Enteignung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 5. Oktober 2015, 10:47 Uhr
Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. (GG Art. 14 Abs. 3)
Begriff
"Mit der Enteignung greift der Staat auf das Eigentum des Einzelnen zu. Sie ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet<ref>vgl. BVerfGE 101, 239 [259]; 102, 1 [15 f.]; stRspr</ref>. Die Enteignung setzt den Entzug konkreter Rechtspositionen voraus, aber nicht jeder Entzug ist eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG. Diese ist beschränkt auf solche Fälle, in denen Güter hoheitlich beschafft werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll<ref>vgl. BVerfGE 38, 175 [179 f.]</ref>. Ist mit dem Entzug bestehender Rechtspositionen der Ausgleich privater Interessen beabsichtigt, kann es sich nur um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handeln<ref>vgl. dazu BVerfGE 101, 239 [259]</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 22.05.2001 - 1 BvR 1512/97, 1 BvR 1677/97 Abs. 30</ref>
Arten
"Bei der Prüfung der Regelung am Maßstab des Grundgesetzes ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 GG in dreifacher Weise eigentumsrechtlich relevante Vorschriften erlassen kann."<ref>BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 Abs. 143</ref>
Abgrenzung zur Inhalts- und Schrankenbestimmung
"Das Eigentum als Zuordnung eines Rechtsgutes an einen Rechtsträger bedarf, um im Rechtsleben praktikabel zu sein, notwendigerweise der rechtlichen Ausformung. Demgemäß ist das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber die Aufgabe übertragen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Solche Normen legen generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers fest, bestimmen also den "Inhalt" des Eigentums<ref>BVerfGE 52, 1 [27]</ref>. Der Gesetzgeber schafft damit auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen; sie können privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Natur sein."<ref>BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 Abs. 144</ref>
Legalenteignung
"Weiter hat der Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG die Möglichkeit, durch Gesetz einem bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis konkrete Eigentumsrechte zu entziehen, die aufgrund der allgemein geltenden Gesetze im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG rechtmäßig erworben worden sind<ref>Legalenteignung - BVerfGE 24, 367 [395 f.]; 45, 297 [325 f.]; 52, 1 [27]</ref>".<ref>BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 Abs. 145</ref>
Administrativenteignung
"Schließlich kann der Gesetzgeber - ebenfalls nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG - der Exekutive die Ermächtigung erteilen, konkretes Eigentum Einzelner zu entziehen. Die Enteignung aufgrund Gesetzes (Administrativenteignung) erfordert einen behördlichen Vollzugsakt, der - anders als die Legalenteignung - mit Rechtsmitteln angefochten werden kann."<ref>BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 Abs. 146</ref>
Zulässigkeitsanforderungen
"Die hiernach in Betracht kommenden verschiedenartigen eigentumsrechtlichen Regelungen sind nach der Verfassung unterschiedlichen Zulässigkeitsanforderungen unterworfen. Das gilt nicht nur im Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung. Auch die beiden Formen der Enteignung sind im Hinblick auf die grundrechtliche Gewährleistung eines umfassenden und effektiven Rechtsschutzes nicht beliebig austauschbar<ref>BVerfGE 24, 367 [401]; 45, 297 [331, 333]</ref>. Darüber hinaus sind ihre Auswirkungen nicht identisch, weil der Rechtsentzug zu verschiedenen Zeitpunkten eintritt<ref>vgl. BVerfGE 45, 297 [326]</ref>".<ref>BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 Abs. 147</ref>
Normen
- GG Art. 14 Abs. 3
Rechtsprechung
- BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 - "Braunkohlentagebau Garzweiler"
- BVerfG, Beschluss vom 18.01.2006 - 2 BvR 2194/99 = BVerfGE 115, 97 - Halbteilungsgrundsatz
- BVerfG, Beschluss vom 22.05.2001 - 1 BvR 1512/97, 1 BvR 1677/97 - Baulandumlegung = BVerfGE 104,1
- BVerfG, Beschluss vom 09.01.1991 - 1 BvR 929/89 - Bundesberggesetz - Vorkaufsrecht
- BVerfG, Urteil vom 24.03.1987 - 1 BvR 1046/85 - Boxberg
- BVerfG, Beschluss vom 20.03.1984 - 1 BvL 28/82 - Enteignung für Hochspannungsleitung
- BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 = BVerfGE 58, 300 - Nassauskiesung
- BVerfG, Urteil vom 10.03.1981 - 1 BvR 92/71; 1 BvR 96/71 - Bad Dürkheimer Gondelbahn - Legalenteignung
- BVerfG, Beschluss vom 10.05.1977 - 1 BvR 514/68; 1 BvR 323/69 - Hamburger U-Bahnbau Öffentliche Lasten - Legalenteignung
- BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 - 1 BvR 638/64; 1 BvR 673/64; 1 BvR 200/65; 1 BvR 238/65; 1 BvR 249/65 = BVerfGE 24, 367 - Hamburgisches Deichordnungsgesetz - Enteignung
Publikationen
- * Volker Epping, Grundrechte, 6. Auflage 2014, Springer, Berlin Heidelberg, ASIN B00R3H9ZBI Rdnr. 469 ff.
Siehe auch
Fußnoten
<references/>