Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich

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Das Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich ist nach GWB § 119 Abs. 5 ein Verfahren, bei dem sich der öffentliche Auftraggeber mit oder ohne Teilnahmewettbewerb an ausgewählte Unternehmen wendet, um mit einem oder mehreren dieser Unternehmen über die Angebote zu verhandeln.

Der öffentliche Auftraggeber verhandelt mit den Bietern über die von ihnen eingereichten Erstangebote und alle Folgeangebote, mit Ausnahme der endgültigen Angebote, mit dem Ziel, die Angebote inhaltlich zu verbessern. Dabei darf über den gesamten Angebotsinhalt verhandelt werden mit Ausnahme der vom öffentlichen Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien. (VgV § 17 Abs. 10)

Der öffentliche Auftraggeber kann den Auftrag auf der Grundlage der Erstangebote vergeben, ohne in Verhandlungen einzutreten, wenn er sich in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung diese Möglichkeit vorbehalten hat (VgV § 17 Abs. 11).

Beabsichtigt der öffentliche Auftraggeber, die Verhandlungen abzuschließen, so unterrichtet er die verbleibenden Bieter und legt eine einheitliche Frist für die Einreichung neuer oder überarbeiteter Angebote fest. Er vergewissert sich, dass die endgültigen Angebote die Mindestanforderungen erfüllen, und entscheidet über den Zuschlag auf der Grundlage der Zuschlagskriterien. (VgV § 17 Abs. 14)

Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb

Bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb fordert der öffentliche Auftraggeber im Oberschwellenbereich eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag abgeben. Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung. (VgV § 17 Abs. 1)

Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder im wettbewerblichen Dialog gemäß VgV § 14 Abs. 3 vergeben, wenn

  1. die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können,
  2. der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst,
  3. der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden kann,
  4. die Leistung, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vom öffentlichen Auftraggeber nicht mit ausreichender Genauigkeit unter Verweis auf eine Norm, eine Europäische Technische Bewertung (ETA), eine gemeinsame technische Spezifikation oder technische Referenzen im Sinne der Anlage 1 Nummer 2 bis 5 beschrieben werden kann oder
  5. im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens keine ordnungsgemäßen oder nur unannehmbare Angebote eingereicht wurden; nicht ordnungsgemäß sind insbesondere Angebote, die nicht den Vergabeunterlagen entsprechen, nicht fristgerecht eingereicht wurden, nachweislich auf kollusiven Absprachen oder Korruption beruhen oder nach Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers ungewöhnlich niedrig sind; unannehmbar sind insbesondere Angebote von Bietern, die nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfügen, und Angebote, deren Preis die vor Einleitung des Vergabeverfahrens festgelegten und dokumentierten eingeplanten Haushaltsmittel des öffentlichen Auftraggebers übersteigt; der öffentliche Auftraggeber kann in diesen Fällen von einem Teilnahmewettbewerb absehen, wenn er in das Verhandlungsverfahren alle geeigneten Unternehmen einbezieht, die form- und fristgerechte Angebote abgegeben haben.

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb

Normen

EU-Richtlinien

  • Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (Vergaberichtlinie)
    • Erwägungsgrund (42): "Für die öffentlichen Auftraggeber ist es äußerst wichtig, über zusätzliche Flexibilität zu verfügen, um ein Vergabeverfahren auszuwählen, das Verhandlungen vorsieht. Eine stärkere Anwendung dieser Verfahren wird wahrscheinlich dazu beitragen, den grenzüberschreitenden Handel zu fördern, da die Bewertung gezeigt hat, dass bei Aufträgen, die im Wege des Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben werden, die Erfolgsquote von grenzüberschreitenden Angeboten besonders hoch ist. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, das Verhandlungsverfahren oder den wettbewerblichen Dialog in verschiedenen Situationen vorzusehen, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass offene oder nichtoffene Verfahren ohne Verhandlungen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen. Es sei daran erinnert, dass die Nutzung des wettbewerblichen Dialogs gemessen an den Auftragswerten in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Der wettbewerbliche Dialog hat sich in Fällen als nützlich erwiesen, in denen öffentliche Auftraggeber nicht in der Lage sind, die Mittel zur Befriedigung ihres Bedarfs zu definieren oder zu beurteilen, was der Markt an technischen, finanziellen oder rechtlichen Lösungen zu bieten hat. Diese Situation kann insbesondere bei innovativen Projekten, bei der Realisierung großer, integrierter Verkehrsinfrastrukturprojekte oder großer Computer-Netzwerke oder bei Projekten mit einer komplexen, strukturierten Finanzierung eintreten. Den öffentlichen Auftraggebern sollte gegebenenfalls empfohlen werden, einen Projektleiter zu ernennen, um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Wirtschaftsteilnehmern und dem öffentlichen Auftraggeber während des Vergabeverfahrens zu gewährleisten."
    • Erwägungsgrund (45): "Für das Verhandlungsverfahren sollten angemessene Schutzvorschriften gelten, die die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz gewährleisten. Die öffentlichen Auftraggeber sollten insbesondere im Voraus die Mindestanforderungen angeben, die das Wesen der Beschaffung charakterisieren und im Verlauf der Verhandlungen nicht geändert werden sollten. Die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung sollten während des gesamten Verfahrens stabil bleiben und sollten nicht verhandelbar sein, um die Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten. Ziel der Verhandlungen sollte es sein, die Angebote so zu verbessern, dass die öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzt werden, Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen einzukaufen, die genau auf ihren konkreten Bedarf zugeschnitten sind. Die Verhandlungen können sich auf alle Merkmale der erworbenen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beziehen, darunter zum Beispiel Qualität, Mengen, Geschäftsklauseln sowie soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte, sofern sie keine Mindestanforderungen darstellen. Es sollte klargestellt werden, dass es sich bei den Mindestanforderungen, die vom öffentlichen Auftraggeber festzulegen sind, um jene (insbesondere physischen, funktionellen und rechtlichen) Bedingungen und wesentlichen Merkmale handelt, die jedes Angebot erfüllen beziehungsweise aufweisen sollte, damit der öffentliche Auftraggeber den Auftrag im Einklang mit dem gewählten Zuschlagskriterium vergeben kann. Zur Sicherstellung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens sollten alle Phasen ordnungsgemäß dokumentiert werden. Darüber hinaus sollten alle Angebote während des gesamten Verfahrens schriftlich eingereicht werden."

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Vergabeverordnung (VgV)

Außer Kraft

Rechtsprechung

Publikationen

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Verhandlungsverfahren_%28Vergabeart%29
  • Malte Müller-Wrede, Das Verhandlungsverfahren im Spannungsfeld zwischen Beurteilungsspielraum und Willkür, VergabeR 2010, S. 754.
  • Malte Müller-Wrede, Verhandlungssache Auftragsvergabe – Muss es im Verhandlungsverfahren immer eine Verhandlungsrunde geben?, VergabeNavigator Sonderausgabe 2014, S. 15.

Links

Siehe auch

Fußnoten

<references/>