Grundrechtseingriff: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Die Kennzeichnung der Osho-Bewegung und der ihr zugehörigen Gemeinschaften als "destruktiv" und "pseudoreligiös" und die Behauptung, diese Gemeinschaften manipulierten - weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit - ihre Mitglieder, erfolgten nicht rechtsförmig, sondern waren in Parlamentsantworten enthalten und außerhalb des Parlaments Gegenstand von Rede- und Diskussionsbeiträgen. Sie waren auch nicht unmittelbar an die Organisationen der Osho-Bewegung und ihre Mitglieder adressiert, sondern wollten Parlament und Öffentlichkeit über die Gruppen dieser Bewegung, ihre Ziele und Aktivitäten unterrichten. Weiter war es nicht Zweck der Äußerungen, den angesprochenen Gemeinschaften und ihren Anhängern Nachteile zuzufügen; beabsichtigt war vielmehr nur, Parlament, Öffentlichkeit und hier vor allem den interessierten und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern die Risiken aufzuzeigen, die nach Auffassung der Bundesregierung mit der Mitgliedschaft in einer der Osho-Bewegung angehörenden Gruppierung verbunden sein konnten. Nachteilige Rückwirkungen auf die einzelne Gemeinschaft wurden allerdings in Kauf genommen. Sofern sie eintraten, beruhten sie aber nicht auf einem erforderlichenfalls zwangsweise durchsetzbaren staatlichen Ge- oder Verbot, sondern darauf, dass der Einzelne aus der ihm zugegangenen Information Konsequenzen zog und der betreffenden Gruppe fernblieb, aus ihr austrat, auf Angehörige oder andere Personen einwirkte, sich ebenso zu verhalten, oder davon absah, die Gemeinschaft (weiter) finanziell zu unterstützen. | ||
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+ | Dies hindert jedoch nicht, Äußerungen der vorliegenden Art an Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu messen. Das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben. Die genannten Äußerungen hatten in Bezug auf die Beschwerdeführer eine mittelbar faktische Wirkung. Als Beeinträchtigungen des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sind aber auch sie von Verfassungs wegen nur dann nicht zu beanstanden, wenn sie sich verfassungsrechtlich hinreichend rechtfertigen lassen."<ref>{{BVerfG 1 BvR 670/91}} Abs. 80 ff.</ref> | ||
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==Publikationen== | ==Publikationen== |
Version vom 16. Juli 2015, 06:58 Uhr
Beispiele aus der Rechtsprechung
Parlamentsantworten: Mittelbar faktische Wirkungen
BVerfG, Beschluss vom 26.06.2002 - 1 BvR 670/91 Abs. 80 ff.:
"Die Verwendung der Attribute "destruktiv" und "pseudoreligiös" und die Erhebung des Vorwurfs der Mitgliedermanipulation beeinträchtigen danach das durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierte Recht der Beschwerdeführer auf eine in religiös-weltanschaulicher Hinsicht neutral und zurückhaltend erfolgende Behandlung. Die Merkmale eines Grundrechtseingriffs im herkömmlichen Sinne werden damit allerdings nicht erfüllt. Danach wird unter einem Grundrechtseingriff im Allgemeinen ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt. Keines dieser Merkmale liegt bei den Äußerungen vor, die hier zu beurteilen sind.
Die Kennzeichnung der Osho-Bewegung und der ihr zugehörigen Gemeinschaften als "destruktiv" und "pseudoreligiös" und die Behauptung, diese Gemeinschaften manipulierten - weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit - ihre Mitglieder, erfolgten nicht rechtsförmig, sondern waren in Parlamentsantworten enthalten und außerhalb des Parlaments Gegenstand von Rede- und Diskussionsbeiträgen. Sie waren auch nicht unmittelbar an die Organisationen der Osho-Bewegung und ihre Mitglieder adressiert, sondern wollten Parlament und Öffentlichkeit über die Gruppen dieser Bewegung, ihre Ziele und Aktivitäten unterrichten. Weiter war es nicht Zweck der Äußerungen, den angesprochenen Gemeinschaften und ihren Anhängern Nachteile zuzufügen; beabsichtigt war vielmehr nur, Parlament, Öffentlichkeit und hier vor allem den interessierten und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern die Risiken aufzuzeigen, die nach Auffassung der Bundesregierung mit der Mitgliedschaft in einer der Osho-Bewegung angehörenden Gruppierung verbunden sein konnten. Nachteilige Rückwirkungen auf die einzelne Gemeinschaft wurden allerdings in Kauf genommen. Sofern sie eintraten, beruhten sie aber nicht auf einem erforderlichenfalls zwangsweise durchsetzbaren staatlichen Ge- oder Verbot, sondern darauf, dass der Einzelne aus der ihm zugegangenen Information Konsequenzen zog und der betreffenden Gruppe fernblieb, aus ihr austrat, auf Angehörige oder andere Personen einwirkte, sich ebenso zu verhalten, oder davon absah, die Gemeinschaft (weiter) finanziell zu unterstützen.
Dies hindert jedoch nicht, Äußerungen der vorliegenden Art an Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu messen. Das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben. Die genannten Äußerungen hatten in Bezug auf die Beschwerdeführer eine mittelbar faktische Wirkung. Als Beeinträchtigungen des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sind aber auch sie von Verfassungs wegen nur dann nicht zu beanstanden, wenn sie sich verfassungsrechtlich hinreichend rechtfertigen lassen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 26.06.2002 - 1 BvR 670/91 Abs. 80 ff.</ref>
Rechtsprechung
- BVerfG, Beschluss vom 26.06.2002 - 1 BvR 670/91 Abs. 80 ff.