Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb: Unterschied zwischen den Versionen
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Der BGH hatte im Fall der ADAC-Rechtsschutzversicherung AG entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch oder Mißbrauch der Rechtsform des Idealvereins schon deshalb ausscheidet, weil es insoweit bereits an einem Gesetzesverstoß, der für sich allein oder im Zusammenwirken mit weiteren Umständen das beanstandete Verhalten als unlauter erscheinen lassen könnte, fehle<ref>vgl. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 13. Aufl., Einl. Rdn. 114; § 1 Rdn. 534 ff, 559; Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, S. 34 ff, 239 ff, 274</ref>. | Der BGH hatte im Fall der ADAC-Rechtsschutzversicherung AG entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch oder Mißbrauch der Rechtsform des Idealvereins schon deshalb ausscheidet, weil es insoweit bereits an einem Gesetzesverstoß, der für sich allein oder im Zusammenwirken mit weiteren Umständen das beanstandete Verhalten als unlauter erscheinen lassen könnte, fehle<ref>vgl. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 13. Aufl., Einl. Rdn. 114; § 1 Rdn. 534 ff, 559; Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, S. 34 ff, 239 ff, 274</ref>. | ||
− | Die Gründung und das Betreiben des Versicherungsgeschäfts | + | Die Gründung und das Betreiben des Versicherungsgeschäfts stünde zu den Vorschriften des Vereinsrechts (§§ 21, 22 BGB) nicht in Widerspruch. Insoweit sei entscheidend, dass das Rechtsschutzversicherungsgeschäft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betrieben werde, d.h. als eine rechtsfähige Person des Handelsrechts, die gegenüber dem Verein juristisch und organisatorisch selbständig sei. Dem entspreche die tatsächliche Ausgestaltung des Geschäftsbetriebs hinsichtlich der Versicherten. Diese würden nur mit der Aktiengesellschaft in versicherungsvertraglicher Beziehung stehen, und nur sie würde beim Eintritt des Versicherungsfalls tätig. |
− | Die rechtliche und organisatorische Trennung | + | Die rechtliche und organisatorische Trennung schließe es aus, die Geschäftstätigkeit der Aktiengesellschaft vereinsrechtlich als eine eigene unternehmerische Betätigung des Idealvereins anzusehen, d.h. als einen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 21 und 22 BGB, der mit den Zwecken eines Idealvereins möglicherweise nicht zu vereinbaren wäre. Den Vorschriften der §§ 21 und 22 BGB liege der gesetzgeberische Gedanke zugrunde, aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubigerschutzes, Vereine mit wirtschaftlicher Zielsetzung auf die dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Formen zu verweisen und die wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen zu verhindern, soweit es sich nicht lediglich um eine untergeordnete, den idealen Hauptzwecken des Vereins dienende wirtschaftliche Betätigung im Rahmen des sogenannten Nebenzweckprivilegs handele<ref>RGZ 133, 170, 174, 175; BGHZ 45, 395, 397, 398</ref>. |
− | Diese gesetzgeberischen Erwägungen tragen der Tatsache Rechnung, dass bei einer nach aussen gerichteten wirtschaftlichen Betätigung Gläubigerinteressen in besonderem Maße berührt werden und dass diese Interessen in den für juristische Personen des Handelsrechts und andere Kaufleute geltenden Vorschriften eine weit stärkere Berücksichtigung gefunden haben als in den Bestimmungen des Vereinsrechts. Denn während sich bei einem Idealverein Gläubigerschutzbestimmungen auf die Vorschriften über die Konkursantragspflicht des Vorstands und die Liquidation des Vereins beschränken<ref>vgl. § 42 Abs. 2, §§ 51-53 BGB</ref>, unterliegt eine juristische Person des Handelsrechts in erster Linie im Interesse der Gläubiger zwingenden Vorschriften über eine Mindestkapitalausstattung, über Bilanzierungs-, Publizitäts- und Prüfungspflichten sowie über die - unbeschränkbare - Vertretungsmacht ihrer organschaftlichen und bevollmächtigten Vertreter<ref>siehe für die Aktiengesellschaft §§ 7, 36 Abs. 2, 37, 57 ff, 82, 148 ff, 162 ff AktG</ref>. Darauf beruht es, dass nach den §§ 21 und 22 BGB ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist ([[Idealverein]]), bereits durch [[Eintragung in das Vereinsregister]] [[Rechtsfähigkeit]] erlangt und dass der Erwerb der Rechtsfähigkeit durch einen wirtschaftlichen Verein nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn es für diesen wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist, sich in einer der für rechtsfähige wirtschaftliche Zusammenschlüsse bundesgesetzlich bereitstehenden Rechtsformen wie beispielsweise der AG oder GmbH zu organisieren und auf diese Weise Rechtsfähigkeit zu erlangen<ref>BVerwGE 58, 26 = NJW 1979, 2261</ref>. | + | :"Diese gesetzgeberischen Erwägungen tragen der Tatsache Rechnung, dass bei einer nach aussen gerichteten wirtschaftlichen Betätigung Gläubigerinteressen in besonderem Maße berührt werden und dass diese Interessen in den für juristische Personen des Handelsrechts und andere Kaufleute geltenden Vorschriften eine weit stärkere Berücksichtigung gefunden haben als in den Bestimmungen des Vereinsrechts. Denn während sich bei einem Idealverein Gläubigerschutzbestimmungen auf die Vorschriften über die Konkursantragspflicht des Vorstands und die Liquidation des Vereins beschränken<ref>vgl. § 42 Abs. 2, §§ 51-53 BGB</ref>, unterliegt eine juristische Person des Handelsrechts in erster Linie im Interesse der Gläubiger zwingenden Vorschriften über eine Mindestkapitalausstattung, über Bilanzierungs-, Publizitäts- und Prüfungspflichten sowie über die - unbeschränkbare - Vertretungsmacht ihrer organschaftlichen und bevollmächtigten Vertreter<ref>siehe für die Aktiengesellschaft §§ 7, 36 Abs. 2, 37, 57 ff, 82, 148 ff, 162 ff AktG</ref>. Darauf beruht es, dass nach den §§ 21 und 22 BGB ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist ([[Idealverein]]), bereits durch [[Eintragung in das Vereinsregister]] [[Rechtsfähigkeit]] erlangt und dass der Erwerb der Rechtsfähigkeit durch einen wirtschaftlichen Verein nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn es für diesen wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist, sich in einer der für rechtsfähige wirtschaftliche Zusammenschlüsse bundesgesetzlich bereitstehenden Rechtsformen wie beispielsweise der AG oder GmbH zu organisieren und auf diese Weise Rechtsfähigkeit zu erlangen<ref>BVerwGE 58, 26 = NJW 1979, 2261</ref>. |
− | Diesen vereinsrechtlichen Bestimmungen ist genügt, wenn das Versicherungsgeschäft durch eine juristisch und organisatorisch selbständige Gesellschaft des Handelsrechts betrieben wird, auch wenn diese von einem Idealverein gegründet worden ist und dem Versicherungsgeschäft auf dessen Betreiben und mit dessen Unterstützung nachgeht. Insoweit ist wesentlich, dass die Aktiengesellschaft ihren Gläubigern, insbesondere den Versicherten, alle Sicherheiten bietet, die mit der Rechtsform einer solchen Gesellschaft verbunden sind. Ist das aber der Fall und ist der den §§ 21 und 22 BGB zugrunde liegenden gesetzgeberischen Zielsetzung damit Rechnung getragen, kann nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung der Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaft dem Idealverein nicht als eigener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 21 und 22 BGB zugeordnet werden.<ref>{{BGH I ZR 88/80}}</ref> | + | :Diesen vereinsrechtlichen Bestimmungen ist genügt, wenn das Versicherungsgeschäft durch eine juristisch und organisatorisch selbständige Gesellschaft des Handelsrechts betrieben wird, auch wenn diese von einem Idealverein gegründet worden ist und dem Versicherungsgeschäft auf dessen Betreiben und mit dessen Unterstützung nachgeht. Insoweit ist wesentlich, dass die Aktiengesellschaft ihren Gläubigern, insbesondere den Versicherten, alle Sicherheiten bietet, die mit der Rechtsform einer solchen Gesellschaft verbunden sind. Ist das aber der Fall und ist der den §§ 21 und 22 BGB zugrunde liegenden gesetzgeberischen Zielsetzung damit Rechnung getragen, kann nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung der Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaft dem Idealverein nicht als eigener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 21 und 22 BGB zugeordnet werden."<ref>{{BGH I ZR 88/80}}</ref> |
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Version vom 5. April 2020, 10:43 Uhr
Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts (BGB § 21. Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung (BGB § 22 Satz 2).
Rechtliche und organisatorische Trennung
Der BGH hatte im Fall der ADAC-Rechtsschutzversicherung AG entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch oder Mißbrauch der Rechtsform des Idealvereins schon deshalb ausscheidet, weil es insoweit bereits an einem Gesetzesverstoß, der für sich allein oder im Zusammenwirken mit weiteren Umständen das beanstandete Verhalten als unlauter erscheinen lassen könnte, fehle<ref>vgl. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 13. Aufl., Einl. Rdn. 114; § 1 Rdn. 534 ff, 559; Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, S. 34 ff, 239 ff, 274</ref>.
Die Gründung und das Betreiben des Versicherungsgeschäfts stünde zu den Vorschriften des Vereinsrechts (§§ 21, 22 BGB) nicht in Widerspruch. Insoweit sei entscheidend, dass das Rechtsschutzversicherungsgeschäft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betrieben werde, d.h. als eine rechtsfähige Person des Handelsrechts, die gegenüber dem Verein juristisch und organisatorisch selbständig sei. Dem entspreche die tatsächliche Ausgestaltung des Geschäftsbetriebs hinsichtlich der Versicherten. Diese würden nur mit der Aktiengesellschaft in versicherungsvertraglicher Beziehung stehen, und nur sie würde beim Eintritt des Versicherungsfalls tätig.
Die rechtliche und organisatorische Trennung schließe es aus, die Geschäftstätigkeit der Aktiengesellschaft vereinsrechtlich als eine eigene unternehmerische Betätigung des Idealvereins anzusehen, d.h. als einen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 21 und 22 BGB, der mit den Zwecken eines Idealvereins möglicherweise nicht zu vereinbaren wäre. Den Vorschriften der §§ 21 und 22 BGB liege der gesetzgeberische Gedanke zugrunde, aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubigerschutzes, Vereine mit wirtschaftlicher Zielsetzung auf die dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Formen zu verweisen und die wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen zu verhindern, soweit es sich nicht lediglich um eine untergeordnete, den idealen Hauptzwecken des Vereins dienende wirtschaftliche Betätigung im Rahmen des sogenannten Nebenzweckprivilegs handele<ref>RGZ 133, 170, 174, 175; BGHZ 45, 395, 397, 398</ref>.
- "Diese gesetzgeberischen Erwägungen tragen der Tatsache Rechnung, dass bei einer nach aussen gerichteten wirtschaftlichen Betätigung Gläubigerinteressen in besonderem Maße berührt werden und dass diese Interessen in den für juristische Personen des Handelsrechts und andere Kaufleute geltenden Vorschriften eine weit stärkere Berücksichtigung gefunden haben als in den Bestimmungen des Vereinsrechts. Denn während sich bei einem Idealverein Gläubigerschutzbestimmungen auf die Vorschriften über die Konkursantragspflicht des Vorstands und die Liquidation des Vereins beschränken<ref>vgl. § 42 Abs. 2, §§ 51-53 BGB</ref>, unterliegt eine juristische Person des Handelsrechts in erster Linie im Interesse der Gläubiger zwingenden Vorschriften über eine Mindestkapitalausstattung, über Bilanzierungs-, Publizitäts- und Prüfungspflichten sowie über die - unbeschränkbare - Vertretungsmacht ihrer organschaftlichen und bevollmächtigten Vertreter<ref>siehe für die Aktiengesellschaft §§ 7, 36 Abs. 2, 37, 57 ff, 82, 148 ff, 162 ff AktG</ref>. Darauf beruht es, dass nach den §§ 21 und 22 BGB ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (Idealverein), bereits durch Eintragung in das Vereinsregister Rechtsfähigkeit erlangt und dass der Erwerb der Rechtsfähigkeit durch einen wirtschaftlichen Verein nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn es für diesen wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist, sich in einer der für rechtsfähige wirtschaftliche Zusammenschlüsse bundesgesetzlich bereitstehenden Rechtsformen wie beispielsweise der AG oder GmbH zu organisieren und auf diese Weise Rechtsfähigkeit zu erlangen<ref>BVerwGE 58, 26 = NJW 1979, 2261</ref>.
- Diesen vereinsrechtlichen Bestimmungen ist genügt, wenn das Versicherungsgeschäft durch eine juristisch und organisatorisch selbständige Gesellschaft des Handelsrechts betrieben wird, auch wenn diese von einem Idealverein gegründet worden ist und dem Versicherungsgeschäft auf dessen Betreiben und mit dessen Unterstützung nachgeht. Insoweit ist wesentlich, dass die Aktiengesellschaft ihren Gläubigern, insbesondere den Versicherten, alle Sicherheiten bietet, die mit der Rechtsform einer solchen Gesellschaft verbunden sind. Ist das aber der Fall und ist der den §§ 21 und 22 BGB zugrunde liegenden gesetzgeberischen Zielsetzung damit Rechnung getragen, kann nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung der Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaft dem Idealverein nicht als eigener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 21 und 22 BGB zugeordnet werden."<ref>BGH, Urteil vom 29.09.1982 - I ZR 88/80 = BGHZ 85, 84</ref>