außenwänden von Gebäuden sind nach BayBO Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. BayBO Art. 6 Abs. 1 Satz 1 gilt entsprechend für andere Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, gegenüber Gebäuden und Grundstücksgrenzen. Eine Abstandsfläche ist nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf (BayBO Art. 6 Abs. 1 Satz 3). Abstandsflächen sowie Abstände nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 und Art. 30 Abs. 2 müssen nach BayBO Art. 6 Abs. 2 Satz 1 auf dem Grundstück selbst liegen.

Die Abstandsflächen haben nachbarschützende Wirkung<ref>BayVGH, Beschluss vom 16.07.2007 - 1 CS 07.1340 = NVwZ-RR 2008, 84, BauR 2007, 1858</ref>.

Zulassung von Abweichungen von Abstandsflächen

Gemäß BayBO Art. 63 Abs. 1 kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind.

"Während bei bautechnischen Anforderungen der Zweck der Vorschriften vielfach auch durch eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bauausführung gewahrt werden kann (die dann im Wege der Abweichung zuzulassen ist), wird der Zweck des Abstandsflächenrechts, der vor allem darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Lüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern<ref>(BayVGH vom 14.10.1985 BayVBl 1986, 143; vom 14.12.1994 VGHE n. F. 48, 24; vgl. auch LT-Drs. IV/Beilage 2060 S. 39 und LT-Drs. 9/7894 S. 29)</ref>, regelmäßig nur dann erreicht, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung (sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks) im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln<ref>(BayVGH vom 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris; vom 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris; vom 23.5.2005 BauR 2005, 1515; vom 14.12.1994 VGHE n. F. 48, 24)</ref>. Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern<ref>(BayVGH vom 22.9.2006 - 25 ZB 01.1004 - juris; vom 18.3.1965 BRS 16 Nr. 24; Dohm in Simon/Busse, BayBO, Art. 70 RdNr. 47)</ref>, ergeben. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen<ref>(BayVGH vom 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris; vom 18.10.2005 - 1 ZB 04.1597 - juris; vgl. auch BVerwG vom 16.5.1991 NVwZ 1992, 165)</ref> oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren<ref>(BayVGH vom 9.10.1995 - 26 CS 95.246)</ref>, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen.

Weitere Voraussetzung ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn<ref>(Dhom in Simon/ Busse, BayBO, Art. 70 RdNrn. 31 ff.; Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Art. 70 Anm. 4.4; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue bayerische Bauordnung, Art. 70 RdNr. 29)</ref>. Werden die nachbarlichen Interessen nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt, dann wird der Nachbar auch dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Vorschrift, von der die Abweichung zugelassen wird, nicht dem Nachbarschutz dient. Bei der Zulassung einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften, wie den Abstandsflächenvorschriften, kann der Nachbar hingegen nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen; wie bei einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von einer nachbarschützenden Bebauungsplanfestsetzung<ref>(vgl. BVerwG vom 8.7.1998 BayVBl 1999, 26; vom 19.9.1986 NVwZ 1987, 409; BayVGH vom 6.3.2007 - 1 CS 06.2764 - juris)</ref> ist er auch dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Abweichung aus einem anderen Grund, etwa weil sie nicht mit den öffentlichen Belangen zu vereinbaren ist, (objektiv) rechtswidrig ist<ref>(Dhom, a. a. O. RdNr. 35; Jäde, a. a. O.)</ref>."<ref>BayVGH, Beschluss vom 16.07.2007 - 1 CS 07.1340 = NVwZ-RR 2008, 84, BauR 2007, 1858</ref>

Normen

Rechtsprechung

  • BayVGH, Beschluss vom 16.07.2007 - 1 CS 07.1340 = NVwZ-RR 2008, 84, BauR 2007, 1858: "1. Bei Zulassung einer Abweichung von einer dem Nachbarschutz dienenden Vorschrift des Bauordnungsrechts wird der Nachbar nicht nur dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Abweichung wegen einer unzureichenden Würdigung seiner Interessen rechtswidrig ist, sondern durch jeden Verstoß gegen Art. 70 Abs. 1 BayBO. 2. Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BayVGH, Urteil vom 14.10.1985 - 14 B 85 A.1224: Zur Berechnung der Abstandsflächentiefe

Siehe auch

Fußnoten

<references/>