Öffentlichkeit (Gemeinderatssitzung): Unterschied zwischen den Versionen

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Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Urteil {{VGH Baden-Württemberg 3 S 271/81}} entschieden, dass "der Gemeinderat ...über das einer Gemeinde zustehende Vorkaufsrecht nach {{BauGB 24}} grundsätzlich in öffentlicher Sitzung zu verhandeln und zu beschliessen [hat]<ref>Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats; vgl {{VGH Baden-Württemberg III 503/79}} VBlBW 80, 33)</ref>. Der Ausschluss der Öffentlichkeit in Sitzungen des Gemeinderates, in denen über ein unter anderem auch nach {{BauGB 24}} Abs 1 Nr 2 bestehendes Vorkaufsrecht zu verhandeln und zu beschliessen ist, ist kein Mittel, das geeignet ist, die Gefahr von Bodenspekulationen aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit auszuschließen. Die Offenlegung des Kaufpreises begründet kein berechtigtes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer Verhandlung und Beschlußfassung des Gemeinderates über die Ausübung eines Vorkaufsrechtes in nicht öffentlicher Sitzung. Der erforderliche Beschluß des Gemeinderates über die Ausübung eines Vorkaufsrechtes ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Bescheid des Bürgermeister, mit dem dieser den Ratsbeschluß vollzieht."<ref>{{VGH Baden-Württemberg 3 S 271/81}}</ref>
 
Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Urteil {{VGH Baden-Württemberg 3 S 271/81}} entschieden, dass "der Gemeinderat ...über das einer Gemeinde zustehende Vorkaufsrecht nach {{BauGB 24}} grundsätzlich in öffentlicher Sitzung zu verhandeln und zu beschliessen [hat]<ref>Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats; vgl {{VGH Baden-Württemberg III 503/79}} VBlBW 80, 33)</ref>. Der Ausschluss der Öffentlichkeit in Sitzungen des Gemeinderates, in denen über ein unter anderem auch nach {{BauGB 24}} Abs 1 Nr 2 bestehendes Vorkaufsrecht zu verhandeln und zu beschliessen ist, ist kein Mittel, das geeignet ist, die Gefahr von Bodenspekulationen aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit auszuschließen. Die Offenlegung des Kaufpreises begründet kein berechtigtes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer Verhandlung und Beschlußfassung des Gemeinderates über die Ausübung eines Vorkaufsrechtes in nicht öffentlicher Sitzung. Der erforderliche Beschluß des Gemeinderates über die Ausübung eines Vorkaufsrechtes ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Bescheid des Bürgermeister, mit dem dieser den Ratsbeschluß vollzieht."<ref>{{VGH Baden-Württemberg 3 S 271/81}}</ref>
  
 
Die Regelungen können nach Bundesländern unterschiedlich gefasst sen. Für Rheinland-Pfalz hat das OVG Rheinland-Pfalz in {{OVG Rheinland-Pfalz 8 A 12462/93}} für diNicht-Öffentlichkei entschieden, bestätigt durch {{BVerwG 4 B 33.95}}: Bundesrecht stehe einer landesrechtlichen Regelung nicht entgegen, wonach Grundstücksangelegenheiten (hier: die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts) in nicht-öffentlicher Sitzung des Gemeinderats zu behandeln seien.
 
Die Regelungen können nach Bundesländern unterschiedlich gefasst sen. Für Rheinland-Pfalz hat das OVG Rheinland-Pfalz in {{OVG Rheinland-Pfalz 8 A 12462/93}} für diNicht-Öffentlichkei entschieden, bestätigt durch {{BVerwG 4 B 33.95}}: Bundesrecht stehe einer landesrechtlichen Regelung nicht entgegen, wonach Grundstücksangelegenheiten (hier: die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts) in nicht-öffentlicher Sitzung des Gemeinderats zu behandeln seien.
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Der Bayerische Verwaltngsgerichtshof hat in {{BayVGH 1 ZB 08.3231}} bis dato nur allgemein zm Vorkaufsrecht Stellung genmommen.
  
 
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Version vom 30. Oktober 2013, 16:22 Uhr

Grundsatz der Öffentlichkeit

Demokratieprinzip

Wenn GO Art. 52 Abs. 2 im Grundsatz "bestimmt, dass die Sitzungen des Gemeinde(Stadt-)rates öffentlich sind, so ist damit ein anerkanntermaßen fundamentaler, durchaus im Verfassungsrecht (Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip - GG Art. 20 II, III, 28 I S. 2 GG begründeter Verfahrensgrundsatz festgelegt, dessen Sinn und Zweck dahin gehen, in bezug auf die Arbeit des kommunalen Vertretungsorgans gegenüber der Allgemeinheit Publizität, Information, Kontrolle und Integration zu vermitteln bzw. zu ermöglichen."<ref>OVG Saarland, Urteil vom 22.04.1993 - 1 R 35/91 = DÖV 1993, 964 f. mit Verweis auf (u.a.) Lehne, Saarl. Kommunalrecht, 2. Aufl., § 40 Anm. 1; Gramlich a.a.O.; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 283; Schnapp a.a.O. - insbes. S. 430 f. -; VGH Mannheim in ESVGH 41, 283, und 22, 17; VG Freiburg a.a.O; OVG Münster a.a.O.</ref>

Die Sitzungen sind nach GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 öffentlich, soweit nicht

entgegenstehen.

Öffentliche, ortsübliche Bekanntmachung

Das Merkmal "öffentlich" macht es "zunächst einmal unerlässlich, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeit Kenntnis von Ort und Zeit der Sitzung zu verschaffen<ref>vgl. insoweit das Bekanntmachungsgebot ... und dazu OVG Lüneburg in NVwZ 1983, 484</ref>, und dass jedermann im Rahmen der - angemessenen - tatsächlichen Gegebenheiten freier Zutritt zur Sitzung als Zuhörer eröffnet ist<ref>vgl. u.a. BLAH a.a.O., § 169 GVG Anm. 1; Kleinknecht/Meyer, StPO, 40. Aufl., § 169 GVG Anm. 3; Maunz-Dürig, GG, Stand: Sept. 1991, Art. 42 Rdnr. 3; Gramlich a.a.O., S. 147 f.; Gönnenwein a.a.O.,</ref><ref>zitiert nach OVG Saarland, Urteil vom 22.04.1993 - 1 R 35/91 = DÖV 1993, 964 f.</ref>. Der Sitzungszeitraum muss so liegen, daß breite Teile aller Bevölkerungsgruppen - insbesondere auch der Berufstätigen - die zumutbare Möglichkeit haben, derart an Ratssitzungen teilzunehmen, dass sie sich ein klares Bild über die Sitzungstätigkeit des Rats verschaffen können<ref> OVG Saarland, Urteil vom 22.04.1993 - 1 R 35/91 = DÖV 1993, 964 f.</ref>.

Zeitpunkt und Ort der Sitzungen des Stadtrats sind unter Angabe der Tagesordnung, spätestens am dritten Tag vor der Sitzung, ortsüblich bekanntzumachen. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung des Stadtrats. (GO Art. 52 Abs. 1)

Zugang

Die Sitzungen haben in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum stattzufinden. (GO Art. 52 Abs. 4)

§ 20 (Öffentliche Sitzungen) Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt wiederholt zunächst den Grundsatz der Öffentlichkeit des GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 . Nach § 20 Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt Abs. 2 Satz 1 sind die öffentlichen Sitzungen des Stadtrats allgemein zugänglich, soweit der für Zuhörer bestimmte Raum ausreicht. Für die Medien ist stets eine angemessene Zahl von Plätzen freizuhalten (§ 20 Abs. 2 Satz 2). Ton- und Bildaufnahmen jeder Art bedürfen der Zustimmung des Vorsitzenden und des Stadtrats; sie sind auf Verlangen eines einzelnen Mitglieds hinsichtlich seiner Person zu unterlassen (§ 20 Abs. 2 Satz 3).

Ausschluss der Öffentlichkeit

Die Voraussetzungen des Ausschlusses der Öffentlichkeit sind in der Bayerischen Gemeindeordnung relativ eng gefasst. Grundsätzlich haben die Sitzungen des Gemeinderats nach Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO öffentlich stattzufinden. Die Öffentlichkeit darf nur ausgeschlossen werden, wenn

entgegenstehen.

Ein Ermessensspielraum bei der Handhabung dieser Regelung besteht für die Kommunen nicht."<ref>Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 10.03.2011 - 12-1426.00-1/1 - Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien; Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den Kommunen - Seite 2</ref>

Über den Ausschluß der Öffentlichkeit wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden. (GO Art. 52 Abs. 2 Satz 2)

Die in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind. (Art. 52 Abs. 3 GO)

Wohl der Allgemeinheit

Das Wohl der Allgemeinheit kann auch in Bayern als Ausschlussgrund nur herangezogen werden, wenn wichtige staatliche oder gemeindliche Interessen berührt sind, so z.B.

Insbesondere die Befürchtung rein politischer bzw. medienwirksamer Schäden für die Gemeinde ist auch in Bayern kein Grund die Öffentlichkeit auszuschließen:

  • „Der Grundsatz der Öffentlichkeit soll gerade sicherstellen, dass unterschiedliche Gesichtspunkte und auch für das Image der Gemeinde u.U. negative Sachverhalte kontrovers vor der Öffentlichkeit diskutiert werden können. Der Wunsch, eine ruhige und harmonische Diskussion zu führen, rechtfertigt nicht den Ausschluss der Öffentlichkeit.“<ref>Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, Art. 52 Rn. 11 mit Verweis auf Bauer/Böhle/Ecker, Art. 52 Rn. 11</ref>.
  • "Ein Ausschluss der Öffentlichkeit kann ... in keiner Weise dadurch gerechtfertigt werden, dass man sich hierdurch einen einfacheren politischen Willensbildungsprozess verspricht. Gleiches gilt in Bezug auf Befürchtungen, eine öffentliche Behandlung könnte über die Medien Schwierigkeiten für die Kommune verursachen."<ref>Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 10.03.2011 - 12-1426.00-1/1 - Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien; Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den Kommunen - Seite 2</ref>. "

Berechtigte Ansprüche einzelner

"Berechtigte Ansprüche Einzelner sind private oder öffentliche Rechte, aber auch rechtlich geschützte oder anerkannte Interessen einzelner Personen oder Personengemeinschaften. Sie können z.B. darin bestehen, dass

  • das Einkommen,
  • die Vermögens- und Eigentumsverhältnisse,
  • die wirtschaftlichen Belastungen oder
  • die Geschäftsbeziehungen Einzelner

nicht öffentlich bekannt werden.

"Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung, z.B. einer Ruf- oder Geschäftsschädigung genügt; so kann es den anerkannten Interessen des Einzelnen bereits zuwiderlaufen, wenn Dritte von der Angelegenheit erfahren können. Entscheidend ist, ob eine solche Gefahr im objektiven Sinne, d.h. nicht dem subjektiven Empfinden der Betroffenen nach besteht<ref>vgl. Prandl/Zimmermann/Büchner, Kommunalrecht in Bayern, 10.52 Rd.-Nr. 8</ref>. Bereiche, bei denen typischerweise berechtigte Ansprüche Einzelner einer öffentlichen Behandlung entgegen stehen, sind insbesondere

  • Vergabeangelegenheiten,
    • vgl. VOB/A § 25 Abs. 2 Nr. 1: "Bei Öffentlicher Ausschreibung ist zunächst die Eignung der Bieter zu prüfen. Dabei sind anhand der vorgelegten Nachweise die Angebote der Bieter auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet; dies bedeutet, dass sie die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen und über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen."
  • Angelegenheiten der Rechnungsprüfung<ref>so VG Gelsenkirchen, VR 1983, 393</ref> mit Ausnahme der Entlastungsentscheidung<ref>vgl. von Arnim, Gemeindehaushalt 1981, 258 ff.</ref>

Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt

Die Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt regelt in § 21 die nichtöffentlichen Sitzungen:

In nichtöffentlicher Sitzung werden nach § 20 Abs. 1 Satz 1 in der Regel behandelt:

1. Personalangelegenheiten in Einzelfällen,

2. Rechtsgeschäfte in Grundstücksangelegenheiten,

3. Angelegenheiten, die dem Sozial- oder Steuergeheimnis unterliegen.

Außerdem werden in nichtöffentlicher Sitzung behandelt:

1. Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, deren nichtöffentliche Behandlung im Einzelfall von der Aufsichtsbehörde verfügt ist,

2. sonstige Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch Gesetz vorgeschrieben oder nach der Natur der Sache erforderlich ist.

Rechtsfolgen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit

Rechtslage in Bayern

Wenn kein Ausnahmegrund vorliegt, ist die Stadtratssitzung zwingend öffentlich. Den Stadträten und ihren Fraktionen ist allerdings in Bayern selbst bei einem rechtswidrigen Beschluss zum Ausschluss der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht weitgehend die Möglichkeit genommen, ihre Auffassung öffentlich darzustellen. Die freie Mandatsausübung wird dadurch behindert, politische Meinungsbildung, Teilhabe der Bürger an politischen Prozessen kann somit in Bayern fast vollständig vereitelt werden. Der Grundsatz der freien Mandatsausübung, dessen wesentliches Element die Befugnis ist, zu jeder Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft öffentliche Überzeugungsbildung innerhalb und außerhalb der Ratsgremien zu betreiben, wird dadurch aufgehoben. Dies kann und muss als demokratische Fehlentwicklung angesehen werden.

Rechte des Stadtrats und der Bürger

Ein Stadtrat hat nach der Rechtsprechung der bayerischen Justiz - anders als etwa in Hessen oder Nordrhein-Westfalen - keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Herstellung der Öffentlichkeit oder Feststellung der Rechtswidrigkeit ihres Ausschlusses, geschweige denn die Gemeindebürger<ref>Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, BayVGH Fst. 1988, Rn. 322, genauso wohl VGH Mannheim, Der Städtetag 1992, 391, zitiert nach FES, Wegbeschreibung für die kommunale Praxis, Die (Nicht-)Öffentlichkeit der Sitzung</ref>.

Unwirksamkeit von Satzungsbeschlüssen

Für den Bereich von Satzungen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Ungültigkeit eines in nicht öffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses konstatiert<ref>BayVGH, Urteil vom 26.01.2009</ref>, das Verwaltungsgericht Bayreuth hat diese Rechtsprechung jedoch schon im Bereich einer Allgemeinverfügung nicht mehr angewendet<ref>Urteil des VG Bayreuth vom 16.02.2009</ref>. In Bayern fehlt daher im Grunde weitgehend die gerichtliche Kontrolle der Öffentlichkeit und Transparenz des kommunalen Entscheidungsbildungsprozesses. Einzig verbleibende Möglichkeit in Bayern ist die Anrufung der Rechtsaufsichtsbehörde (Landratsamt) nach GO Art. 109. Diese ist jedoch auch eine Verwaltungsbehörde und unterliegt anderen Paradigmen als ein unabhängiges Gericht.

Die praktische Handhabung des Grundatzes der Öffentlichkeit kann unter diesen Prämissen in Bayern aus dem Ruder laufen und sich in sein Gegenteil - einen Grundatz der Intrasparenz kommunalpolitischer Entscheidungsstrukturen - verwandeln. Und was nützt es, wenn man zum Ergebnis kommt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit rechtswidrig war oder gewesen sein könnte? In Bayern aus oben dargelegten Gründen grundsätzlich wenig. Wo Fehlverhalten nicht sanktioniert wird, wird sich Fehlverhalten wohl auf Dauer durchsetzen.

Rechtslage in anderen Bundesländern

Dass man die Bedeutung von Transparenz und Öffentlichkeit auch anders würdigen kann, zeigt die Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen. Das Oberwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 24.04.2001 – 15 A 3021/97<ref>OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.04.2001 - 15 A 3021/97 = DVBl 2001, 1281 = NVwZ-RR 2002, 135</ref> - in aller Deutlichkeit die Rechte der Stadträte, der Stadtratsfraktionen und der Gemeindebürger gestärkt:

"Nach diesem Maßstab ist die Klagebefugnis sowohl der drei klagenden Ratsfraktionen … als auch der Klägerin zu 5. zu bejahen. Die Klägerin zu 5. tritt im vorliegenden Rechtsstreit in ihrer Eigenschaft als Ratsmitglied... auf. … Der Klägerin 5. steht als Ratsmitglied ein eigenes wehrfähiges subjektives Organrecht auf Wahrung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit … durch den Bürgermeister und durch den Rat zu. Insofern hält der Senat entgegen vielfach geübter Kritik für das nordrhein-westfälische Gemeinderecht an seiner früheren Rechtsprechung fest. … der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit [ist] zumindest auch den Ratsmitgliedern als wehrfähiges subjektives Organrecht zugewiesen. … Belegt schon das Antragsrecht des Ratsmitglieds aus § 48 Abs. 2 Satz 3 GO NRW, dass subjektive Organrechte im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit auch Ratsmitgliedern zustehen, so kommt entscheidend hinzu, dass die Behandlung einer Angelegenheit in nichtöffentlicher Sitzung das Ratsmitglied verpflichtet, über diese Angelegenheit nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 Satz 1 GO NRW Verschwiegenheit zu wahren. Denn als Angelegenheiten, deren Geheimhaltung im Sinn des § 30 Abs. 1 Satz 1 GO NRW vom Rat beschlossen wurde, gelten nach nahezu übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur diejenigen Angelegenheiten, die auch ohne ausdrücklichen Ratsbeschluss in nichtöffentlicher Sitzung beraten werden. ...Durch diese gleichsam automatische Einbeziehung in die Verschwiegenheitspflicht gerät jeder Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit notwendig in Konflikt mit dem sonst gegebenen Recht des Ratsmitglieds auf freie Mandatsausübung (§ 43 Abs. 1 GO NRW), dessen wesentliches Element die Befugnis ist, zu jeder Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft öffentliche Überzeugungsbildung innerhalb und außerhalb der Ratsgremien zu betreiben. Berät der Rat eine Angelegenheit in nichtöffentlicher Sitzung, so liegt darin zugleich eine Einschränkung des Mandatsausübungsrechts, die das Ratsmitglied nur dann hinzunehmen hat, wenn die gesetzlichen oder geschäftsordnungsrechtlichen Voraussetzungen für eine derartige Verfahrensweise gegeben sind. ... Das kann nicht die Schlussfolgerung rechtfertigen, der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit sei ein ausschließlich objektiv-rechtlicher Rechtssatz, dessen Wahrung allein der Kommunalaufsicht obliege. Dem steht die aus der Entstehungsgeschichte zu entnehmende Zielsetzung der Vorschrift entgegen, das Interesse des Bürgers am kommunalpolitischen Geschehen und seine Bereitschaft zum kommunalpolitischen Engagement durch Schaffung von Publizität und Kontrolle der kommunalen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zu fördern. Diese Zielsetzung legt es nahe, einen Anspruch zumindest des Bürgers auf Teilnahme an und auf Herstellung oder Beibehaltung der Öffentlichkeit von Rats- und Ausschusssitzungen anzunehmen.... Auch den klagenden Ratsfraktionen ...steht ein eigenes wehrfähiges subjektives Organrecht auf Wahrung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit in § 48 Abs. 2 Satz 1 GO NRW durch den Bürgermeister und durch den Rat zu. Auch insoweit ergibt die systematische Auslegung der genannten Vorschrift, dass Ratsfraktionen in Bezug auf die Sitzungsöffentlichkeit mit eigenen wehrfähigen Organrechten ausgestattet sind. ... Aus § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GO NRW ergibt sich jedoch das grundsätzliche Recht der Ratsfraktionen, ihre Auffassung öffentlich darzustellen, soweit sie bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung im Rat mitwirken. ... Maßgeblich ist nur, dass die ratsinterne Öffentlichkeitsarbeit den Fraktionen durch die genannte Vorschrift als eigenes subjektives Organrecht zugewiesen ist. ...."

Behandlung einer nichtöffentlichen Angelegenheit in öffentlicher Sitzung

Umgekehrt kann die Behandlung einer Angelegenheit, die aufgrund des Art. 52 Abs. 2 GO in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden müsste, in öffentlicher Sitzung gravierende Folgen<ref>siehe Widtmann/Graser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, verlag C.H. Beck, Art. 52 Rdnr. 15 a.E. (S. 15)</ref> haben:

Einzelfälle

Beispiele aus der Praxis der Stadt Burgkunstadt

Mutmaßliche Verstöße gegen Art. 52 BayGO

Beispiele aus der Rechtsprechung

Beschlussvorlagen

Die Beschlussvorlage unterliegt nach BayVGH nicht der Öffentlichkeit.<ref>BayVGH, BayVBl. 1980,339</ref>

Sitzungsbeginn während der Arbeitszeit

Das OVG Saarland hatte sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, bei welchem ein Sitzungsbeginn werktags ab 16.15 Uhr moniert wurde. Nach Ansicht de OVG Saarbrücken (noch) kein Verstoß gegen Öffentlichkeitsgrundsatz, wobei eine noch frühere Uhrzeit wohl zu einem Verstoß führen könnte: "Der Sitzungszeitraum muss so liegen, daß breite Teile aller Bevölkerungsgruppen - insbesondere auch der Berufstätigen - die zumutbare Möglichkeit haben, derart an Ratssitzungen teilzunehmen, dass sie sich ein klares Bild über die Sitzungstätigkeit des Rats verschaffen können."<ref>s.a. Gramlich in DÖV 1982, 139</ref>.

Vorkaufsrecht (BauGB § 24 ff.)

Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Urteil VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.1981 - 3 S 271/81 entschieden, dass "der Gemeinderat ...über das einer Gemeinde zustehende Vorkaufsrecht nach BauGB § 24 grundsätzlich in öffentlicher Sitzung zu verhandeln und zu beschliessen [hat]<ref>Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats; vgl VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.1980 - III 503/79 VBlBW 80, 33)</ref>. Der Ausschluss der Öffentlichkeit in Sitzungen des Gemeinderates, in denen über ein unter anderem auch nach BauGB § 24 Abs 1 Nr 2 bestehendes Vorkaufsrecht zu verhandeln und zu beschliessen ist, ist kein Mittel, das geeignet ist, die Gefahr von Bodenspekulationen aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit auszuschließen. Die Offenlegung des Kaufpreises begründet kein berechtigtes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer Verhandlung und Beschlußfassung des Gemeinderates über die Ausübung eines Vorkaufsrechtes in nicht öffentlicher Sitzung. Der erforderliche Beschluß des Gemeinderates über die Ausübung eines Vorkaufsrechtes ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Bescheid des Bürgermeister, mit dem dieser den Ratsbeschluß vollzieht."<ref>VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.1981 - 3 S 271/81</ref>

Die Regelungen können nach Bundesländern unterschiedlich gefasst sen. Für Rheinland-Pfalz hat das OVG Rheinland-Pfalz in OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.1994 - 8 A 12462/93 für diNicht-Öffentlichkei entschieden, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 15.03.1995 - 4 B 33.95: Bundesrecht stehe einer landesrechtlichen Regelung nicht entgegen, wonach Grundstücksangelegenheiten (hier: die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts) in nicht-öffentlicher Sitzung des Gemeinderats zu behandeln seien.

Der Bayerische Verwaltngsgerichtshof hat in BayVGH, Beschluss vom 24. Februar 2010 – 1 ZB 08.3231 = BauR 2010, 1734 bis dato nur allgemein zm Vorkaufsrecht Stellung genmommen.

Zuschauerandrang

Bei großem öffentlichen Interesse und Zuschauerandrang mit drohender Überfüllung des Sitzungssaals kann der Vorsitzende im Rahmen seiner Ordnungsgewalt den Sitzungsraum sperren (BVerwG, Beschluss vom 20.07.1972 - IV CB 13.72 = DVBl. 1973, 369).

Bekanntgaben nach Art. 52 Abs. 3 BayGO

Normen

Grundgesetz (GG)

Landesrecht (Bayern)

Verwaltungsvorschriften


Rechtsprechung

Justiz Bayern

Andere Bundesländer

Publikationen

Siehe auch

Fußnoten

<references />