Nichtigkeit (Verwaltungsakt): Unterschied zwischen den Versionen
Zeile 53: | Zeile 53: | ||
==Rechtsprechung== | ==Rechtsprechung== | ||
− | * {{BVerwG 8 C 107.83}} | + | * {{BVerwG 8 C 107.83}} - [[Erschließungsbeitrag]]sbescheid an Nichteigentümer |
* {{BVerwG VII C 71.74}} - Eine gegen Gemeinschaftsrecht verstoßende Verfügung einer nationalen Behörde ist in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. | * {{BVerwG VII C 71.74}} - Eine gegen Gemeinschaftsrecht verstoßende Verfügung einer nationalen Behörde ist in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. | ||
==Fußnoten== | ==Fußnoten== | ||
<references /> | <references /> |
Version vom 30. September 2015, 08:25 Uhr
Ein nichtiger Verwaltungsakt ist nach BayVwVfG Art. 43 Abs. 3 unwirksam.
Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (BayVwVfG Art. 44 Abs. 1).
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
1. der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen läßt,
2. der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3. den eine Behörde in bezug auf unbewegliches Vermögen außerhalb ihres Bezirks oder in bezug auf ein Recht oder Rechtsverhältnis, das an einen Ort außerhalb ihres Bezirks gebunden ist, erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein,
4. den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
5. der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
6. der gegen die guten Sitten verstößt. (BayVwVfG Art. 44 Abs. 2)
Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
1. Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt,
2. eine nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3. ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuß den für den Erlaß des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluß nicht gefaßt hat oder nicht beschlußfähig war,
4. die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist. (BayVwVfG Art. 44 Abs. 3)
Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, daß die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. (BayVwVfG Art. 44 Abs. 4)
Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat. (BayVwVfG Art. 44 Abs. 5)
Kommentierung
"Besonders schwerwiegend im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG sind nur solche Rechtsfehler, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein können, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen."<ref>BVerwG, Urteil vom 22.02.1985 - 8 C 107.83 amtl. Leitsatz</ref>
"Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes entschieden, ein Verwaltungsakt leide nur dann an einem besonders schweren Fehler, wenn er "mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar" sei<ref>Urteile vom 11. Februar 1966 - BVerwG VII CB 149.64 - BVerwGE 23, 237 <238>[BVerwG 11.02.1966 - VII CB 149/64] und vom 16. Juli 1970 - BVerwG VIII C 23.68 - Buchholz 448.0 § 21 WPflG Nr. 8 S. 6 <7></ref>. Hingegen lasse "die Verletzung <selbst> einer wichtigen Rechtsbestimmung allein ... den Fehler noch nicht als schwerwiegend erscheinen"<ref>BVerwG, Urteil vom 26.08.1977 - VII C 71.74 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 20 S. 24 <26>)</ref>. Hinsichtlich der Anforderungen an das Merkmal "besonders schwer(wiegend)" ist durch das Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes keine Änderung eingetreten<ref>vgl. Amtliche Begründung des Entwurfs des Verwaltungsverfahrensgesetzes, BT-Drucks. 7/910, S. 63</ref>. Nach wie vor ist daher "besonders schwerwiegend" nur ein Fehler, der den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein läßt."<ref>BVerwG, Urteil vom 22.02.1985 - 8 C 107.83</ref>
"Nichtigkeit liegt nur bei einem besonders schweren formellen oder materiellen Fehler vor, der nach herrschender Ansicht für einen urteilsfähigen Bürger offensichtlich sein muß<ref>so BVerwGE 19, 284, 287; Wolff-Bachof, VerwR I, 9. Aufl. [1974], § 51 I c; Redeker-v. Oertzen, VwGO, 5. Aufl. [1975], § 42 Rdnr. 110).</ref><ref>BVerwG, Urteil vom 26.08.1977 - VII C 71.74</ref>"
Verstoß gegen die ständige Rechtsprechung eines höchsten Gerichts
"Ob ein Verstoß gegen die ständige Rechtsprechung eines höchsten Gerichts ausreicht, um einen Fehler als besonders schwer anzusehen,"<ref>BVerwG, Urteil vom 26.08.1977 - VII C 71.74</ref> wurde vom Bundesverwaltungsgericht in BVerwG, Urteil vom 26.08.1977 - VII C 71.74 offengelassen.
Verhalten der Behörde
Mit § 44 Abs. 1 VwVfG nicht vereinbar ist die Ansicht, "der Begriff "besonders schwerwiegend" beziehe sich in dieser Vorschrift auf das Fehlverhalten der Behörde, ja geradezu darauf, in welchem Maße dieses Fehlverhalten ihr vorzuwerfen, also gleichsam grob schuldhaft sei. Dass dieser Ansatz nicht zutrifft, macht bereits der Wortlaut des § 44 Abs. 1 VwVfG deutlich. Denn danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet. Der Fehler, von dem in dieser Vorschrift die Rede ist, bezieht sich also auf den Verwaltungsakt, nicht aber auf das Verhalten der Behörde. Dies wird bestätigt namentlich durch § 48 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, der selbst durch (arglistige Täuschung, Drohung oder) Bestechung erwirkte Verwaltungsakte für nicht nichtig, sondern nur rücknehmbar erklärt. Überdies ist der Katalog der in § 44 Abs. 2 VwVfG aufgezählten Nichtigkeitsgründe als Auslegungshilfe für die Generalklausel des Absatzes 1 heranzuziehen (vgl. Amtliche Begründung des Entwurfs des Verwaltungsverfahrensgesetzes, BT-Drucks. 7/910, S. 64); dieser Katalog enthält keinen Tatbestand, der den Schluss erlaubte, daß das Verhalten der Behörde und der Grad ihres Verschuldens für die Beurteilung des Merkmals "besonders schwerwiegender Fehler" ausschlaggebend von Belang sein solle."<ref>BVerwG, Urteil vom 22.02.1985 - 8 C 107.83</ref>
Prozesstaktik
Bei Verdacht auf Nichtigkeit sollte dennoch zunächst eine Anfechtungsklage erhoben werden und diese bei günstigem Prozessverlauf in eine Feststellungsklage geändert werden.<ref>Quelle: http://www.rechtslexikon-online.de/Nichtigkeit_eines_Verwaltungsaktes.html - abgerufen am 30.10.2014 um 00:27 Uhr</ref>.
Normen
- AO § 125 Nichtigkeit des Verwaltungsakts
- BayVwVfG Art. 43
- BayVwVfG Art. 44
Rechtsprechung
- BVerwG, Urteil vom 22.02.1985 - 8 C 107.83 - Erschließungsbeitragsbescheid an Nichteigentümer
- BVerwG, Urteil vom 26.08.1977 - VII C 71.74 - Eine gegen Gemeinschaftsrecht verstoßende Verfügung einer nationalen Behörde ist in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar.
Fußnoten
<references />