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2. Aus dieser Sicht des Grundrechts ist der Begriff "Beruf" weit auszulegen. Er umfaßt nicht nur alle Berufe, die sich in bestimmten, traditionell oder sogar rechtlich fixierten "Berufsbildern" darstellen, sondern auch die vom Einzelnen frei gewählten untypischen (erlaubten) Betätigungen, aus denen sich dann wieder neue, feste Berufsbilder ergeben mögen<ref>grundsätzlich ebenso BVerwGE 2, 89 [92]; 4, 250 [254 f.]</ref>. | 2. Aus dieser Sicht des Grundrechts ist der Begriff "Beruf" weit auszulegen. Er umfaßt nicht nur alle Berufe, die sich in bestimmten, traditionell oder sogar rechtlich fixierten "Berufsbildern" darstellen, sondern auch die vom Einzelnen frei gewählten untypischen (erlaubten) Betätigungen, aus denen sich dann wieder neue, feste Berufsbilder ergeben mögen<ref>grundsätzlich ebenso BVerwGE 2, 89 [92]; 4, 250 [254 f.]</ref>. |
Version vom 15. Mai 2015, 09:48 Uhr
GG Art. 12 Abs. 1 "schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich: er gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als "Beruf" zu ergreifen, d. h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Es handelt sich um ein Grundrecht, nicht - wie etwa in Art. 151 Abs. 3 WV - um die Proklamierung der "Gewerbefreiheit" als eines objektiven Prinzips der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Verbürgt ist dem Einzelnen mehr als die Freiheit selbständiger Ausübung eines Gewerbes. Wohl zielt das Grundrecht auf den Schutz der wirtschaftlich sinnvollen - Arbeit, aber es sieht sie als "Beruf", d. h. in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, daß der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt. Das Grundrecht gewinnt so Bedeutung für alle sozialen Schichten; die Arbeit als "Beruf" hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde.
2. Aus dieser Sicht des Grundrechts ist der Begriff "Beruf" weit auszulegen. Er umfaßt nicht nur alle Berufe, die sich in bestimmten, traditionell oder sogar rechtlich fixierten "Berufsbildern" darstellen, sondern auch die vom Einzelnen frei gewählten untypischen (erlaubten) Betätigungen, aus denen sich dann wieder neue, feste Berufsbilder ergeben mögen<ref>grundsätzlich ebenso BVerwGE 2, 89 [92]; 4, 250 [254 f.]</ref>.
Auch Berufe, die Tätigkeiten zum Inhalt haben, welche nach heutigen Vorstellungen der organisierten Gemeinschaft, in erster Linie dem Staate, vorbehalten bleiben müssen, sind in Art. 12 Abs. 1 jedenfalls in dem Sinn gemeint, daß auch sie vom Einzelnen als Beruf frei gewählt werden können und daß keinem BVerfGE 7, 377 (397)BVerfGE 7, 377 (398)ihre Wahl aufgezwungen oder verboten werden darf. Es liegt kein Grund vor anzunehmen, daß das Grundrecht "seinem Wesen nach" für solche Berufe nicht gelte, wie das Bundesverwaltungsgericht meint<ref>BVerwGE 2, 85 [86]; 4, 250 [254]</ref>. Doch gibt und ermöglicht für alle Berufe, die "öffentlicher Dienst" sind, Art. 33 GG weithin Sonderregelungen. Sie ergeben sich aus der Natur der Sache: die Zahl der Arbeitsplätze (und damit im Grenzfall unter Umständen die tatsächliche Unmöglichkeit der Wahl des Berufs für den Einzelnen) wird hier allein von der Organisationsgewalt (im weitesten Sinne) der jeweils zuständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft bestimmt. Das hiernach mögliche Maß an Freiheit der Berufswahl für den Einzelnen wird durch den gleichen Zugang aller zu allen öffentlichen Ämtern bei gleicher Eignung (Art. 33 Abs. 2 GG) gewährleistet.
"Staatlich gebundene" Berufe sind in mannigfaltiger Gestalt möglich und wirklich. Sie fallen ebenfalls unter Art. 12 Abs. 1. Die Frage, an welchem Punkt zwischen "freiem" Beruf mit gewissen öffentlich-rechtlichen Auflagen und Berufen mit völliger Einbeziehung in die unmittelbare Staatsorganisation solche Berufe ihren Platz erhalten sollen, hängt von Eigenart und Gewicht der hier zu erfüllenden öffentlichen Aufgaben ab. Je näher ein Beruf durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen an den "öffentlichen Dienst" herangeführt wird, umso stärker können Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG die Wirkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 tatsächlich zurückdrängen. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers brauchen hier nicht näher untersucht zu werden, da die bayerische Regelung in Übereinstimmung mit den allgemeinen deutschen Apothekenverhältnissen<ref>vgl. BVerfGE 5, 25</ref> - trotz gewisser öffentlich-rechtlicher Bindungen sich ihrer Struktur nach als eine gewerberechtliche darstellt.
Art. 12 Abs. 1 unterscheidet nicht zwischen dem selbständig und dem unselbständig ausgeübten Beruf; auch abhängige Arbeit kann als Beruf gewählt werden und wird es in der modernen Gesellschaft tatsächlich immer mehr. Wenn eine Tätigkeit in selbständiger und in unselbständiger Form ausgeübt werden kann und beide Formen der Ausübung eigenes soziales Gewicht haben, so ist auch die Wahl der einen oder der anderen Form der Berufstätigkeit und der Übergang von der einen zur anderen eine Berufswahl im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG. Das trifft beim Apothekerberuf zu: Der selbständige Apotheker betreibt ein Unternehmen, das die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz ist, der unselbständige Apotheker steht im Dienste eines solchen Unternehmens; es bestehen nach allgemeiner Anschauung wie nach dem Urteil der Berufsangehörigen selbst verschiedene "Berufe" innerhalb des einen Standes der "Apotheker"; die Zugehörigkeit zum einen ist nicht nur Vorbereitungs- und Durchgangsstadium für den Eintritt in den andern. Dem Bundesverwaltungsgericht<ref>BVerwGE 4, 167 [170]</ref> ist deshalb im Ergebnis darin zuzustimmen, daß der Übergang von der Tätigkeit eines angestellten zur Tätigkeit eines selbständigen Apothekers ein Akt der
Berufswahl ist, der dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG untersteht."<ref>BVerfG, Urteil vom 11.06.1958 - 1 BvR 596/56 Abs. 56 ff.</ref>
Normen
- GG Art. 12 Abs. 1 Satz 1
Rechtsprechung
Fußnoten
<references />