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"Bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in eine Sphäre fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist, tritt der Aspekt der [[Ehrverletzung]] eines von der Äußerung Betroffenen gegenüber dem einer [[freie Entfaltung der Persönlichkeit|freien Entfaltung der Persönlichkeit]] des sich Äußernden zurück. Zum Persönlichkeitsschutz gehört unter den Bedingungen eines besonderen Vertrauensverhältnisses die Möglichkeit des Einzelnen, seine Emotionen frei auszudrücken, geheime Wünsche oder Ängste zu offenbaren und das eigene Urteil über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung freimütig kundzugeben. Unter solchen Umständen getroffene Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in solchen Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vor geht<ref>(vgl. BVerfGE 90, 255 [259 ff.])</ref>. Die strafrechtliche Rechtsprechung und Literatur tragen dem Rechnung, indem sie bei ehrverletzenden Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebensbeziehungen einen Schutz der Vertraulichkeit im Sinne einer beleidigungsfreien Sphäre zugestehen, wenn die Mitteilungen Ausdruck des besonderen Vertrauens sind und mit ihrer Weitergabe an Dritte nicht gerechnet werden muss<ref>(vgl. KG, StV 2002, S. 209; Brandenburgisches OLG, StV 1995, S. 420 [421]; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 185 Rn. 12; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, vor §§ 185 ff. Rn. 9 ff.; jeweils m. w. N.)</ref>. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es nicht entscheidend darauf an, wie dieses Ergebnis strafrechtsdogmatisch verankert wird<ref>(dazu s. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, vor §§ 185 ff. Rn. 9 a)</ref>, sofern die betroffenen Rechtspositionen einander in verfassungsrechtlich bedenkenfreier Weise zugeordnet werden. | "Bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in eine Sphäre fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist, tritt der Aspekt der [[Ehrverletzung]] eines von der Äußerung Betroffenen gegenüber dem einer [[freie Entfaltung der Persönlichkeit|freien Entfaltung der Persönlichkeit]] des sich Äußernden zurück. Zum Persönlichkeitsschutz gehört unter den Bedingungen eines besonderen Vertrauensverhältnisses die Möglichkeit des Einzelnen, seine Emotionen frei auszudrücken, geheime Wünsche oder Ängste zu offenbaren und das eigene Urteil über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung freimütig kundzugeben. Unter solchen Umständen getroffene Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in solchen Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vor geht<ref>(vgl. BVerfGE 90, 255 [259 ff.])</ref>. Die strafrechtliche Rechtsprechung und Literatur tragen dem Rechnung, indem sie bei ehrverletzenden Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebensbeziehungen einen Schutz der Vertraulichkeit im Sinne einer beleidigungsfreien Sphäre zugestehen, wenn die Mitteilungen Ausdruck des besonderen Vertrauens sind und mit ihrer Weitergabe an Dritte nicht gerechnet werden muss<ref>(vgl. KG, StV 2002, S. 209; Brandenburgisches OLG, StV 1995, S. 420 [421]; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 185 Rn. 12; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, vor §§ 185 ff. Rn. 9 ff.; jeweils m. w. N.)</ref>. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es nicht entscheidend darauf an, wie dieses Ergebnis strafrechtsdogmatisch verankert wird<ref>(dazu s. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, vor §§ 185 ff. Rn. 9 a)</ref>, sofern die betroffenen Rechtspositionen einander in verfassungsrechtlich bedenkenfreier Weise zugeordnet werden. | ||
Version vom 8. Februar 2016, 10:43 Uhr
Beleidigungsfreier Bereich besonders enger Vertrauensverhältnisse
"Bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in eine Sphäre fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist, tritt der Aspekt der Ehrverletzung eines von der Äußerung Betroffenen gegenüber dem einer freien Entfaltung der Persönlichkeit des sich Äußernden zurück. Zum Persönlichkeitsschutz gehört unter den Bedingungen eines besonderen Vertrauensverhältnisses die Möglichkeit des Einzelnen, seine Emotionen frei auszudrücken, geheime Wünsche oder Ängste zu offenbaren und das eigene Urteil über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung freimütig kundzugeben. Unter solchen Umständen getroffene Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in solchen Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vor geht<ref>(vgl. BVerfGE 90, 255 [259 ff.])</ref>. Die strafrechtliche Rechtsprechung und Literatur tragen dem Rechnung, indem sie bei ehrverletzenden Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebensbeziehungen einen Schutz der Vertraulichkeit im Sinne einer beleidigungsfreien Sphäre zugestehen, wenn die Mitteilungen Ausdruck des besonderen Vertrauens sind und mit ihrer Weitergabe an Dritte nicht gerechnet werden muss<ref>(vgl. KG, StV 2002, S. 209; Brandenburgisches OLG, StV 1995, S. 420 [421]; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 185 Rn. 12; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, vor §§ 185 ff. Rn. 9 ff.; jeweils m. w. N.)</ref>. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es nicht entscheidend darauf an, wie dieses Ergebnis strafrechtsdogmatisch verankert wird<ref>(dazu s. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, vor §§ 185 ff. Rn. 9 a)</ref>, sofern die betroffenen Rechtspositionen einander in verfassungsrechtlich bedenkenfreier Weise zugeordnet werden.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass auch schriftliche Äußerungen von Strafgefangenen, deren Post der Briefkontrolle unterliegt, dem Schutz der Vertrauensbeziehung unterfallen können<ref>(vgl. BVerfGE 90, 255 [261]; vgl. auch BVerfGE 35, 35 [40]; – 42, 234 [236 f.]; – 57, 170 [177])</ref>. Der Kreis möglicher Vertrauenspersonen ist dabei nicht auf Ehegatten oder Eltern beschränkt, sonder erstreckt sich auf ähnlich enge Vertrauensverhältnisse<ref>(vgl. BVerfGE 90, 255 [262])</ref>."
Normen
Rechtsprechung
Publikationen
Presseberichte
- Nordkurier vom 06.05.2015 - BUND-Vertreter beleidigt - Hitler-Vergleich: Saftige Geldstrafe für NPD-Frau - Schmähkritik
- Tobias Gostomzyk, Schmähkritik ist verboten: Wie kann man sich gegen Bewertungen im Internet wehren?, F.A.Z. vom 16.04.2008, S. 23
Siehe auch
Fußnoten
<references/>