Zuführung unwägbarer Stoffe

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Der Eigentümer eines Grundstücks kann nach BGB § 906 Abs. 1 Satz 1 die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden (BGB § 906 Abs. 1 Satz 2). Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben (BGB § 906 Abs. 1 Satz 3).

Das Gleiche gilt nach BGB § 906 Abs. 2 Satz 1 insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt (BGB § 906 Abs. 2 Satz 2).

Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist nach BGB § 906 Abs. 3 unzulässig.

BGB § 906 ist nicht Anspruchsgrundlage für einen Abwehranspruch, sondern regelt nur den Ausschluss solcher Ansprüche<ref>Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Auflage 2019, Verlag C.H. Beck, ISBN 9783406725005 § 906 Rn. 13, siehe aber Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB</ref>.

Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB

Ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB... "setzt voraus, dass der Eigentümer eines Grundstücks als Störer im Sinne von BGB § 1004 Abs. 1 für die Beeinträchtigung eines anderen Grundstücks verantwortlich ist<ref>(vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1991 – III ZR 1/90, BGHZ 114, 183, 187)</ref>. Die durch Naturereignisse ausgelösten Störungen (hier durch eine Schlammlawine nach einem Starkregen) sind dem Eigentümer eines Grundstücks nur dann zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn die Beeinträchtigung erst durch ein pflichtwidriges Verhalten herbeigeführt worden ist<ref>(Senat, Urteil vom 2. März 1984 – V ZR 54/83, BGHZ 90, 255, 266; BGH, Urteil vom 18. April 1991 – III ZR 1/90, aaO)</ref>. So verhält es sich jedoch nicht, wenn der Einlass zu einer von Dritten zum Schutz vor einem Übertritt des Wassers auf tiefer gelegene Grundstücke angelegten Rohrleitung nicht ordnungsgemäß errichtet, erhalten oder gewartet worden ist. Nicht der Eigentümer eines höher gelegenen Grundstücks ist verpflichtet, durch Erhaltung und Reinigung eines solchen Abflusses für einen ausreichenden Schutz der tiefer gelegenen Grundstücke zu sorgen<ref>(BGH, Urteil vom 18. April 1991 – III ZR 1/90, aao, 188 f)</ref>; vielmehr haben grundsätzlich deren Eigentümer sich um den Schutz ihrer Grundstücke zu kümmern, wozu sie berechtigt sein können, auf dem höher gelegenen Grundstück die dafür erforderlichen Schutzmaßnahmen (etwa durch Anlegen eines Rohres zum Schutz ihrer (bebauten) Grundstücke vor wild abfließendem Oberflächenwasser zu ergreifen<ref>(BGH, Urteil vom 18. April 1991 – III ZR 1/90, aaO, 191 f)</ref>. Eine solche Befugnis zur Errichtung einer Rohranlage auf einem höher gelegenen Grundstück zum Schutz der in einem tiefer gelegenen Baugebiet gelegenen Grundstücke kann allerdings auch einem Unternehmen der Entwässerung zustehen oder durch eine behördliche Anordnung begründet werden (vgl. § 118 LWG NRW). [13] Eine gesetzliche Pflicht des Eigentümers eines oberliegenden Grundstücks, die von anderen zum Schutze der tiefer gelegenen Grundstücke errichteten Anlagen zu erhalten, wird auch nicht durch das Wasserrecht (§ 94 LWG NRW; jetzt geregelt in § 36 WHG) begründet. Die genannten wasserrechtlichen Vorschriften sollen allein nachteilige Auswirkungen auf das Gewässer (Beeinträchtigungen oder schädliche Gewässerveränderungen) durch Anlagen in und an oberirdischen Gewässern verhindern, jedoch nicht benachbarte Grundstücke vor aus der Anlage austretendem bzw. nicht durch die Anlage abgeführtem, wild abfließendem Oberflächenwasser schützen<ref>(vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31. Januar 2011 – 5 U 91/10, juris Rn. 46)</ref>. [14] b) Der Beklagte ist auch nicht wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht den Klägern gegenüber nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Es ist nicht seine Sache, sondern die der geschädigten Eigentümer bzw. des Streithelfers zu 1, sich darum zu kümmern, dass eine allein dem Schutz der tiefer gelegenen Grundstücke vor einem für deren Nutzung gefährlichen, unkontrolliert abfließenden Oberflächenwasser dienende Rohranlage sich in einem dazu geeigneten Zustand befindet."<ref>BGH, Beschluss vom 17.10.2013 - V ZR 15/13, Abs. 12-14</ref>

Normen

Rechtsprechung

Bundesgerichtshof (BGH)

  • BGH, Urteil vom 12. 6. 2015 – V ZR 168/14: "Ein "Übertritt" von Niederschlagswasser im Sinne des § 37 Abs. 1 LNRG Rheinland-Pfalz setzt keinen oberirdischen Zufluss voraus. Dem Eigentümer eines Grundstücks steht auch dann ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 37 Abs. 1 LNRG Rheinland-Pfalz zu, wenn infolge baulicher Anlagen auf dem Nachbargrundstück (unterirdisch) vermehrt Sickerwasser auf sein Grundstück gelangt."."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 24.01.1992 - V ZR 274/90: "a) Eine Tierhalterhaftung des Bienenhalters wegen Bienen­anflug und der dadurch bewirkten Blütenbestäubung scheidet schon dann aus, wenn der betroffene Grund­stückseigentümer insoweit keinen Abwehranspruch hat(§ 906 Abs. 2, Satz 1 BGB). b) Bienenanflug und die dadurch bewirkte Blütenbestäubung sind eine "ähnliche" Einwirkung im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB. c) Die durch Bienenanflug beeinträchtigte Nutzung eines Gärtnereigrundstücks kann wegen der Besonderheiten des Anbaus (hier: außergewöhnliche Lockwirkung auf Bienen durch angebaute Pflanzen, deren Blüten in ihrer wirt­schaftlichen Verwertbarkeit besonders empfindlich gegen Bienenanflug sind) auch dann ortsunüblich sein (S 906 Abs. 2, Satz 2 BGB), wenn in dem betreffenden Gebiet allgemein eine gärtnerische Grundstücksnutzung üblich ist."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 20.04.1990 - V ZR 282/88: "Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist auch dann gegeben, wenn der Eigentümer des betroffenen Grundstücks zwar das Herabfallen von Schrotblei aus einer benachbarten Schießanlage hätte abwehren können, die daraus folgende Bodenverseuchung und Überschreitung des noch tolerablen Grenzwerts für Bleibelastung mit den sich ergebenden Folgen für die landwirtschaftliche Nutzung aber nicht erkannt hat und auch nicht erkennen konnte."."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 02.03.1984 - V ZR 54/83: "a) Die nachbarrechtliehen Vorschriften (hier § 906 BGB) sind in dem davon erfaßten Regelungsbereich maßgebend dafür, ob eine widerrechtliche Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB vorliegt.. b) Werden von einem Grundstück Rückstände eines dort ver­sprühten chemischen Unkrautvernichtungsmittels durch wild abfließendes Niederschlagswasser einem anderen Grundstück zugeführt, so handelt es sich um eine Immissionseinwirkung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB. c) Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt auch dann in Betracht, wenn eine nach § 906 BGB rechtswidrige und deshalb abwehrfähige Immissionsbeeinträchtigung von dem Eigen­tümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks aus besonderen Gründen nicht verhindert werden kann (Er­gänzung zum Senatsurteil BGHZ 66, 70, 74)."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Urteil vom 15.06.1977 - V ZR 44/75
  • BGH, Urteil vom 07.03.1969 - V ZR 169/65 : "Bietet ein Grundstück einen das ästhetische Empfinden des Nachbarn verletzenden Anblick (hier: Lagerplatz für Baumaterialien und Baugeräte in einer Wohngegend), so ist dies nicht ohne weiteres als „ähnliche von einem ändern Grundstück ausgehende Einwirkung“ im Sinne des § 906 BGB anzusehen."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>

Oberlandesgerichte

  • OLG Rostock, Urteil vom 20.07.2006 - 7 U 117/04: Schadensersatzanspruchs eines Bio-Bauern wegen der Kontamination eines Nachbargrundstücks mit chemischem Unkrautvernichtungsmittel
  • OLG Düsseldorf,Urteil vom 28.07.1995 - 11 U 24/94: "Die Düngung mit Gülle verstößt auch in Regionen, die durch einen hohen Anteil von Unter-Glas-Kulturen geprägt sind, nicht gegen objektive Sorgfaltsmaßstäbe. Zur Vermeidung von Pflanzenschäden durch abdriftende Ammoniak-Verflüchtigungen ist jedoch für eine unverzügliche Einarbeitung in den Boden Sorge zu tragen. Die Unkenntnis der Gefährdung empfindlicher Unter-Glas-Kulturen durch abdriftende Ammoniak-Verflüchtigungen war einem niederrheinischen Landwirt jedenfalls im Frühjahr 1990 nicht als Verschulden anzulasten. Die schuldlose Schädigung benachbarter Unter-Glas-Kulturen durch abdriftende Ammoniak-Verflüchtigungen kann einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch begründen."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>

Siehe auch

Fußnoten

<references/>