Namensnennung
" 1. Die Nennung des eigenen Namens im Zusammenhang mit einer Äußerung nimmt am Schutz der Meinungsfreiheit teil.
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt Meinungsäußerungen aller Art und Tatsachenbehauptungen sowie andere Äußerungsformen jedenfalls dann, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind<ref>vgl. BVerfGE 61, 1 [8]; 85, 23 [31]</ref>. Die Erwähnung des eigenen Namens im Zusammenhang mit einer Äußerung ist zwar weder eine eigenständige Äußerungsform noch ein Bestandteil der Äußerung im engeren Sinn. Deren Inhalt steht für sich. Deswegen fällt die Namensangabe aber nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts heraus. Ihr kommt vielmehr wesentliche Bedeutung sowohl für die Äußerung selbst als auch für den individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozeß zu, in den sie einfließt.
Die freie Meinungsäußerung ist "unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft"<ref>BVerfGE 7, 198 [208]</ref>. Im Namen des Urhebers stellt sich die Verbindung zwischen Person und Äußerung erkennbar her. Fügt der sich Äußernde seiner Aussage den eigenen Namen bei, so bringt er damit zum Ausdruck, daß er die Äußerung als seine persönliche Auffassung oder Schilderung kundtun will und bereit ist, für sie einzustehen und im Fall einer Tatsachenbehauptung mit seiner Person für ihre Wahrheit zu bürgen. Gerade bei Äußerungen, mit denen der Sprecher sich in hohem Maß identifiziert oder sein eigenes Schicksal darstellt, gehört die Namensnennung daher zu den Voraussetzungen der Vermittlung des Äußerungssinns.
Außerdem kann der Name des sich Äußernden Botschaften enthalten, die über den reinen Aussageinhalt hinausgehen. So ist es etwa möglich, daß die persönliche Schilderung belastender Erfahrungen für andere Betroffene die Ermutigung einschließt, ihr Schweigen zu brechen. Eine solche Botschaft ließe sich ohne Nennung des eigenen Namens und der damit verbundenen Offenlegung der eigenen Betroffenheit nicht in der gleichen Weise vermitteln. Das gilt in besonderem Maß, wenn die Kommunikation über bestimmte Geschehnisse mit einem Tabu belegt ist. Das persönliche Bekenntnis in der Öffentlichkeit kann in diesem Fall helfen, die mit gesellschaftlichen Tabuisierungsgewohnheiten oft verbundenen Schuldzuweisungen zu durchbrechen.
In der Kundgabe persönlicher Auffassungen oder Mitteilungen erschöpft sich der Sinn von Äußerungen indes nicht. Sie richten sich vielmehr an andere und sind in der Regel dazu bestimmt, meinungsbildend oder handlungsmotivierend auf sie einzuwirken. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt daher Äußerungen nicht nur in ihrer Verbreitungsdimension, sondern auch in ihrer Wirkungsdimension<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 [210]</ref>. Zur Meinungsfreiheit gehört das Recht des sich Äußernden, für seine Äußerung diejenigen Formen und Umstände zu wählen, die ihr eine möglichst große Wirkung sichern<ref>vgl. BVerfGE 93, 266 [289]</ref>. Die Wirkung einer Äußerung auf Dritte hängt aber wesentlich davon ab, ob ihr Urheber erkennbar ist oder nicht. Anonymen Äußerungen fehlt häufig dasjenige Maß an Authentizität und Glaubhaftigkeit, welches ihnen erst den gewünschten Einfluß verleiht oder Reaktionen hervorruft.
Schließlich bleibt die Wirkung einer Äußerung nicht auf die Aufnahme und Verarbeitung bei Dritten beschränkt. So wie sie selbst regelmäßig an vorangegangene Kommunikationen anknüpft, löst sie ihrerseits weitere Kommunikationen aus. In dem Bestreben, die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu gewährleisten, beschränkt sich Art. 5 Abs. 1 GG daher nicht auf den Schutz der einzelnen Äußerung, sondern sichert auch die Voraussetzungen für die Herstellung und Aufrechterhaltung des Kommunikationsprozesses, in den jede Äußerung eingebettet ist<ref>vgl. BVerfGE 57, 295 [319]</ref>. Für diesen besitzt die Namensnennung aber ebenfalls Bedeutung, weil sie erst ermöglicht, daß sich die Kommunikationsteilnehmer aufeinander beziehen oder miteinander in Verbindung treten.
2. Die Nennung des eigenen Namens fällt ferner in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Der Name eines Menschen hat nicht nur Ordnungs- und Unterscheidungsfunktion. Er ist auch Ausdruck der Identität und Individualität. Daher kann der Einzelne verlangen, daß die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und schützt. Dieser Schutz ist in der Verfassungsrechtsprechung bislang nur gegenüber dem staatlich vorgeschriebenen Wechsel des Namens bei Heirat relevant geworden<ref>vgl. BVerfGE 78, 38 [49]; 84, 9 [22]</ref>. Er richtet sich aber auch gegen das Verlangen, den als solchen unbestrittenen Namen in bestimmten Zusammenhängen nicht zu verwenden oder durch ein Pseudonym zu ersetzen. Als Ausdruck der Identität und Individualität läßt sich der Name nicht beliebig austauschen. Er begleitet vielmehr die Lebensgeschichte seines Trägers. Diese wird unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar. Der Verzicht auf die Nennung des Namens läßt daher die Persönlichkeit nicht unbeeinträchtigt.
Das gilt auch für die Namensnennung im Zusammenhang mit einer Äußerung. Äußerungen erschöpfen sich nicht in der Mitteilung eines bestimmten Kommunikationsinhalts. Sie sind zugleich Ausdruck der Persönlichkeit des sich Äußernden. Durch seine Äußerungen stellt er sich Dritten gegenüber als Person dar. Mit ihnen wird er von anderen identifiziert. Aufgrund der Namensnennung können Dritte Äußerungen nicht nur ihrem Urheber zurechnen, sondern auch in das Persönlichkeitsbild einordnen, das sie sich von ihm machen. Zugleich gewinnen sie die Möglichkeit, neben dem Äußerungsinhalt auch die dahinterstehende Person zu beurteilen. Wird jemand zur Unterlassung der Namensnennung im Zusammenhang mit Äußerungen verpflichtet, die er gerade als persönliche versteht und auf deren Zurechnung an sich er Wert legt, ist eine solche Verpflichtung folglich auch an Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zu messen.
3. Dagegen ist die Pressefreiheit nicht einschlägig. Geht es um die Zulässigkeit einer bestimmten Äußerung, so beurteilt sich diese nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, und zwar unabhängig davon, ob sie in einem Medium gefallen ist oder fallen soll, das den Schutz der Pressefreiheit genießt. Diese kommt vielmehr erst dann zum Zuge, wenn die über einzelne Meinungsäußerungen hinausreichende Bedeutung der Presse für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung in Rede steht<ref>vgl. BVerfGE 85, 1 [12 f.]; 95, 28 [34]</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998 - 1 BvR 131/96 Rdnr. 25 ff. </ref>
Normen
Rechtsprechung
Siehe auch
Fußnoten
<references />