Public Private Partnership
PPP ist die langfristige, vertraglich geregelte und entgeltliche Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und einem privaten Partner. Für viele Kommunen ist Public Private Partnership (PPP) eine geeignete Möglichkeit, dringend anstehende Bauprojekte zu realisieren. "Das Interesse der bayerischen Kommunen an solchen Partnerschaften ist groß. Insgesamt haben wir derzeit 101 kommunale PPP-Projekte in den unterschiedlichsten Bereichen", so Innenminister Joachim Herrmann zu den aktuellen Ergebnissen eine Umfrage der Obersten Baubehörde. In der Region am Obermain wurde der Rathausanbau in Burgkunstadt als PPP-Projekt bekannt.
Umfrage der obersten Baubehörde 2012
Bei den 101 kommunalen PPP-Projekten im Freistaat kooperieren die Partner vorwiegend beim Energiecontracting sowie im Bereich Schule und Bildung. Darüber hinaus realisieren die bayerischen Kommunen unter anderem Sport- und Freizeiteinrichtungen, Altersheime, Verwaltungsgebäude, Veranstaltungszentren, Verkehrsprojekte sowie Ver- und Entsorgungseinrichtungen im Rahmen einer langfristigen öffentlich privaten Zusammenarbeit. 62 Projekte befinden sich derzeit in der Betriebphase, viele weitere in der Vorbereitungs-, Planungs- oder Bauphase.
Die Zusammenarbeit bei einem PPP-Projekt umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks: dazu gehören die Planung, der Bau, der Unterhalt, der Betrieb und gegebenenfalls auch die Finanzierung und die Verwertung. Der Trend geht in den letzten beiden Jahren zu PPP-Projekten ohne private Endfinanzierung. Bei diesem Modell werden die Aufgaben in der Regel so aufgeteilt, dass der private Partner Planung, Bau und Unterhalt und die Kommune die Endfinanzierung über einen Kommunalkredit übernimmt.
Dabei gilt der Grundsatz, dass mit dem Bau und Betrieb einer Bauinvestition verbundene Projektrisiken von demjenigen Partner übernommen werden, der diese am besten handhaben kann. So wird eine optimale Aufgabenverteilung mit dem Ziel größtmöglicher Effizienzvorteile erreicht. Der Lebenszyklusansatz verfolgt außerdem das Ziel, Kostensicherheit für den Projektträger und gleich bleibende Leistungsstandards für den Nutzer sicherzustellen.
Die Oberste Baubehörde unterstützt die bayerischen Kommunen bei der Durchführung ihrer PPP-Projekte. Im Rahmen der PPP AG Bayern bietet sie den Kommunen die Begleitung ihrer Projekte vom einmaligen Gespräch bis zur längerfristigen Unterstützung an. Mehr als 80 bayerische Kommunen nutzen dieses kostenfreie Beratungsangebot bereits. Darüber hinaus hat die Oberste Baubehörde mit dem Kommunalen Forum PPP eine Plattform ins Leben gerufen, auf der ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zu PPP unter den bayerischen Kommunen stattfindet. Im Rahmen von Werkstattberichten und Gesprächen können die Kommunen von den praktischen Erfahrungen vieler öffentlicher Auftraggeber profitieren und Kontakte zu Fachleuten aus der Verwaltung knüpfen.
Die Ergebnisse der Umfrage und weitere Informationen zu PPP sind im Internet unter http://www.ppp.bayern.de abrufbar. Die PPP-AG Bayern ist unter ppp@stmi.bayern.de erreichbar.
(Quelle: Bayerisches Staatsministerium des Innern Pressestelle PM 320/11 vom 18.08.11)
Rathausanbau in Burgkunstadt
Der Anbau am Burgkunstadter Rathaus - wegen hoher Belastungen mit den Schadstoffen PCB und Lindan abgerissen und neugebaut - wurde von der Öffentlich Private Partnerschaften GÖP GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Bernhard Göhl Hoch- und Tiefbau GmbH aus Mainroth im Wege eines sog. Public-Private-Partnership-Modells (PPP) finanziert und gebaut. Das kreditähnliche PPP-Geschäft, ein im Landkreis seinerzeit einmaliges Projekt zur Finanzierung eines öffentlichen Gebäudes, wurde vom Landratsamt Lichtenfels genehmigt. Die Abbrucharbeiten erfolgten im Sommer 2009, die Fertigstellung des Neubaus bis Ende 2009/Anfang 2010.
Nach Angaben von Manfred Schardt von der Stadtverwaltung Burgkunstadt hatte die Belastung mit PCB im Rathausanbau vor dem Neubau 1.200 ng/m³ betragen. Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind giftige und krebsauslösende chemische Chlorverbindungen, die bis in die 1980er Jahre unter anderem als Weichmacher in Lacken, Dichtungsmassen, Isoliermitteln und Kunststoffen verwendet wurden. PCB zählen zu den organischen Giftstoffen, welche durch die Stockholmer Konvention vom 22. Mai 2001 weltweit verboten wurden.
Die Stadt ging seinerzeit davon aus, dass im Falle einer Generalsanierung der komplette Anbau entkernt und notfalls abgeschliffen hätte werden müssen, so Manfred Schardt. Die Sanierung des im Jahr 1977 errichteten Rathausanbaus wäre danach auf Kosten in Höhe von etwa 1,2 Millionen € gekommen. Für den letztlich favorisierten Neubau seien zunächst Kosten in Höhe von 1,4 Millionen € veranschlagt worden. Vorteil des Neubaus sei gewesen, dass man die bisherige Terrasse überdachen und dadurch ca. 160 m² mehr Nutzfläche gewinnen konnte. Ferner hätte Barrierefreiheit auf einer Ebene geschaffen werden können. Der Unterbau sei gleich geblieben. Man habe Alternativen zum Neubau geprüft, unter anderem die Nutzung des Schustermuseums oder der Vogtei, aber auch andere Möglichkeiten wie zum Beispiel der ehemaligen Schuhfabrik Büttner (zuletzt Elektro Göhler) nahe dem Marktplatz. Die Räumlichkeiten hätten sich jedoch alle als zu klein erwiesen und man hätte letztlich außerhalb der Altstadt neu bauen müssen. Die Stadt habe sich jedoch entschieden, mit dem Rathaus in der Altstadt zu bleiben, da man verhindern wollte, dass noch mehr Leben aus der Altstadt abwandern würde, so Manfred Schardt.
Für den Neubau fand nach dem Willen der Stadt zunächst ein Wettbewerb unter Architekten statt. Von insgesamt fünf angefragten Architekturbüros erhielt das Architekturbüro Eschenbacher im Kulmbach den Zuschlag. Dieses stellte im September 2008 die Entwurfs- und Genehmigungsplanung fertig. Die Baugenehmigung vom Landratsamt Lichtenfels wurde im Oktober 2008 erteilt. Die Bausumme des Neubaus konnte nach Angaben der Stadtverwaltung auf eine Million Euro begrenzt werden.
Im November 2008 wurde die Realisierung des Bauvorhabens als sog. PPP-Modell ausgeschrieben. Nach diesem Modell trägt der private Partner die alleinige Verantwortung für den Bau und die Einhaltung des vorgegebenen Kostenrahmens und der Fertigstellungstermine. Das Gebäude bleibt im Eigentum der Stadt, die auch für die Instandhaltung, also Unterhalt und Bewirtschaftung des Gebäudes verantwortlich bleibt. Die Stadt zahlt die vom privaten Partner vorfinanzierten Baukosten in einem Nutzungszeitraum von 20 Jahren an diesen zurück.
Manfred Schardt erklärte, der Freistaat Bayern propagiere solche Lösungen zwischen öffentlichen und privaten Partnern. In Oberfranken habe bereits die Stadt Ebermannstadt ihr Rathaus über eine entsprechende Lösung saniert und betreibe dieses seit zwei Jahren. Man sei vor Ort gewesen und habe sich über das Modell informiert. Laut Nachfrage des Obermain Tagblatts beim Bayerischem Innenministerium sind dort derzeit lediglich zehn weitere PPP-Projekte in Oberfranken bekannt. Die beim Bayerischen Innenministerium angesiedelte Oberste Baubehörde (OBB) leitet und organisiert eine Arbeitsgruppe PPP, die Kommunen bei konkreten Projekten unterstützen soll. Das PPP-Projekt ist vom Landratsamt Lichtenfels als kreditähnliches Geschäft genehmigt worden. Nach Auskunft des stellvertretenden Pressesprecher des Landratsamt Lichtenfels Andreas Grosch war der Rathausanbau Burgkunstadt bis dato der einzige Vertrag als PPP-Projekt, der vom Landratsamt Lichtenfels genehmigt worden sei.
Den Zuschlag auf das PPP-Projekt hatte die Firma Öffentlich Private Partnerschaften GÖP GmbH aus Mainroth, eine hundertprozentige Tochter der Bernhard Göhl Hoch- und Tiefbau GmbH aus Mainroth, erhalten. Als Fertigstellungstermin war zunächst Oktober 2009 vorgesehen, die Einweihung des Neubaus sollte dann zusammen mit dem Altbau am 17. Oktober 2009 erfolgen (siehe Bericht des Obermain-Tagblatts vom 3.7.2009).
(Quelle: Kunstadt.net/27.06.2013)
Kritik
Prozessrisiken
Update 27.11.2012: PPP-Verträge bergen möglicherweise nicht nur erheblichen Risiken für den Mittelstand (siehe unten), sondern auch für den Steuerzahler. Und zwar vor folgendem Hintergrund: Eine kleine Gruppe von internationalen Anwaltskanzleien, Schiedsrichtern und Spekulanten schürt anscheinend weltweit eine Welle internationaler Investitions-Schiedsverfahren, die Steuerzahler Milliarden kosten und Gesetze zum Schutz des Allgemeinwohls verhindern, so eine neue Studie “Profit durch Un-Recht” des Transnational Institute und des Corporate Europe Observatory. Zwar werden in der Untersuchung ÖPP (PPP)-Projekte nicht namentlich genannt, es geht jedoch um Streitigkeiten in Investor-Staat-Beziehungen. Auch ein PPP/ÖPP-Vertrag (Public-Private-Partnership/Öffentlich-Private-Partnerschaft) ist eine Investor-Staat-Beziehung. Soweit diese Verträge Schiedsgerichtsklauseln enthalten, kann auf nationaler Ebene das gleiche Risiko entstehen wie bei den auf internationaler Ebene untersuchten Fällen: “Die internationale Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ist weder gerecht noch unabhängig. Regierungen sind die Hände gebunden, während Multis von einem Rechtssystem profitieren, das einseitig an den Interessen von Investoren ausgerichtet ist. Eine Handvoll Kanzleien ermuntert Konzerne emsig, Regierungen zu verklagen. Und die Top-Schiedsrichter missbrauchen ihren Einfluss, um den Weg für weitere millionenschwere Prozesse zu ebnen”, sagte Cecilia Olivet vom Transnational Institute, Mitautorin der Studie.
Die vollständige Pressmeldung lesen Sie hier:
Download der Studie (englisch): http://corporateeurope.org/sites/default/files/publications/Profiting%20from%20Injustice.pdf
[Das Update vom 27.11.2012 stellt eine Meinungsäußerung von Marcus Dinglreiter dar]
Risiken für den Mittelstand
In einer gemeinsamen Presseinformation der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmer (BVMB) und des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB) kritisieren diese in eindringlichen Worten, die mittelständische Bauwirtschaft werde bei den PPP-Großprojekten im Bundesfernstraßenbau nahezu komplett ausgegrenzt. In einem gemeinsamen Brief an Bundesminister Ramsauer haben die Präsidenten der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen, Thorsten Bode und des Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein, daher mit Nachdruck weitere ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau abgelehnt: "ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau schaden den gewachsenen Strukturen der mittelständisch geprägten deutschen Bauwirtschaft mit ihren vielen qualifizierten Arbeitsplätzen im Verkehrswegebau."
Dabei häteen die Baubetriebe des Mittelstandes über Jahrzehnte bei Ausschreibungen im Bundesfernstraßenbau, u.a. durch leistungsfähige Bietergemeinschaften, ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis gestellt und als Hauptunternehmer mit eigenem Stammpersonal Tausende von Autobahnkilometern mit hoher Qualität und Pünktlichkeit neu- und ausgebaut. Bei ÖPP (öffentlich-private Partnerschaft) bleibe dem Mittelstand oft nur die ruinöse Nachunternehmerposition bei in- und ausländischen Generalunternehmen, die als Konzessionsnehmer auftreten.
Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass die Konzessionsnehmer alle finanziellen und technischen Risiken soweit wie möglich auf die nachgeordnete Ebene der bauausführenden Unternehmen abwälzen würden. Es habe sich auch gezeigt, dass die erhofften Vorteile der wirtschaftlicheren und effizienteren Durchführung zweifelhaft seien. Der Bundesrechnungshof habe in seinem Gutachten vom 5. Januar 2009 methodische Fehler bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung und eine fehlende transparente Darstellung zukünftiger Kosten von ÖPP für die öffentlichen Haushalte bemängelt. Auch Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hätten Zweifel an der Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten geäußert, die dort im Rahmen der 2. Staffel von ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau errichtet werden sollen.
Es sei sehr fraglich, ob der als Vorteil benannte frühzeitigere und schnellere Bau von Autobahnen tatsächlich eine unwirtschaftliche Realisierung über Laufzeiten von 30 Jahren rechtfertigen würde. Zumal die mittelständische Bauwirtschaft umfangreiche Anregungen für ein besseres Baustellenmanagement und neue Wege der Fernstraßenfinanzierung gegeben habe.
Das Interesse von überwiegend ausländischen Baukonzernen an ÖPP-Projekten dürfe nicht höher bewertet werden, als das der mittelständisch strukturierten deutschen Bauwirtschaft mit ihren einheimischen Arbeitnehmern.
(Quelle: ZDB - http://www.zdb.de/zdb.nsf/0/DC149262A67992CDC1257A7C00353960 ) (Quelle: Kunstadt.net/18.09.2012/27.11.2012)