Schutznormtheorie

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Die Schutznormtheorie definiert die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtssatz ein subjektives öffentliches Recht gewährt. <ref>Seite „Schutznormtheorie“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 26. Januar 2015, 19:23 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schutznormtheorie&oldid=138195865 (Abgerufen: 14. Juni 2020, 20:59 UTC)</ref>

Drittschutz vermitteln nur solche Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die - ggf. auch nur partiell, wie z.B. BauGB § 34 Abs. 1 - "auch der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen oder deren Ausgleich untereinander dienen. Nicht jede Norm des materiellen öffentlichen Baurechts hat eine solche Zielrichtung. Vielmehr gibt es zahlreiche Normen des materiellen öffentlichen (Landes- und) Bundesbaurechts, die ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit und gerade nicht dem Schutz individueller Interessen dienen<ref>(Beschluß des Senats vom 16. August 1983 - BVerwG 4 B 94.83 - <Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 56 = ZfBR 1983, 290>)</ref>. Deswegen bedarf es jeweils der Klärung, ob eine baurechtliche Vorschrift ausschließlich objektivrechtlichen Charakter hat oder ob sie (auch) dem Schutz individueller Interessen dient, ob sie also Rücksichtnahme auf Interessen Dritter gebietet. Das kann sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergeben, etwa dann, wenn sie Abwehrrechte Betroffener ausdrücklich begründet. In der Regel allerdings wird insoweit - da der Normgeber nur in Ausnahmefällen derartige Abwehrrechte ausdrücklich statuiert hat - eine Auslegung der Norm nach Sinn und Zweck in Betracht kommen; gelegentlich mag sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Wille des historischen Normgebers ermitteln lassen, die Interessen Dritter zu schützen.

Hieraus folgt zugleich, daß es nicht darauf ankommen kann, ob die Norm ausdrücklich einen fest "abgrenzbaren Kreis der Betroffenen" benennt. Insoweit ist die frühere Rechtsprechung des Senats<ref>(BVerwGE 27, 29 <33>[BVerwG 28.04.1967 - IV C 10/65] unter Hinweis auf BGHZ 40, 306 <307>[BGH 27.11.1963 - V ZR 201/61], und BVerwGE 32, 173 <177>[BVerwG 13.06.1969 - IV C 234/65], vgl. auch die Kritik von Marburger, Gutachten C zum 56. Dt. Juristentag, Berlin 1986, S. 33 f.)</ref> zu modifizieren: Es kommt weder darauf an, ob die Norm einen geschützten Personenkreis räumlich, etwa durch Bezeichnung eines Gebiets, abgrenzt, noch darauf, ob sie in ihrer vollen Reichweite auch dem Schutz individueller Interessen zu dienen bestimmt ist. So gebietet z.B. § 34 Abs. 1 BBauG das "Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung" sowohl aus Gründen des nachbarlichen Interessenausgleichs, also der Rücksichtnahme auf individuelle Belange, als auch - darüber hinausgreifend - aus Gründen der objektiven städtebaulichen Ordnung. Worauf es ankommt ist, daß sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen läßt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. Die eindeutige räumliche Abgrenzung eines geschützten Personenkreises erweist sich ohnehin, soweit es etwa um Immissionsbelastungen geht, als praktisch nicht normierbar; allerdings gilt, daß z.B. die Erwähnung der "Würdigung der Interessen der Nachbarn" (§ 31 Abs. 2 BBauG) oder das Ziel, "in einem Baugebiet oder in dessen Umgebung unzumutbare Belästigungen oder Störungen" zu vermeiden (§ 15 Abs. 1 BauNVO), wichtige Indizien dafür sein können, daß eine Norm dem individuellen Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt ist.

Freilich ist Drittschutz nicht in jedem Fall ohne Rücksicht auf den Grad der Beeinträchtigung zu gewähren. Denn die Auslegung einer Vorschrift, die im Grundsatz Drittschutz vermitteln will, kann durchaus zu dem Ergebnis führen, daß Drittschutz nur zu gewähren ist, wenn eine bestimmte Schwelle der Beeinträchtigung erreicht wird."<ref>BVerwG, Urteil vom 19.09.1986 - 4 C 8.84 = NVwZ 1987, 409, Tz. 11 ff.</ref>

Subjektives öffentliches Recht

"Die Verfassungsnorm des GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1 garantiert den Rechtsweg, wenn jemand behauptet, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein<ref>(vgl. BVerfGE 13, 132 [151]; 83, 182 [194])</ref>. Sie gewährleistet indes nicht selbst den sachlichen Bestand oder Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzt mithin subjektive Rechte voraus und begründet sie nicht<ref>(vgl. BVerfGE 15, 275 [281]; 61, 82 [110]; 69, 1 [49]; 83, 182 [194 f.]; 84, 34 [49]; 103, 142 [156]; stRspr)</ref>. Außerhalb verfassungsrechtlicher Gewährleistungen obliegt es damit dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Einzelnen ein subjektives Recht zustehen soll und welchen Inhalt es hat<ref>(vgl. BVerfGE 78, 214 [226]; 83, 182 [195])</ref>. Es stellt folglich eine Frage der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts dar, ob und in welchem Umfang ein solches im Einzelfall besteht. Ihre Beantwortung obliegt allein den zuständigen Fachgerichten und ist der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Es ist nicht dessen Aufgabe, in der Art einer Revisionsinstanz über die Richtigkeit der Auslegung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte zu befinden<ref>(vgl. BVerfGE 18, 85 [92]; 32, 319 [325 f.]; 83, 182 [197]; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. Juli 1989 – 1 BvR 290/87 –, NJW 1990, S. 2249, stRspr)</ref>."<ref>Abs. 22</ref>

Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

Publikationen

Wikipedia

Fachaufsätze

Fußnoten

<references/>

Siehe auch