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Version vom 11. April 2018, 08:14 Uhr
Der Bayerische Landtag hat in seiner 109. Sitzung der 17. Wahlperiode am 19.07.2017 in zweiter Lesung den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen Drs. 17/16299, 17/17415 (G) beschlossen. In dem Gesetz wurde u.a. die sog. drohende Gefahr als zusätzliche Gefahrbegriffskategorie im Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) eingeführt. In PAG Art. 11 (Allgemeine Befugnisse) wurde gem. § 1 Nr. 2 des Gesetzes zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen folgender Absatz 3<ref>Der bisherige Abs. 3 wurde Abs. 4.</ref> eingefügt:
(3) Die Polizei kann unbeschadet der Abs. 1 und 2 die notwendigen Maßnahmen treffen, um den Sachverhalt aufzuklären und die Entstehung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut zu verhindern, wenn im Einzelfall
1. das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet oder
2. Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen zulassen, wonach in absehbarer Zeit Gewalttaten von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind (drohende Gefahr), soweit nicht die Art. 12 bis 48 die Befugnisse der Polizei besonders regeln.
Bedeutende Rechtsgüter sind
1. der Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes,
2. Leben, Gesundheit oder Freiheit,
3. die sexuelle Selbstbestimmung,
4. erhebliche Eigentumspositionen oder
5. Sachen, deren Erhalt im besonderen öffentlichen Interesse liegt.
Normen
Bundesrecht
Grundgesetz (GG)
- GG Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a: Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über ... die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
Bundeskriminalamtgesetz (BKAG)
Bayerisches Landesrecht
Polizeiaufgabengesetz – PAG
Der Begriff der drohenden Gefahr wird in folgenden Vorschriften des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes verwendet:
- PAG Art. 11 Allgemeine Befugnisse
- PAG Art. 13 Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen
- PAG Art. 14 Erkennungsdienstliche Maßnahmen
- PAG Art. 16 Platzverweisung, Aufenthaltsanordnung und Kontaktverbot
- PAG Art. 21 Durchsuchung von Personen
- PAG Art. 32 Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen sowie an besonders gefährdeten Objekten
- PAG Art. 32a Elektronische Aufenthaltsüberwachung
Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 30.01.2018 - Drucksache 17/20425
Nach dem Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 30.01.2018 - Drucksache 17/20425 - soll die drohende Gefahr als Eingriffsvoraussetzung ferner künftig in folgenden Vorschriften des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes zur Anwendung kommen:
- PAG Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 Vorladung
- PAG Art. 25 Abs. 1 Nr. 1b neu Sicherstellung
- BayPAG Art. 30 Abs. 2 Nr. 2b neu Allgemeine Grundsätze: (III. Abschnitt Datenverarbeitung)
21. Nach der Überschrift des III. Abschnitts wird folgender Art. 30 eingefügt:
„Art. 30 Allgemeine Grundsätze
(1) Vorbehaltlich abweichender Regelung gel-ten die Vorschriften dieses Abschnitts für alle Datenverarbeitungen der Polizei nach diesem Ge-setz, unabhängig davon, ob diese in Akten, Dateien oder anderer Form erfolgen.
(2) 1Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ist zulässig,
1. soweit andernfalls die Erfüllung polizeilicher Aufgaben, insbesondere die Verhütung oder Unterbindung von Straftaten, gefährdet oder wesentlich erschwert ist,
2. zur Abwehr von
a) Gefahren oder
b) drohenden Gefahren für ein bedeutendes Rechtsgut,
3. wenn der Betroffene der Datenverarbeitung schriftlich zugestimmt hat und die Daten nur für den Zweck verarbeitet werden, zu dem die Zustimmung erteilt wurde; vor Erteilung der Zustimmung ist der Betroffene über den Zweck der Verarbeitung sowie darüber aufzu-klären, dass er die Zustimmung verweigern sowie jederzeit widerrufen kann,
4. wenn der Betroffene sie bereits offensichtlich öffentlich gemacht hat oder
5. wenn dies zu Zwecken der Eigensicherung erforderlich ist.
2Solche Daten sollen besonders gekennzeichnet und der Zugriff darauf besonders ausgestaltet werden, wenn und soweit dies der Schutz des Betroffenen erfordert.
(3) Soweit möglich soll erkennbar werden, ob Daten auf Tatsachen oder persönlichen Einschätzungen beruhen.
(4) Bei einer Datenverarbeitung im Zusam-menhang mit einer begangenen oder drohenden Straftat soll nach Möglichkeit unterschieden wer-den, ob die Daten
1. Verdächtige,
2. Verurteilte,
3. Opfer oder
4. andere Personen
betreffen.“
Rechtsprechung
Gesetzgebungsverfahren
Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen vom 31.07.2017
Chronologie
- 24.01.2017 - Staatskanzlei, Bericht aus der Kabinettssitzung, Pressemitteilung v. 24.01.2017
- 21.02.2017 - Staatskanzlei: Ministerrat bringt Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen auf den Weg - Staatskanzlei, Bericht aus der Kabinettssitzung, Pressemitteilung v. 21.02.2017
- 24.02.2017 - Pressemitteilung des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz
- 14.03.2017 - Stellungnahme des Bayerischen Richtervereins e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen
- 29.03.2017 - Bayerischer Landtag - Drucksache 17/16158 - Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring, Ulrike Gote, Jürgen Mistol, Gisela Sengl, Dr. Sepp Dürr, Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Expertenanhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen
- 04.04.2017 Gesetzentwurf Drucksache Nr. 17/16299 vom 04.04.2017
- 25.04.2017 - 102. Plenarsitzung des Bayerischen Landtags TOP 2a
- Staatsminister Joachim Herrmann
- Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD)
- Dr. Hans Reichart (CSU)
- Joachim Hanisch (Freie Wähler)
- Katharina Schulze (Grüne)
- Claudia Stamm (fraktionslos)
- Überweisung in den Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport
- 17.05.2017 - Innenausschuss: Anhörung zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen
- 23.05.2017 - Bayerischer Landtag - Drucksache 17/17058 - Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Florian Herrmann, Josef Zellmeier, Norbert Dünkel, Alexander Flierl, Max Gibis, Manfred Ländner, Otto Lederer, Ludwig Freiherr von Lerchenfeld, Andreas Lorenz, Dr. Hans Reichhart, Peter Tomaschko CSU zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen (Drs. 17/16299)
- 22.06.2017 - Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport
- 19.07.2017
- Plenarprotokoll Nr. 109 Seite 9769-9777; 9781 und Anlage 2
- Protokollauszug
- Video zum TOP
- Beschluss des Plenums 17/17847 (Zustimmung in geänderter Fassung)
- 24.07.2017 Verkündung
- 31.07.2017
Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 30.01.2018 - Drucksache 17/20425
Chronologie
- 30.01.2018 Bayerische Staatsregierung Gesetzentwurf 17/20425
- 07.02.2018 Plenum
- 10.04.2018 Aktuelle Stunde im Bayerischen Landtag auf Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: "Freiheit verteidigen - Bürgerrechte schützen - Überwachungsgesetz stoppen"
- 15.05.2018 Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) im Bayerischen Landtag
- 25.05.2018 Inkrafttreten (§ 7 Abs. 1 Satz 1)
Publikationen
- Stefan Brodmerkel, Der Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen – Gelungen mit Einschränkungen - 09.03.2017
- Dr. Martin Heidebach, Der Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen – Wider rechtsstaatliche Kernsätze des Polizeirechts - 13.03.2017
- Indra Spiecker genannt Döhmann, Bundesverfassungsgericht kippt BKA-Gesetz: Ein Pyrrhus-Sieg der Freiheitsrechte? 21.04.2016
Siehe auch
Fußnoten
<references/>