Gebot der Rücksichtnahme
"Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Bei der Interessengewichtung spielt eine maßgebende Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen ein Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat<ref>(BVerwG, U.v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn 8 und 9 m.w.N; U.v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4; B.v. 18.06.2018 - 15 ZB 17.635 - juris Rn. 33)</ref>.
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann in Betracht kommen, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens das Wohngebäude des Nachbarn „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab.
Eine solche erdrückende Wirkung auf das Nachbargrundstück kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht<ref>(BayVGH, B.v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12 m.w.N.; B.v. 5.11.2019 - 9 CS 19.1767 - juris Rn. 18). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind mithin - neben der bloßen Distanz - insbesondere die besonderen Belastungswirkungen aufgrund der Höhe und der Länge des Bauvorhabens auf das benachbarte Wohngebäude (BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 15.01.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn. 18 m.w.N.)</ref>.
Für die Annahme der abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen<ref>(BayVGH, B.v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9; B.v. 15.01.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn. 18)</ref>."<ref>VG München, Beschluss vom 13.05.2020 - M 29 SN 20.684 Tz. 32 ff.</ref>
Normen
- BauGB § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile
- BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 2 (Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen): Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
Rechtsprechung
Fußnoten
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