Tamilen

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" 1. Die ehemalige britische Kronkolonie Ceylon wurde 1948 unabhängig und gab sich 1972 den Namen Sri Lanka. Sie zählte 1981 etwa 15 Mio. Einwohner, darunter etwa 10, 5 Mio. zumeist buddhistische Singhalesen und etwa 3,25 Mio. überwiegend hinduistische Tamilen. Etwa die Hälfte dieser Tamilen bewohnt den Norden und Osten der Insel mit Bevölkerungsanteilen von 90% und 40% Tamilen, zusammen etwa ein Drittel des Staatsgebiets. Diese sogenannten Ceylon-Tamilen gehen auf Einwanderer aus Südindien zurück, die bereits vor mehr als tausend Jahren in das Land gekommen sind. Die andere Hälfte besiedelt das zentrale Hochland um Kandy; deren Vorfahren sind erst vor etwa 150 Jahren von den Briten als Plantagenarbeiter für den Teeanbau aus Indien angeworben worden (sogenannte Indien-Tamilen). Zwischen Singhalesen und Tamilen hat es in der Vergangenheit immer wieder Spannungen und Auseinandersetzungen gegeben, die teils ethnisch und sozial, teils religiös bedingt waren. Im Unterschied zu den Indien-Tamilen genossen die Ceylon-Tamilen wegen der in ihren Siedlungsgebieten stärkeren Christianisierung und besseren Ausbildung (Missionsschulen) eine gewisse Bevorzugung seitens der britischen Kolonialherren; sie waren daher bei Erlangung der Unabhängigkeit Ceylons 1948 in leitenden Funktionen von Wirtschaft und Verwaltung gegenüber den Singhalesen überrepräsentiert.

Nach Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit gelangte - nach einer Regierungszeit der liberal-konservativen "United National Party" (UNP) - aufgrund der Parlamentswahlen von 1956 ein Wahlbündnis mehrerer linksgerichteter Parteien unter der Bezeichnung "People's National Front" an die Macht, das von einer Verbindung sozialistischer Ideen mit einem - gerade auch gegen die hinduistischen Tamilen gerichteten - singhalesisch-buddhistischen Nationalismus geprägt war. Sogleich wurde Singhalesisch (Sinhala) statt des Englischen zur Staatssprache und zur einzigen Unterrichtssprache erklärt. In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen singhalesisch und tamilisch sprechenden Gruppen, die im Mai 1958 im ersten Tamilenpogrom gipfelten, welches nach offiziellen Angaben 159 Menschenleben forderte. Zwar wurde Tamil daraufhin gleichrangige Landessprache in den vorwiegend von Tamilen bewohnten Gebieten; eine systematische Diskriminierung der tamilischen Bevölkerungsgruppe bestimmte aber weiterhin die offizielle Politik.

1976 bildete sich aus gemäßigteren Tamilen-Parteien die radikalere "Tamil United Liberation Front" (TULF), deren Ziel die Bildung eines souveränen Tamilenstaates "Eelam" auf dem Gebiet Sri Lankas war. Nach den Parlamentswahlen 1977, in denen die TULF im Norden fast 70% der Stimmen erzielte und insgesamt stärkste Oppositionspartei wurde, kam es erneut zu Unruhen, vornehmlich in den überwiegend von Singhalesen bewohnten Gebieten des Südens und Südwestens, die nach offiziellen Angaben 125 Tote, darunter 97 Tamilen, forderten und eine erste Fluchtbewegung von Tamilen nach Norden auslösten. Die neu gewählte Regierung Jayewardene (UNP) verfolgte zwar nunmehr eine Politik begrenzter Autonomiegewährung für die tamilischen Provinzen und konnte hierfür teilweise auch die Kooperation der TULF gewinnen; dies verstärkte jedoch zugleich den Zulauf zu radikalen und militanten Tamilenorganisationen wie den "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE), die das Ziel eines souveränen Tamilen-Staates mit Terroranschlägen zu erreichen suchten.

Im Zusammenhang mit dem aufkommenden Terrorismus wurde am 20. Juli 1979 das Anti-Terrorismus-Gesetz erlassen ("Prevention of Terrorism Act" - PTA). Dessen Teil I enthält Strafvorschriften. Neben Mordanschlägen, Banküberfällen, unerlaubtem Waffenbesitz und anderem ist hiernach auch strafbar,

"who by words either spoken or intended to be read or by signs or by visible representations or otherwise causes or intends to cause commission of acts of violence or religious, racial or communal disharmony or feelings of ill-will or hostility between different communities or racial or religious groups" (Section 2 [1 h]).

Die Strafe ist - auch für Vorbereitungs- und Beihilfehandlungen - Freiheitsstrafe nicht unter 5 bis höchstens 20 Jahren sowie Verlust des gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens. Weiterhin ist jedermann unter Strafandrohung verpflichtet, ihm bekannte derartige Straftaten anzuzeigen. Teil II des Gesetzes enthält Vorschriften zur Strafverfolgung; hiernach werden u.a. bestimmte Polizeibeamte ermächtigt, Verdächtige ohne Zeugen zu verhaften, zum Zwecke des Verhörs an jeden anderen Ort zu verbringen und ohne richterlichen Befehl bis zu 72 Stunden lang festzuhalten. Nach Teil III stehen Ministern noch weitergehende Rechte zu: Auf ihre Anordnung können Verdächtige wiederholt für jeweils drei Monate bis zu einer Gesamthaftdauer von 18 Monaten festgehalten werden, ohne daß hiergegen die Anrufung eines Richters zulässig wäre; möglich ist lediglich eine Gegenvorstellung bei einem besonderen Aufsichtsorgan (Teil IV). Das Gesetz sollte zunächst für drei Jahre gelten; diese Befristung wurde jedoch durch Amendment vom 15. März 1982 ersatzlos gestrichen (Act No. 48 of 1979, Suppl. to Part II of the Gazette of the Dem. Soc. Rep. of Sri Lanka of July 20, 1979, und Act No. 10 of 1982, Suppl. to Part II of the Gazette of the Dem. Soc. Rep. of Sri Lanka of March 19, 1982).

Im Zuge der wachsenden Spannungen kam es am 23. Juli 1983 in der Nähe von Jaffna zu einem Anschlag tamilischer Guerilleros, dem 13 Soldaten zum Opfer fielen. Dies löste das bislang stärkste Tamilen-Pogrom seit Erlangung der Unabhängigkeit aus. In Gefängnissen der Hauptstadt Colombo kam es unter den Augen des Gefängnispersonals zu Massakern an tamilischen Häftlingen. In allen größeren Ortschaften des Südens und Südwestens erfolgten Übergriffe der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit auf die tamilische Minderheit, denen nach offiziellen Angaben 362 (nach inoffiziellen Schätzungen 1500) Menschen zum Opfer fielen; ferner wurden 18 000 Häuser, 1100 Geschäfte und weitere Gebäude zerstört, wodurch etwa 100 000 Menschen obdachlos wurden. Sofort verhängte Ausgangssperren wie auch die Androhung der Todesstrafe für Plünderer und Brandstifter erwiesen sich als wirkungslos. Erst am 30. Juli 1983 eingeleitete weitere Maßnahmen führten binnen zweier Tage zu einer Beendigung der Unruhen.

Am 5. August 1983 verabschiedete das Parlament eine Verfassungsänderung (Art. 157 A), nach der es jedermann verboten ist, die Errichtung eines separaten Staates auf dem Gebiet Sri Lankas zu betreiben oder derartige Bestrebungen zu unterstützen; wer dies dennoch tut, soll sein Vermögen bis zur Grenze des Existenzminimums und für eine Zeit von höchstens sieben Jahren seine Bürgerrechte (das Recht, einen Paß zu führen, an öffentlichen Examina teilzunehmen, unbewegliches Vermögen zu erwerben oder eine öffentliche Konzession oder Lizenz zu erhalten) und das Recht auf Bekleidung öffentlicher Ämter verlieren; bekleidete Ämter und Mandate sollen ihm aberkannt werden. Keine Partei oder sonstige Organisation soll separatistische Ziele verfolgen dürfen; eine solche Partei soll vom Supreme Court verboten werden und ihre Parlamentssitze und sonstigen Rechte verlieren (6th Amendment of the Constitution, Suppl. to Part II of the Gazette of the Dem. Soc. Rep. of Sri Lanka of August 12, 1983). Da die Abgeordneten der TULF sich weigerten, den separatistischen Zielen ihrer Partei abzuschwören, und den Parlamentssitzungen drei Monate lang fernblieben, verloren sie Ende 1983 ihre Mandate.

Während es in der Folgezeit im Süden eher zu einer gespannten Ruhelage kam, weiteten sich die Anschläge militanter Separatistenorganisationen in den tamilischen Gebieten des Nordens und Ostens aus. Die Sicherheitskräfte antworteten regelmäßig mit Vergeltungsschlägen (Brandstiftungen, zum Teil Abbrennen ganzer Dörfer und Stadtteile, mitunter auch wahlloses Erschießen von Verdächtigen) und unterzogen im übrigen im Zuge von Razzien die von ihnen anhand von Alter und Geschlecht des Terrorismus besonders Verdächtigen ständigen Überprüfungen mit teils kürzeren, teils auch längeren Inhaftnahmen. Im Verlaufe des Jahres 1984 nahmen diese Auseinandersetzungen an Häufigkeit und Intensität zu. Auf der Jaffna-Halbinsel kam nach Berichten der Deutschen Botschaft in Colombo die Zivilverwaltung zu Jahresbeginn 1985 praktisch zum Erliegen, und die Sicherheitskräfte - überwiegend Militär - wurden mehr und mehr in die Forts zurückgedrängt. Zum Jahreswechsel 1986/87 verkündete die LTTE die Übernahme der Zivilverwaltung auf der Jaffna-Halbinsel. Im Jahre 1987 unternahm die Zentralregierung in Colombo die militärische Rückeroberung der Halbinsel, nachdem im Jahr zuvor bereits in den übrigen Gebieten der Nordprovinzen "Säuberungen" durchgeführt worden waren.<ref>Vgl. zum Vorstehenden: Lageberichte des Auswärtigen Amtes an den Bundesminister des Innern vom 8. Januar 1985, 1. Oktober 1985, 17. Januar 1986, 2. September 1986; Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 25. Januar 1984 an den Bundesminister der Justiz, 19. März 1984 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden, 3. Juli 1984 an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, 17. Dezember 1984 an das Verwaltungsgericht Trier, 11. Juli 1986 an das Oberverwaltungsgericht Berlin, 10. Juli 1987 an das Verwaltungsgericht Kassel; Bericht der Berner Juristenkommission vom August 1984; Archiv der Gegenwart, S. 21144, 23768, 26858 ff., 28334 f., 31007 ff., 31173 ff., 31301 ff.</ref>

Das Eingreifen der indischen Truppen aufgrund des Vertrages vom 29. Juli 1987 führte alsdann zu einer Veränderung der Lage; sie ist ebenso wie die weitere Entwicklung in Sri Lanka hier ohne Bedeutung.

2. Während Asylklagen von Ceylon-Tamilen zuvor in aller Regel erfolglos geblieben waren, führten die Ereignisse von Juli/August 1983 zu einer Änderung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 27. Januar 1984 - 19 A 10363/81) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden- Württember<ref>(Beschluß vom 13. September 1983 - A 12 S. 875/83)</ref>. Auch nach Aufhebung und Zurückverweisung in einigen Asylsachen durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 30. Oktober 1984, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 27, unvollst. in BVerwGE 70, 232) hielten diese Obergerichte an ihrer Auffassung fest, daß jedenfalls die jüngeren oder diejenigen männlichen Ceylon-Tamilen, die als separatistisch eingestellt bereits aufgefallen waren, im Norden und Osten Sri Lankas der Gefahr politischer Verfolgung seitens der srilankischen Sicherheitskräfte ausgesetzt seien, während ihnen im Süden neue Pogrome drohten<ref>(OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 15. Februar und 19. April 1985 - 19 A 10163 und 10188/84; VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 12. März 1985 - A 12 S. 514/84)</ref>. Auf erneute Revision des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hin hob das Bundesverwaltungsgericht auch diese Entscheidung auf und wies die Asylklagen ab<ref>(Urteil vom 3. Dezember 1985, BVerwGE 72, 269)</ref>. Die Berufungsgerichte sahen in diesen Urteilen teilweise einen Übergriff der Revisionsinstanz in die Befugnis der Tatsachengerichte. Sie änderten zwar ihre Entscheidungspraxis aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Verfahrensökonomie, gaben in den Gründen ihrer Entscheidungen jedoch zu erkennen, daß sie an ihrer Auffassung festhielten<ref>(vgl. insbes. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Juni 1986 - 19 A 10005/85; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. August 1986 - A 12 S. 652/82; vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 8. Januar 1988 - 9 B 416/87)</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86; 2 BvR 961/86; 2 BvR 1000/86 Abs. 2-13</ref>

Rechtsprechung

Siehe auch

Fußnoten

<references/>